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Ausgabe:

1965

Spalte:

461-463

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Paul VI. Papst, Erziehung zur Liturgie 1965

Rezensent:

Nagel, William

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 6

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ihm feststellen lassen, nennt er normal". So warnt der Verf. vor
der Kinseyschen These, daß das gelebte Leben zur Norm werden
sollte, wobei es bei den einseitigen Forschungsmethoden des
Amerikaners nicht zweifelhaft ist, daß es sich dabei gar nicht
um durchschnittlich gelebtes Leben handelte. „So gehen z. B.
einige Hundert männliche Prostituierte in die Berechnung der
sexuellen Aktivität des Durchschnittsmannes ein", stellt Gödan
fest. Erfrischend und beachtenswert sind die vom Verf. unternommenen
Versuche, den fatalen Einfluß der Intention im Geschlechtlichen
aufzuweisen. Das spannungsvolle Gerichtetsein auf
etwas, das bewußte und gespannt beobachtende Sich-Vornehmen
einer Sache können in der Ehe größtes Unheil verursachen. Es
wird im allgemeinen dort und überhaupt im Geschlechtsleben
viel zu viel intendiert. „Je mehr es einem um die Lust geht, um
so mehr vergeht sie einem schon; und schließlich entgeht einem
der Genuß vollends". Die Intention führt zu Verkrampfungen,
die eine spontane und eigenartige Entfaltung des Gefühls verhindern
. „Im menschlichen Sexualleben läßt sich nichts vornehmen
, weder nach der einen noch nach der anderen Seite". — Aus
diesen wenigen Beispielen dürfte klar werden, daß diese kleine
Abhandlung besonders wertvolle psychologische Beobachtungen
macht, sie werden unterbaut von einer christlich-personalistischen
Weltanschauung.

Basel Hendrik van Oyen

Bends, Clemens E.: Der Mensch im Zeitalter der Lieblosigkeit.

Hamburg: Furche-Verlag [1965]. 225 S. kl. 8° = Stundenbücher, 53.

Sonderband DM 4.80.
Bretscher. Paul G.: The World Upside Down or Right Side Up?

St. Louis: Concordia Publ. House [1964]. XV, 13oS. 8°. Lw. $ 2.50.
Bruch, Richard: Die naturgesetzlichen Grundlagen der Lehre vom

abusus matrimonii in moralhistorischer Betrachtung (ThGl 55, 1965

S. 23^19).

Demmer, Klaus: Eheliche Hingabe und Zeugung (Schol. 39, 1964
S. 528-557).

Egen t er, Richard: Die Bedeutung des Sentire cum Ecclesia im
christlichen Ethos (TThZ 74, 1965 S. 1-14).

Fischer, Jochen: Die Lebensalter der Ehe. Hamburg: Furche-Verlag
[1965]. 134 S. kl. 8° = Stundenbücher, 51. Sonderband. DM 3.80.

Fangmeier, Jürgen: Theologische Anthropologie des Kindes.
Zürich: EVZ-Verlag [1964]. 22 S. 8° = Theologische Studien, hrsg.
v. K.Barth u. M.Geiger, 77. DM 2.50.

F o r e 11, Urban : Verschiedene Beziehungen eines Menschen zu einer
gegebenen Handlung (NZSTh 6, 1964 S. 329—342).

Rohden, Wilhelm von: Geistes-Norm. Die Geschichte einer getrosten
Verzweiflung. Berlin: Wichern-Verlag 30 S. 8° = Erkenntnis
und Glaube. Schriften d. evang. Forschungsakademie Ilsenburg,
26. Kart. DM 3.40.

Schober, Theodor: Gottesdienst und Diakonie. Stuttgart: Calwer
Verlag [1965). 47 S. 8° = Calwcr Hefte zur Förderung biblischen
Glaubens und christlichen Lebens, hrsg. v. T. Schlatter, 71. Kart.
DM 2.50.

LITURGIEWISSENSCHAFT

M o n t i n i, Giovanni Battista, Erzbischof von Mailand: Erziehung
zur Liturgie. Fastenhirtenbrief 1958. Übers, u. i. Auftr. d. Liturgischen
Instituts hrsg. v. F. Kolbe. Münster/W.: Aschendorff [1963].
57 S. 8°. Kart. DM 4.-.

Nachdem der Verfasser dieses Hirtenbriefes, der damalige
Mailänder Erzbischof Giovanni Battista Montini, als Papst
Paul VI. den Stuhl Petri bestiegen hat, wird sein zum Abschluß
der bereits berühmt gewordenen mailändischen Stadtmission
1958 ergangenes Hirtenwort „Über die Erziehung zur Liturgie"
besonderes Interesse erwarten können. Es entspricht ganz jener
Überzeugung, der bereits 195 3 der jetzige Papst in einem
offiziellen Schreiben als Prostaatssekretär Pius' XII. Ausdruck
gab: „Nichts ist in der Tat in dieser ernsten und doch an
Hoffnungen reichen Stunde so dringend wie die Aufgabe, das
Volk Gottes, die große Familie Jesu Christi, zu der kräftigen
Speise der liturgischen Frömmigkeit zurückzurufen, der Frömmigkeit
, die vom Hauch des Heiligen Geistes erwärmt ist, der
die Seele der Kirche und jedes einzelnen ihrer Kinder ist" (Lit.
Jb. 3, 1953, S. 323). Die Behandlung des Liturgieschemas auf
dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat inzwichen gezeigt, wie

sehr die vom Papst vertretene Bewertung des liturgischen
Lebens von der gesamten römischen Kirche geteilt wird.

Nachdem der Hirtenbrief bereits 1958 in deutscher Übersetzung
im Liturgischen Jahrbuch erschienen ist, will die vorliegende
Ausgabe dieses wegweisende Dokument, zugleich als
Huldigung an den Papst, einem weiteren Kreis zugänglich
machen. Sie ist im Anschluß an die italienische Ausgabe der
„Opera della Regalitä" (Mailand) mit Zwischentiteln versehen
worden.

Die „Einführung" behandelt die Liturgie als Zentralproblem
der heutigen Seelsorge. Das durch die beendete Stadtmission
in Mailand neu verkündete Evangelium ziele auf vielerlei
Früchte ab. Die „erste und natürlichste Antwort", auf die
nun der Hirtenbrief die Aufmerksamkeit lenken will, bestehe
im Zurückfinden zum Gebet. Dessen „Hauptschlagader, zu der
Ströme privater und volkstümlicher Andacht hinführen und von
der andere für das persönliche geistliche Leben ausgehen", sei
das Beten des christlichen Volkes als lebendiger Gemeinschaft,
das liturgische Gebet. Der Verf. will dazu auffordern, über die
liturgische Erziehung „nachzudenken und einiges davon in die
Tat umzusetzen". Je mehr man sich darin vervollkommene,
„die heilige Liturgie zu verstehen, zu feiern, zu verbreiten und
an sie, wie an einen Angelpunkt, das christliche Leben zu binden
", desto eher könne das in der Enzyklika „Mediator Dei"
gesteckte Ziel einer „Mittätigkeit des Volkes bei der Liturgie"
verwirklicht werden.

Der I. Teil befaßt sich mit dem „bildenden Wert der Teilnahme
des Volkes an der Liturgie". Die Darlegungen gehen
von einer Würdigung der genannten Enzyklika aus. Es wird
hier für die Zukunft der liturgischen Bewegung von einer
kaum zu überschätzenden Bedeutung sein, wenn gegenüber anderen
Tendenzen in der Deutung jener Enzyklika der jetzige
Papst von deren Inhalt feststellt, daß er „vorwiegend dogmatisch
und für die liturgische Erneuerung ermutigend ist". Die
darin auch sich äußernde Notwendigkeit, gewisse Mißbräuche
zu unterdrücken, „richtet sich nach dem Gedankengang
der Enzyklika nicht gegen die liturgische Erneuerung, denn auch
diese wird denkbar autoritativ empfohlen". Ja, der Erzbischof
nennt die Enzyklika „die Magna Charta der liturgischen Erneuerung
in der Kirche". Die unersetzliche Bedeutung der Liturgie
liege vor allem in ihrer „erstaunlichen Formkraft, die die
religiöse Bildung der Kinder und der Erwachsenen, des einfachen
Volkes und der Gebildeten trägt und hebt". Von da her
werde der „pastorale Zweck" der Enzyklika selbstverständlich,
nämlich die Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie. So soll
sich verwirklichen, worin der Verfasser das eigentliche Ziel
sieht: „Dem göttlichen Tun in Wort und Sakrament muß die
menschliche Mitwirkung nicht nur des Klerus, sondern auch der
Gläubigen entsprechen, so daß sich eine wunderbare Einheit und
Ausgewogenheit zwischen. . . der Wirksamkeit der göttlichen
Kausalität in der Liturgie und der Mitwirkung der notwendigen
Veranlagungen und Bedingungen auf Seiten der menschlichen
Gemeinschaft" ergibt.

Der II. Abschnitt handelt von der Notwendigkeit einer
Erneuerung des religiösen Lebens vermittels der liturgischen
Erneuerung. Bei ihr müßten freilich „zwei gefährliche, entgegengesetzte
Neuerungstendenzen" vermieden werden, „eine rein
archaistische Restauration" und der Versuch, „neuen gottesdienstlichen
Formen einen willkürlichen Auftrieb zu geben, den
sogenannten ,Paraliturgien', die in das öffentliche Gebet künstliche
Elemente ohne inneren charismatischen Wert einführen
und verkehrte Vorstellungen hervorrufen, die auf die Dauer
die Gläubigen von jenen Quellen ablenken, zu denen man sie
gerade führen wollte". Es komme statt dessen darauf an, „in
den festgelegten Worten und Zeremonien die immanente, heute
oft vergessene oder verdrehte Sinngebung zu entdecken".

Ein in vier Abschnitte untergliederter ausführlicher II. Teil
gibt dann pastorale Weisungen für die Erziehung des Volkes
zur Teilnahme an der Liturgie. Es werde darauf ankommen,
(l.) der liturgischen Versammlung den Sinn für gemeinsames
Tun einzuflößen, (2.) zu berücksichtigen, daß zur Teilnahme
Sehen und Hören gehört, (3.) vor allem aber das Verständnis