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1965

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 6

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134). Das Zentrum des Buches bildet der Abschnitt über die
Heilsgegenwart des erhöhten Herrn (S. 165—267), welcher die
Kirche nach drei Seiten hin kennzeichnet, nach ihrer sakramentalen
, priesterlich-hierarchischen und der einheitlich-universalen.
Das eine Ur- und Wurzelsakrament Kirche greift in den sieben
Sakramenten wie den ihnen zugeordneten Sakramentalien
hinein in unsere Lebenswelt und durchdringt sie allseitig. Die
priesterlich-hierarchischc Struktur ist der Kirche vom Herrn selbst
eingestiftet (S. 61. 195. 236 f.) als eine heilige Ordnung. Dies
sucht Winklhofer zugleich für alle Bilder der Kirche als einen
konstituierenden Grundzug nachzuweisen. Die Einheit der Kirche
hat für ihn ihren festen Haftpunkt im Papsttum. In einem letzten
Abschnitt: Kirche in dieser Zeit (S. 268—306) versucht er,
dieses Kirchenverständnis, in welchem sich die neuen romantischsymbolistischen
mit den überkommenen hierarchisch-organisatorischen
Elementen vermischen, auszurichten auf die weltumspannende
technisierte und demokratisierte Massengesellschaft
der Moderne. Ein Anhang (S. 307—3 50) ergänzt den von
allen Anmerkungen und Hinweisen freigehaltenen Text, weist
den Leser auf weitere, vor allem deutschsprachige Literatur hin
und arbeitet einige Diskussionspunkte, insbes. die priesterlich-
hierarchische Struktur der Kirche, noch stärker heraus.

Drei Eigentümlichkeiten dieses Werkes seien unterstrichen:
die 6tarke Einwirkung der organologischen Begriffswelt der
Romantik über die Tübinger Schule, die Verknüpfung jener
organisch-romantischen Schau mft der rationalen Begriffswelt
des technischen Zeitalters, das harte Festhalten an der hierarchischen
Struktur der Kirche.

Die organologische Begriffswelt der Spätromantik läßt die
Kirche als „zweite Inkarnation" Christi (S. 169.185) erscheinen,
welche sich in allen Völkern und Kulturen bereits vorschattete
und in den verschiedenen Bundesschlüssen ständig klarere Gestalt
gewann (S. 45—48), jedoch erst in Maria, der einen „Vor-
und Vollerlösten" (S. 162), als „der Leib Christi und dessen
Heilsinstrumentarium höchste Wirklichkeit und in einer grandiosen
Weise auch präsent" wurde (S. 164). Vom Christuszentrum
her durchdringt sie nun die gesamte Menschheit und führt diese
der Vollendung entgegen, ja sie „ergreift den ganzen Zuordnungsbereich
des Menschen, den vernunftbegabten und vernunftlosen
, die ganze Welt des Menschen, zu der auch die Engel gehören
" (S. 149). Diese organologische Betrachtungsweise findet
keinen rechten Zugang zur worthaft-personalen Begegnung;
wie die Inkarnation Kreuz und Auferstehung verdrängt, so
überlagern die Sakramente das Wort. Die reformatorische Fragestellung
und Sicht der Kirche als creatura verbi erscheint nur am
Rande in der üblichen Verzeichnung, daß sie „aus der Reaktion
gegen jede Art von Mittlertum und aus dem Willen . .., Gott
allein das gesamte Heilswerk zuzuschreiben" (S. 316), erwachsen
sei. Aus der evangelischen Literatur zum Kirchenbegriff nennt
Winklhofer neben den einschlägigen Wörterbuchartikeln und den
speziellen kontroverstheologischen Studien (S. 343 f.) nur das
schwedische Buch von der Kirche (1951) und Asmussen/Stählin:
Die Katholizität der Kirche (1957). Er setzt sich vor allem mit
Emil Brunners „Mißverständnis der Kirche" auseinander (S. 316)
und sieht die evangelische Theologie im Licht von Max Lackmanns
Credo ecelesiam catholicam (S. 346 f.). Die grundlegenden
Arbeiten von Ernst Kinder: Der evangelische Glaube und die
Kirche und Peter Brunner: Pro ecclesia nennt er nicht.

Eine interessante Verbindung ist jenes spätromantische
Denken mit der technisierten Moderne eingegangen; organische
und mechanische Bilder durchdringen sich. Neben den Organismus
des Christusleibes tritt das „Erlösungsinstrumentarium",
beides verbindet sich zum „personalen Heilskollektiv" (S. 97).
Die hier aufbrechende Spannung prägt vor allem das letzte Kapitel
. In ihm ordnet Winklhofer der modernen „Prothesengesellschaft
" (S. 273) die vor allem durch den Alltagsgottesdienst des
Laien in die Dingwelt hineingreifende Kirche zu, dabei bleibt
auch für ihn das Kernproblem, wie es gelingen kann, den symbolentfremdeten
und der Zeichen entwöhnten positivistisch und
nominalistisch ausgerichteten Menschen des technischen Massenzeitalters
den „liturgischen Heilskosmos" der Kirche neu zu erschließen
(S. 294). Dadurch, daß wir die Einsteinsche Formel
E = mc! an die Portale unserer Kirchen einmeißeln lassen, dürfte
dies Problem noch nicht gelöst sein.

Angesichts der weiteren Komponente der Modernen, ihrem
Willen zur demokratischen Mitbestimmung aller, verhält sich
Winklhofer betont reserviert. Da der Kirche die priesterlich-
hierarchische Struktur vom Herrn selber eingestiftet sein soll,
kann Winklhofer ein echtes Mitspracherecht der Laien in der
Kirche nur begrenzt akzeptieren; auch versieht er alle Versuche,
einer kollegialen Zuordnung der Amtsträger innerhalb der Kirche
wieder Raum zu schaffen, mit kritischen Anmerkungen (bes.
S. 330—335). Er setzt die Zuordnung der Priester zu ihrem
Bischof in Parallele zum Verhältnis der Bischöfe zum Papst.
„Wie die Bischöfe von oben her vom Bischof von Rom als Nachfolger
des hl. Petrus zusammengefaßt sind, in ihrer Weise, und
dadurch ihren Heilsdienst erst nach der rechten Ordnung versehen
können, so sind auf andere Weise die Priester vom Bischof
her zu einem Instrumentarium zusammengefaßt, das erst in ihrer
Hand in der rechten Weise funktioniert" (S. 210). Die Anfragen,
welche eine evangelische Interpretation der pneumatischen
Rechtsstruktur biblischer Gemeinschaft an eine derartige Ausdeutung
der Schrift wie der altkirchlichen Ordnungen stellt,
scheinen Winklhofer noch nicht bekannt zu sein. Die Überlegungen
von Hans Dombois: Das Recht der Gnade (1961)
werden nicht erwähnt. So gibt das Buch einen guten Einblick in
die römisch-katholische Stellung zur Kirche in ihrer mild positiven
Ausprägung.

Heidelberg Albrecht Peters

Brunner, August: Bekenntnis und Wahrheit (StZ Bd. 174 89,
1963/64 S. 344—355).

Göll witzer, Helmut: Gottes Offenbarung und unsere Vorstellung
von Gott (ZdZ 18, 1964 S. 436—444).

Hennemann, Gerhard: Sind die theologischen Aussagen echte
Erkenntnisse? (DtPfrBl 64, 1964 S. 725—727).

Lindemann, Hans: Nichtreligiöses Gebetsverständnis. Anmerkungen
zu Bischof Robinsons Buch „Gott ist anders" (Honest to God)
(Lutherischer Rundblick 12, 1964 S. 174—181).

Pieper, Josef: Theologie — philosophisch betrachtet (MThZ 15,
1964 S. 181—189).

Roehrs, Walter R.: Der Alttestamentliche Bund und die Rechtfertigung
durch den Glauben (Lutherischer Rundblick 12, 1964 S. 154
—174).

Scheffczyk, Leo: Die Auslegung der Hl. Schrift als dogmatische

Aufgabe (MThZ 15, 1964 S. 190—204).
Schultz, Werner: Die Transformierung der theologia crucis bei

Hegel und Schleiermacher (NZSTh 6, 1964 S. 290—317).
Schulz, Bruno: Maria — Mutter der Kirche? (MThZ 15, 1964

S. 216—222).

Trinkle, Joseph G.: Christology and Linguistic Analysis (Sciences

ecclesiastiques 17, 1965 S. 135—142).
W i e s n e r, Werner, Prof.: Die Welt im Verständnis des christlichen

Glaubens. Heidelberg: Quelle & Meyer 1964. 74 S. 8°. Kart.

DM 7.50.

ETHIK

R i n g e 1 i n g, Hermann, Dr. theol.: Die Frau zwischen gestern und
morgen. Der sozial-theologische Aspekt ihrer Gleichberechtigung.
Hamburg: Furche-Verlag [1962]. 146 S. 8° = Studien z. Evang.
Sozialtheologie u. Sozialethik, hrsg. v. H.-D. Wendland, Bd. X. Lw.
DM 12.80.

Die vorliegende Abhandlung der theologischen Bezüge der
Gleichberechtigungsfrage geht auf eine Dissertation1 zurück, über
die zum Vergleich leider kein Autorreferat vorliegt. Sechs Kapitel
mit journalistisch eingefügten Zwischenüberschriften („Es
gibt keine Frauenfrage mehr", „Weibliche Arbeitskräfte werden
gebraucht", „Kein Schwund von .Männlichkeit'", „Die nationale
Mobilmachung der Frau", „Die Kirchen ziehen nach", ,,. .. aber
noch ist alles provisorisch" usw.) versuchen eine gegenwärtig
viel diskutierte Frage mit allerlei Material aufzuhellen. In
„1. Das Faktum Gleichberechtigung" (9—20) erfährt man näheres

') Menschenbild und Rechtsordnung. Ein Beitrag zur Frage der
Gleichberechtigung von Mann und Frau. Diss. theol. Hamburg 1959.