Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1965

Spalte:

448-449

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Podczeck, Otto

Titel/Untertitel:

August Hermann Franckes Schrift über eine Reform des Erziehungs- und Bildungswesens als Ausgangspunkt einer geistlichen und sozialen Neuordnung der Evangelischen Kirche des 18. Jahrhunderts Der

Rezensent:

Beyreuther, Erich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

447

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 6

448

möglicherweise stark vom germanischen Heidentum beeinflußt
war. Ausführlich wird auf die Anfänge des Christentums und
die kirchenpolitischen Probleme bei den einzelnen südslavischen
Stämmen und den Tschechen sowie die Gegensätze zwischen Rom
und Byzanz bis gegen Ende des 9. Jhdt.s eingegangen und wiederum
der Wert der entsprechenden Quellen untersucht. So beurteilt
Verf. z. B. die Darstellung der Annales Bertiniani von der
Niederschlagung des Aufstandes nach der Taufe der Bulgaren als
Ausdruck freier Phantasie.

Die Behandlung des Verhältnisses des mährischen Staates
zu seinen slavischen und nichtslavischen Nachbarn leitet dann
zur Missionstätigkeit von Kyrill und Method in Mähren und
Pannonien über. Hinsichtlich der bis heute ungeklärten Frage
nach möglichen Vorbildern der Glagolica vertritt Verf. — ohne
ihn zu nennen — die gleiche These wie Emil Georgiev, nämlich,
daß es sich hier nicht um eine Anlehnung, etwa an die griechische
Schnellschrift, sondern um eine originale Schöpfung Kyrills
handele, ohne daß freilich gewisse Einflüsse anderer Alphabete
ganz abgelehnt werden könnten.

Die Arbeit befaßt sich ausführlich mit der Tätigkeit der
Brüder in Mähren, ihrer Romreise, dem Wirken Methods in
Pannonien und der Reise nach Konstantinopel, die er kurz vor
seinem Tode unternahm. Einen breiten Rahmen nimmt naturgemäß
das Problem der slavischen Liturgie ein. Dabei müssen
viele Fragen offen bleiben. So läßt sich nicht feststellen, welche
Liturgie von den Brüdern übersetzt und benutzt wurde. Wohl
liegt es nahe, daß sie als Byzantiner vom byzantinischen Ritus
ausgingen, aber alle Quellen schweigen über die von den Brüdern
übersetzte Liturgie, und auch in den Auseinandersetzungen mit
dem deutschen Klerus wird nirgends auf die Einführung des
byzantinischen Ritus in den Rom zugehörigen Gebieten hingewiesen
. Der Streit beschränkte sich auf die Verwendung der
slavischen Sprache. Dabei wird aus der Bulle „Industriae tuae"
deutlich, daß von einer Anerkennung der slavischen Liturgie
durch Hadrian II. schwerlich die Rede sein kann und auch die
Ausführungen dieser Bulle Johannes' VIII. kaum als offizielle
Anerkennung, sondern nur als situationsgebundene Konzession
verstanden werden dürfen. Auch hinsichtlich des Umfangs der
Übersetzungen, von denen besonders die Vita Methodii berichtet
, meldet Verf. Bedenken an.

Schließlich wird noch die Tätigkeit der Method-Schüler behandelt
, vor allem des Klemens, der erst in Bulgarien die vollständige
slavische Liturgie geschaffen hat. Das Werk schließt mit
einem Ausblick auf die Verbreitung dieser Liturgie bei den einzelnen
slavischen Völkern.

Berlin Hans-Dieter D ö p m an n

Barth, Timotheus: Aus der Geisterwelt des Johannes Duns Scotus
(1264/66—1308) (ThRv 60, 1964 S. 290—304).

— Die Grundlage der Metaphysik bei Duns Scotus: Das Sein der Synthese
von Gemeinsamkeit und Verschiedenheit (Wissenschaft und
Weisheit 27, 1964 S. 211—228).

Delhaye, Chanoine Philippe: Le peche dans la theologie d'Alain
de Lille (Sciences ecclesiastiques 17, 1965 S. 7—27).

Dettloff, Werner: Das Gottesbild und die Rechtfertigung in der
Schultheologie zwischen Duns Scotus und Luther (Wissenschaft und
Weisheit 27, 1964 S. 197—210).

Kandier, Agathon: Die Heilsdynamik im Christusbild des Johannes
Duns Scotus (Wissenschaft und Weisheit 27, 1964 S. 175—196).

Klapper, Joseph: Johann von Neumarkt, Bischof und Hofkanzler.
Religiöse Frührenaissance in Böhmen zur Zeit Kaiser Karls IV.
Leipzig: St. Benno-Verlag 1964. XII, 176 S. gr. 8° = Erfurter theologische
Studien, hrsg. v. E. Kleineidam u. H. Schürmann, 17. Kart.
MDN 12.-.

Labonte, Yves: A propos d'une lettre d'Yve de Chartres (Sciences
ecclesiastiques 17, 1965 S. 67—88).

Lyttkens, Hampus: Die Bedeutung der Gottesprädikate bei Thomas
von Aquin (NZSTh 6, 1964 S. 274—289).

Scheltens, Gonsalvus: Der Gottesbeweis des J. Duns Scotus
(Wissenschaft und Weisheit 27, 1964 S. 229—24 5).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Podczeck, Otto [Hrsg.]: August Hermann Franckes Schrift über eine
Reform des Erziehungs- und Bildungswesens als Ausgangspunkt
einer geistlichen und sozialen Neuordnung der Evangelischen Kirche
des 18. Jahrhunderts „Der Große Aufsatz". Mit einer quellenkundlichen
Einführung. Berlin: Akademie-Verlag 1962. 163 S. 4° = Ab-
handl. der Sachs. Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Kl.,
Bd. 53, 3. MDN 15.20.

Dr. Otto Podczeck legt hier erstmalig die große Reformschrift
August Hermann Franckes in einer wissenschaftlich einwandfreien
Edition für die Forschung vor. Carl Hinrichs hatte
in seiner großen Biographie über Friedrich Wilhelm I. (1941)
den hallcschen Pietismus als politisch-soziale Reformbewegung
in seiner vollen Bedeutung herausgestellt. Seitdem bestand das
Bedürfnis, den dabei mit ausgewerteten sogenannten „Großen
Aufsatz" August Hermann Franckes in einer zuverlässigen Ausgabe
greifbar zu haben. Denn die von W.Fries im Jahre 1894
besorgte Ausgabe als Festschrift zum zweihundertjährigen Jubiläum
der Universität Halle entsprach nicht wissenschaftlichen
Ansprüchen. Wenn auch W. Fries in Otto Podczeck einen milden
Beurteiler gefunden hat, weil er um die Schwierigkeiten einer
einwandfreien Textausgabe am besten orientiert ist, waren dessen
Kürzungen der Vorlage zeitgebuniden. Man konnte zu jener Zeit
mit den Utopien nichts anfangen und akzentuierte sie als
schwärmerisch-unrealistisch. Wir wissen heute, wie aus anfänglich
utopischen Plänen weltgeschichtliche Erschütterungen
und Umwälzungen entstehen können. Utopien können eine
Dynamik entbinden, wie sie eine sogenannte Nüchternheit, der
nichts mehr einfällt, nicht zu begreifen mag.

Fries hat das echte Zeitgebundene art August Hermann Francke
z. T. ausgestrichen. Und doch ist dieses Zeitgebundene an dem
Hallenser unentbehrlich, um ihn schärfer und in einer größeren
Perspektive erfassen zu können. Die von Otto Podczeck vorgelegte
Edition ist deshalb so wichtig, weil hier nicht nur der
hallesche Pietismus in seiner Besonderheit deutlicher wird, sondern
auch die ganze Variationsbreite, Vielgeschichtigkeit, wohl
auch Vieldeutigkeit der pietistischen Bewegung im Barock einsichtiger
heraustritt.

War z.B. der schwäbische Pietismus im 18. Jahrhundert so
mit sich selbst beschäftigt, daß er zu keinen kraftvollen Werken
außerhalb der eigenen Landesgrenzen gelangte, verströmte der
preußisch harte und zuchtvolle hallesche Pietismus seine besten
Kräfte in die Welt hinaus. Er entwickelte Pläne zur Generalreformation
der ganzen Welt aus den Kräften eines erweckten
Christentums.

Die Bedeutung der von Otto Podczeck vorgelegten und von
ihm umfassend eingeleiteten Edition liegt in dieser Richtung.
Mit Recht macht auch er darauf aufmerksam, daß dieser „Große
Aufsatz" nicht nur Reformschrift, sondern zugleich auch die
große Programm- und Werbeschrift des Halleschen Pietismus
darstellt, in der nichts von dem dem Pietismus unermüdlich
nachgesagten „gefühlsbetonten, schwärmerischen, subjektivisti-
schen und weltflüchtig-kontemplativen" Charakter zu spüren ist.

Podczeck reiht diese Reformschrift unter die nach dem
Dreißigjährigen Kriege in Deutschland erschienene Reformliteratur
aus dem Bereich der Evangelischen Kirche ein.. Wir möchten
eher sagen, sie steht am Ende dieser Reihe und besitzt ihr Eigengewicht
, weil sie sich nicht nur in äußerst realistischen Bahnen
bewegt, sondern auf schon vorhandener „Reformarbeit" in Halle
fußt. Was hier an Reformvorschlägen für die ganze Breite des
öffentlichen und privaten Lebens entfaltet wird, beruht z. Z. auf
sehr sorgfältigen Vorarbeiten in praktischen Ansätzen.

In dieser Ausgabe werden die Versionen des ursprünglichen
Manuskriptes von 1704, die für die Jahre 1709, 1711 und 1716
vorliegen, sorgfältig miteinander verglichen, selbst die frühste
Form des Großen Aufsatzes aus dem Jahre 1701 wird herangezogen
. Die hier vorgelegte Ausgabe enthält so alle Textvarianten
in einem vorzüglichen textkritischen Apparat, der mit historischen
, biographischen und bibliographischen Erläuterungen verbunden
ist.

Für Seminarübungen über den Pietismus besitzen wir neben