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Ausgabe:

1965

Spalte:

460-461

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Gödan, Hans

Titel/Untertitel:

Die Ehe in der Zerreißprobe 1965

Rezensent:

Oyen, Hendrik

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459

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 6

460

über das, was die vorabzitierten Überschriften andeuten. Die im
Anschluß an H. Schelsky ausgesprochene erste These (s. o.), mit
der vom Verf. gezogenen Folgerung: „Die Gleichberechtigung
ist kein bloßes Problem mehr, sondern ein Faktum" (9), will
weltweite Geltung beanspruchen. Die Frauenfrage habe sich
mit der Ausbreitung der technischen Zivilisation erledigt. Im Zusammenhang
mit dem „zivilisatorischen Fortschritt, der seinem
Wesen nach global ist, . . . kann man sicher sein, daß an der
Emanzipation der Frauen nichts zu ändern ist" (10). Zweitens
werden „Erwägungen zur ,Natur' der Frau" (21—3 5), drittens
„Gesellschaftspolitische Gefahren der Emanzipation" (36—56),
viertens „Theologische Aspekte der Geschlechterfrage" (57—82),
fünftens „Die Stellung der Frau in der Bibel" (8 3—103) erörtert
und sechstens als zusammenfassender Abschluß mit dogmatischen,
ethischen und soziologischen Aspekten „Gleichberechtigung und
Evangelium" (104—126) behandelt.

Es wird die ziemlich ausgedehnte Verflechtung des Themas
„Die Frau zwischen gestern und morgen" zwar immer sehr knapp,
aber doch mit Bezügen auf eine ausgedehnte Literatur vorgeführt
. Zur Information und zur Anregung des Gesprächs eignet
sich das Buch gut. Schwierig wird es bei den m. E. z. T. einseitigen
Argumentationen. Die Haupterkenntnis des Verf.s heißt:
„Die Werke des Menschen sind geschlechtslos" (33 ff.). Die
Polemik gegen eine biologische Einschätzung von Mann und
Frau, gegen den „Familiarismus" als „eine restaurative Illusion"
(66 ff.), gegen das „personalistische Interesse an der Ungleichheit
" (69), gegen die „Familie als Keimzelle für die Gesundung
der gesellschaftlichen Verhältnisse", eine Anschauung, „die ihren
Ursprung der biologi6ierenden aristotelischen Staatsphilosophie"
verdanke (70), gipfelt in der Meinung, „daß die Familie in der
Zukunft als eine zeitgebundene Strukturform von einer Richtung
auf größere gesellschaftliche Konvergenz der Einzelnen überholt
wird" (124). Er nennt das zwar eine „Prognose, die vermutlich
weder belegt noch bestritten werden kann" und deshalb im
Augenblick (!) unbrauchbar sei, aber er fühlt 6ich als Anwalt der
zivilisatorischen Fortschritte doch recht deutlich weniger auf
Seiten der traditionellen Strukturform der Familie. Daß ihm die
biblische Stellung zur Frau als zeitgeschichtlich bestimmt gilt,
kann für bestimmte Züge angehen. Er verkennt nicht, „daß die
Frau durch das Evangelium Jesu auch sozial erheblich aufgewertet
worden ist" (94). Seit Paulus sei der Entwicklung zur Gleichberechtigung
aber ein Halt geboten. Paulus betrachtet das
soziologische Verhältnis von Mann und Frau „als unverrückbar",
weil „die biologische Festlegung der Geschlechter für diesen Äon
nicht zu verändern ist" (97). Dieses Grundverhältnis, daß die
Frau nach Eph. 5, 33 ihren Mann fürchten, dem Mann dagegen
immer nur aufgetragen sei, „6eine Frau zu lieben" (99), die Frau
also untergeordnet bleibe, daß also „das biologische Schicksal
entscheidet" (101), bleibe auch in Karl Barths Beziehungslehre
bestehen (73—82). Zu einer wirklichen Partnerschaft von Mann
und Frau in Gleichberechtigung, wie sie mit Recht der Verf. zur
Beseitigung von „Unrecht" verlangt (82), komme es nach Barths
Theologie nicht. Um nicht mißverstanden zu werden, was bei der
Vorrangstellung soziologischer und zivilisatorischer Entwicklungen
durchaus möglich ist, führt R. einen kritischen Kanon ein,
damit „die Gleichberechtigung der Frau nicht dem Hang, möglichst
viel Verantwortung an andere zu delegieren und möglichst
viel Spielraum für sich selbst zu gewinnen, allzu sehr entgegenkommt
. Es könnte sonst tatsächlich dem Termitenstaat vorgearbeitet
werden. Der Christ weiß, daß Gott ihm seine Freiheit als
kritische Instanz gegen die Gemeinschaft gegeben hat, damit er
ihr dient in ihren vielfältigen, vorgefundenen, aber veränderbaren
Gruppierungen". Die kritische Grundregel lautet: „Mündigkeit
ist nur vertretbar, wenn sie die verantwortliche Mitsprache führt"
(124).

Dies sieht R. in der Kirche einfach noch nicht überall möglich
. Es könne aber nicht „gegen das Recht der Frau auf Gleichberechtigung
ausgespielt werden, daß es innerhalb der Bibel
selber noch nicht dazu kam... Die Geschichte mußte unter Einfluß
biblischen Denkens erst die Situation bereitstellen, in der
die Freiheit der Frau zum Gebot des Tages wurde... Die Frauen
befreien zu wollen, bevor sie durch Bildung und organisatorische

Mittel, durch Arbeit und Technik, ihre Freiheit behaupten
konnten, wäre utopisch und lieblos gewesen" (117). Die von der
Freiheit vor Gott angebahnte Entwicklung zur Gleichberechtigung
sei erst im Stadium der Säkularisierung und durch nichtchristliche
Motive gesellschaftlich wirksam geworden. Doch war „unter dem
Einfluß des griechischen und römischen Denkens" die Freiheit
des Evangeliums, „von einer festen Schicht stabiler Gewißheiten
umklammert", durch „schuldhafte Verblendung der Christen"
nur verhindert. „Immer mehr Christen ohne Ressentiment" (118)
erkennen in dieser „mündig und weltlich werdenden Welt Gottes
Werk, das, was er wollte und was unsere Aufgabe gewesen ist.
Von beiden Seiten kommt man sich entgegen und trifft sich in
der Praxis einer entideologisierten Zusammenarbeit und Mitarbeit
in der täglichen Sorge um unsere Erde . . . Man trifft sich
nicht im Glauben, aber man trifft sich im Werk" (119). Von hier
aus und mit der These, daß der Mensch nicht in erster Linie
Mann oder Frau, sondern eben Mensch ist, gibt R. das volle Ja
zur Gleichberechtigung. Er fordert, trotz der teilweise bestehenden
Ablehnung, die Einführung der Frau in das Pfarramt. „Es wäre
die Aufgabe der Kirchen, energische Aufklärungsarbeit zu treiben
, den Boden zu ebnen und allmählich, geduldig die Frauen in
das Pfarramt zu plazieren" (122).

R. tritt ein für das gleiche Recht der Frau gegenüber dem
Mann, sich „gegen unzumutbare Eheverhältnisse zu verteidigen",
d. h. gegebenenfalls sich scheiden zu lassen. „Eine wirkliche Gefahr
der Gleichberechtigung" sieht er sodann in der Frage der
Kindererziehung. Eine Gleichberechtigungsgesetzgebung dürfe den
Eltern nicht die Verantwortung für das Kind abnehmen. Die
„relative Hilfe, durch Kindergärten, Internate" setze diese nicht
außer Kraft. „Das Kind gehört in das Haus" (123). Dennoch tritt
R. gegen die biologische Struktur für eine dialogische Form der
Ehe ein. Die Ehe sei das Zentrum des ganzen Gesellschafts-
gefüges: „In der Ehe als .Besprechungsraum' zweier verschiedener
Menschen wird die geschöpfliche Relativität eingeübt. In der Ehe,
wenn sie vor Gott geführt wird, werden aus gleichberechtigten
Partnern Bundesgenossen . .. Lernen sie wirklich unter Gott,
sich in ihrer Freiheit und im Respekt vor der Unverfügbarkeit
des fremden Menschen liebevoll aufeinander einzulassen.. .,
dann hat die Welt eine Chance. Lernen sie es nicht und wird
von der Existenz christlicher Eheleute nichts Erleuchtendes mehr
ausgehen, dann nützt alle Gleichberechtigung nichts" (l25).

Die im Gange der Inhaltswiedergabe bereits deutlich gewordenen
Bedenken des Rez. lassen nun direkt fragen, ob der
Verf. die unersetzbare Aufgabe der Frau als Mutter, trotz seiner
Betonung des „Hauses" in der Kindererziehung, wirklich erfaßt
oder nicht vielmehr entwertet durch die Infragestellung der
Unterschiedenheit von Mann und Frau. Die mit geschöpf licher Bestimmung
(wie wir für „biologisch" sagen wollen) gesetzte Lln-
gleichheit bei soziologischer und rechtlicher Gleichberechtigung
ist das eigentlche Thema. Dem Verf. ist für die Förderung der
Probleme zu danken. Eine Lösung, die allgemein gültig sein
kann, steht aus.

Jena Horst B e i n I k e r

G ö d a n. Hans: Die Ehe in der Zerreißprobe. Ihre Bedrohung und Bewahrung
in heutiger Zeit. Hamburg: Furche-Verlag [1962]. 125 S.
kl. 8° = Stundenbuch 7. Kart. DM 2.50.

Diese kleine Schrift des Arztes Gödan ist eigentlich eine
Neuauflage eines schon 195 8 erschienenen Werkes, das damals
eher für Eheberater bestimmt war und ihnen zum Leitfaden
dienen sollte. Die vorliegende Ausgabe wurde umgearbeitet auf
die Bedürfnisse der Ratsuchenden selber hin und bemüht sich
nun in einfacher Sprache und leicht zugänglichen Bildern die
Zerreißkräfte der Ehe zu erörtern. Man spürt an allem, daß hier
ein Naturwissenschaftler spricht, wobei gerade das wertvoll ist,
daß er einerseits versucht, die Gefahren einer Naturalisierung
und Technisierung der Ehe aufzuweisen, andererseits aber auch
nachdrücklich gegen eine Abwertung des leiblichen Glückes
warnt. Besonders wird auf die ungeheuren Gefahren der Statistik
hingewiesen. Kinsey's Methoden werden mit Recht als
materialistisch gerügt, „alles ist bei ihm meßbar, alles ist quantitativ
gesehen, Erscheinungen, die sich in größerem Ausmaß von