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Ausgabe:

1965

Spalte:

453-454

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Maimonides, Moses

Titel/Untertitel:

The guide of the perplexed 1965

Rezensent:

Schoeps, Hans-Joachim

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Seite 1

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453 Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 6

als Offenbarung. Oder mit der Parallele vom Logos der Griechen
zu dem der Bibel. Aber damit bestätigen wir nur den Unterschied
von Offenbarung und Uroffenbarung; nur von der Differenz her
6ehen wir den Einklang.

Vielleicht ist darum das einzig Unangemessene bei dem
Mannschen Versuch, daß er auch noch diese Differenz auf die
Formel von der „supplementären Paradoxie" (Schröer) bringt,
nach der das Unvereinbare im geschichtlichen Gang zum Einklang
kommt. Der Einklang, den Christus am Kreuz herstellt, ist noch
anderer Art.

Hamburg Hans-Rudolf Müller-Schwefe

Maimonides, Moses: The Guide of the Perplexed. Transl. with
an Introduction and Notes by Shlomo P i n e s. With an Introduc-
tory Essay by Leo S t r a u s s, Chicago: University of Chicago Press
[1963]. CXXXIV, 658 S. 4°. Lw. £ 5.5.-.

Der More Nebukim = Führer der Schwankenden ist das
religionsphilosophische Hauptwerk des R. Moses ben Maimon
resp. Maimonides (113 5—1204) aus Cordova; im Jahre 1190 ist
es veröffentlicht worden, um nach der Erklärung des Autors den
zwischen Philosophie und Offenbarung scheinbar bestehenden
Gegensatz auszugleichen und den durch diesen entweder an der
Religion oder an der Philosophie Irregewordenen zum Führer
zK werden. Die Tendenz dieser bedeutendsten denkerischen
Leistung der jüdischen Scholastik — das Werk hatte auf Juden
und Christen auf Jahrhunderte hinaus größten Einfluß; den
Einflüssen auf Thomas von Aquino, Meister Eckhart u. a. wurde
in den letzten Jahrzehnten verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet
— ist in der Synthese des arabischen Aristotelismus mit
der jüdischen Offenbarungsreligion zu erblicken, nachdem die
religionsfeindlichen Elemente der aristotelischen Metaphysik
ausgefallen waren. Die Bedeutung des Maimonides besteht
weniger in seinem offenbarungsgläubigen Rationalismus als
solchem, als vielmehr in der „Originalität schöpferischer Synthese
" (Julius Guttmann), die ihm in hohem Maße zu eigen
war.

Eine deutsche Übersetzung des Standardwerkes hat seinerzeit
A. Weiss in der Meinerschen Philosophischen Bibliothek
(Leipzig 1923) gegeben. Durch die vorliegende Edition von
S. Pines ist sie überholt. P. folgt sorgfältig dem arabischen
Original mit seinen zahlreichen hebräischen Lehnworten und
Wendungen, vermeidet es aber, den gleichen arabischen Terminus
technicus durch verschiedenartige englische Wiedergaben
zu belasten und damit zu verwirren. Die von S. Münk
(18 5 3—18 56) gegebene arabische Textvorlage ist zugrunde gelegt
, abweichende Lesarten der Jerusalemer Ausgabe Joel
(1930/31) wurden berücksichtigt.

Der Übersetzung sind zwei Vorworte vorangestellt. Der
bekannte Religionsphilosoph Leo S t r a u s s, Chicago, behandelt
die Frage ,,How to begin to study the Guide of the
Perplexed" (45 pp.), wobei er davon ausgeht, daß das Werk
für gläubige Juden geschrieben wurde, die durch die Lektüre
der Philosophen und das Studium weltlicher Wissenschaften
verwirrt werden, wenn sie am buchstäblichen Verständnis der
Thora festhalten. Maimunis Theorie der Religionsgesetze wollte
den geistigen Inhalt der biblischen Gesetzgebung aufzeigen und
die Thora als Weg der Heiligung verstehen lehren. Speziell behandelt
Strauss die Auseinandersetzung des Maimonides mit der
antiken und der arabischen Philosophie, seinen viel diskutierten
Prophetiebegriff, seine Attributenlehre, die dem Kalam ein
weites Stück folgt, die Engellehre u. a. m. — Die Einleitung
von Pines (Jerusalem) ist eine Spezialuntersuchung der philosophischen
Quellen, die von Maimonides nachweislich benutzt
worden 6ind (57 pp.). Bis auf die „Politik" kannte er das ganze
Corpus Aristotelicum; Piaton war im moslemischen Spanien
meist nur noch mittelbar bekannt. Al-Farabi, Avicenna, Ibn
Bajja und Averroes sind die für Maimonides nächst wichtigen
islamischen Philosophen gewesen.

Die Übersetzung selber ist mit zahlreichen erklärenden
Fußnoten versehen, die aber selten den Umfang von 5 Zeilen
überschreiten. Ein Glossar, ein Verzeichnis der biblischen Belegstellen
, der rabbinischen Passagen, die zitiert werden oder auf

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die angespielt wird, und ein Register der nichtbiblischen
Autoren und Schriften erhöhen den wissenschaftlichen Wert
und die Benutzbarkeit dieser willkommenen Übersetzung.

Erlangen Hans-Joachim Schoeps

ß o u i I I a r d, Henry: Blondel und das Christentum. Übers, v. M.
Seckler. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag [1963]. 330 S. 8°.
Lw. DM 28.50.

Blondel, Maurice: Geschieht« und Dogma. Mit Einführungen von
J. B. Metz und R. Marie. Übers, v. A. Sehl et te. Mainz:
Matthias-Grünewald-Verlag [1963]. XXI, 100 S. 8°. Kart. DM 7.50.

Der französische Philosoph Blondel (gest. 1941) war seit
seiner Erstlingsarbeit („Die Tat", 1893) zum großen modernen
Apologeten des römischen Katholizismus geworden. Er dürfte
in Deutschland zu wenig bekannt sein. Dem Mangel begegnet
die deutsche Ausgabe seiner Biographie. Bouillard zeigt sich
nicht nur mit dem Leben Blondeis bestens vertraut, sondern
auch mit den von ihm vorgefundenen und durch ihn ausgelösten
literarischen Bewegungen. Dadurch wird das Buch dem Fachgelehrten
unentbehrlich werden. Aber seine Ansprüche waren
durch die französische Ausgabe voll zu befriedigen. Die Übersetzung
soll doch wohl dazu dienen, einem großen deutschen
Leserkreis das Chrakteristische und bis heute Aktuelle dieser
christlichen Philosophie nahezubringen. Man wird fragen
müssen, ob für solchen Zweck die detaillierte Vorführung der
Genesen und Kontroversen nötig war. Der nichtfranzösische
Leser sieht sich vor einen geistigen Kampf gestellt, dessen entscheidende
Phase 70 Jahre zurückliegt, dessen Mitkämpfer ihm
oft nicht einmal dem Namen nach bekannt und deren Aufsätze
in der Regel unerreichbar sein werden. Mit wesentlich gekürztem
Umfang wäre wohl in Deutschland die tiefere Wirkung
erzielt worden. Blondel kann als Vorläufer Husserls gelten.
Indem er phänomenologisch das Wesen der Tat erhellt, stößt
er zum Urphänomen menschlichen Wesens vor, dem Widerspruch
zwischen Können, Wollen und Sollen, also zur Wurzel
der geistig-geistlichen Beunruhigung, die allein in der im
Glauben angenommenen übernatürlichen Offenbarung zur Ruhe
kommt. Ziel des philosophischen Bemühens ist also, die in
ihrem Wesen erschaute und existentiell vollzogene Tat als
notwendige, logisch vorausliegende Stufe der Offenbarung zu
erkennen. Von Anfang an zielte diese Bemühung weitergehend
auf eine christliche Ontologie als ihren Abschluß. Blondel hat
6ie besonders in Alterswerken erarbeitet. Sie auch nur umrißhaft
zu skizzieren, hat der Rezensent keine genügende
Legitimation. Soweit sein Blick reicht, hat in Deutschland bisher
weder die christliche noch die philosophische Ontologie
Blondels Alterswerk verarbeitet. Es wird in Zukunft hoffentlich
geschehen.

Sehr zu begrüßen ist die deutsche Ausgabe von „Geschichte
und Dogma", eines relativ kleinen, dem Theologen allgemein
leicht verständlichen Werkes, das ursprünglich in einer
Aufsatzfolge erschien und durch den Widerspruch gegen Loisys
Historizismus ausgelöst war. Wir haben es also mit einer
katholischen Kampfschrift gegen den Historismus schon aus
dem Jahre 1904 zu tun, die bleibende Bedeutung beanspruchen
kann. Sie ist sicherlich ohne Kenntnis von M. Kählers Buch
über den sog. historischen Jesus und den geschichtlichen biblischen
Christus (1892) geschrieben, berührt sich aber mannigfach
mit ihm. Die katholische Linie tritt aufs deutlichste
hervor: Schrift und Tradition bilden eine unlösliche Einheit.
„Wenn der Ursprung des Christentums göttlich ist, soll man
dann nicht sagen, daß alles, was aus dieser Quelle hervorgeht
, gleichfalls göttlich sei, mögen die Kanäle auch noch so
fern, noch so sehr vom Wege abgeleitet sein?" (53). Begriffe
wie „universale Entwicklung" und „Entfaltung" stellen sich
dann wie von selbst ein. Wer geistvolle Prolegomena zur katholischen
Hermeneutik sucht, findet sie in Blondels Buch.

Rostock Gottfried Holtz

Brunner, August: Zerfall der Wahrhet (StZ 175. Bd. 90. Jg.

1964/65 S. 263—275).
H a u b s t, Rudolf: Nikolaus von Kues und der Evolutionsgedanke

(Schol. 39, 1964 S. 481—494).