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Ausgabe:

1965

Spalte:

423-424

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wolff, Hans Walter

Titel/Untertitel:

Dodekapropheton. Joel. 1965

Rezensent:

Lindblom, Johannes

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Seite 1

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423

Theologische Literatairzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 6

424

eine reichere materielle und dokumentarische Bezeugung gewünscht
haben. Jetzt ist diese Bezeugung in schriftlichen Urkunden
, die original sind, ans Tageslicht getreten, und weitere
Funde sind keineswegs ausgeschlossen. Wie einst die Urkunden
von Elephantine Aufschluß gaben über die dortige jüdische
Militärkolonie, von deren Existenz man vorher nichts wußte, so

gibt uns die Höhle der Briefe Aufschluß über das Schicksal einer
flüchtigen Aufstandsgruppe der Bar-Kochba-Zeit aus Engedi. Den
zweiten Band wird man mit großer Spannung erwarten dürfen.
Dem Verfasser gebührt aufrichtiger Dank für seine schnelle,
gründliche Berichterstattung, auf der weitere Forschung detaillierter
Art wird aufbauen können.

ALTES TESTAMENT

Wolff, Hans Walter: Dodekapropheton. Joel. Neukirchen Kr. Moers:
Verlag der Budihandl. des Erziehungsvereins [1963]. 104 S. gr. 8° =
Biblischer Kommentar. Altes Testament XIV, 5.

Der Joelkommentar von H. W. Wolff scheint mir in verschiedener
Hinsicht die endgültige Lösung der mit dem Buch Joel
verknüpften Probleme zu geben. Mit durchschlagenden Gründen
wird der nachexilische Ursprung des Buches erwiesen, die Theorie
von zwei ganz verschiedenen Schriften, die im Buche zusammengestellt
sein sollten, wird aus guten Gründen abgelehnt und die
wesentliche Einheitlichkeit des Verfassers in überzeugender Weise
verteidigt. Nicht nur die zeitgeschichtlichen Anspielungen, sondern
auch die Abhängigkeit des Buches vom älteren prophetischen
Schrifttum spricht nach Wolff entschieden für eine relativ
späte Abfassungszeit, für welche Wolff den Zeitraum 445—343,
bzw. die erste Hälfte des 4. Jhdts. ir» Anspruch nimmt. Sehr
dankenswert ist das genaue Verzeichnis der zahlreichen Stellen
in den früheren Propheten, die im Buche Joel mehr oder weniger
unverändert übernommen sind. Als eine bedeutungsvolle Tatsache
wird auch überzeugend erwiesen, daß die charakteristischen
von Joel verwendeten Redeformen mit ihrer Topik von
prophetischen Überlieferungen bestimmt sind.

Was dem Rezensenten besonders gefallen hat, ist, daß
Wolff die so beliebte These verwirft, daß wir es im Buche Joel
mit zwei verschiedenen Schriftstücken, einem prophetischen und
einem apokalyptischen, zu tun haben sollten. Die ßowohl formale
als auch inhaltliche Zusammengehörigkeit der beiden Teile
1—2 und 3—4 wird klar dargelegt. Der Rezensent hat es sidi
immer angelegen sein lassen, hervorzuheben, daß man mit dem
Begriff Apokalyptik bei den alttestamentlichen Propheten
zurückhaltend sein soll. Einzelne „apokalyptische" Motive, d. h.
Motive, die in der eigentlichen Apokalyptik besonders beliebt
sind, machen nicht eine prophetische Aussage oder Schrift zu einer
Apokalypse. Die Propheten haben sich oft, besonders in den
auf das neue Zeitalter bezüglichen Zukunftsaussagen, mythologisch
gefärbter Vorstellungen bedient. Von Apokalyptik ist erst
dann zu reden, wenn diese Vorstellungen mehr oder weniger
systematisiert sind und die gesamte Schilderung als Geheimlehre
dargelegt wird. Joel ist ein gutes Beispiel für einen Propheten,
der sich im Interesse, das Volk zur Umkehr anzutreiben, einer
Menge, aus verschiedenen Quellen geschöpfter, apokalyptischer
Motive bedient. Wenn ich den Verf. richtig verstanden habe, soll
für Joel die Umkehr darin bestehen, daß sich das Volk mit
Furcht und Zittern vor dem erschütternden, endgeschichtlichen
Eingriff Jahwes in die Geschichte besinnt. Eine solche Selbstbesinnung
hervorzurufen ist die Absicht des Propheten, und
gerade um dieses Ziel zu erreichen, verwendet er, an eine geschichtliche
Unglückskatastrophe anknüpfend, eine drastisch ausgestaltete
Schilderung des nahe bevorstehenden Tages Jahwes.
Dabei vermeidet Wolff den Terminus Apokalypse und sagt, daß
Joel „an der Schwelle von der prophetischen Eschatologie zur
Apokalyptik steht". Doch, meint er, „hat er die Schwelle noch
nicht überschritten, da er eine zeitliche Staffelung der verschiedenen
Akte innerhalb der Endzeit nicht vornimmt". In einigen
bündigen Sätzen legt so der Verf. dar, was Joel mit den alten
Propheten einerseits und der späteren Apokalyptik andererseits
verbindet.

Es ist anzuerkennen, daß Wolff die Ansicht zurückweist, daß
das Buch Joel eine Liturgie sein soll. Das Buch enthält allerdings
liturgische Elemente, ist aber nach dem Verf. von einem ursprünglichen
Sitz im Leben gelöst und jetzt ein kunstvolles Produkt
schriftstellerischer Tätigkeit. Auch finden 6ich nach Wolff

im Buche Joel keine Einflüsse ausländischer Muster der Tammuz-
liturgie oder dergleichen.

Während Wolff die schriftstellerische und „gelehrte" Art
unseres Propheten betont, würde ich meinerseits im Buche Joel,
so wie in anderen Prophetenbüchern, die Rolle eines Sammlers
zur Geltung bringen. Durch die Annahme eines Sammlers, der
nach seinen eigenen Prinzipien die verschiedenen Prophezeiungen
Joels zusammengestellt hat, würden viele Brüche im Zusammenhang
besser verständlich werden, als wenn ein Schriftsteller im
eigentlichen Sinne am Buche tätig gewesen wäre. Meinem
Sammler würde ich nicht nur die Überschrift des Buches, sondern
auch 2,18—19 (Anfang) und etwa 4,4—8 zuschreiben.

Um eine Einzelheit in der Auslegung herauszunehmen,
möchte ich auf die Erklärung Wolffs von dem angedrohten Feindesangriff
im Kap. 2 aufmerksam machen. Es ist klar, daß die
Heuschrecken des Kap. 1 auch im Kap. 2 im gewissen Sinne
wiederkehren, aber andererseits werden die Feinde hier als wirkliche
Krieger eines ausländischen Heeres geschildert. Man dürfte
sagen können, daß die Feinde des Kap. 2 mythologische, übernatürliche
Wesen sind, welche Züge sowohl von Tieren als auch
von Menschen zeigen. Wolff drückt die Sache so aus: „Wenn auch
die Heuschrecken als Modell im Hintergrund stehen, so ist Joel
doch vornehmlich bemüht, das angedrohte Heer als Erfüllung des
von der Prophetie verkündeten und von Jahwe befehligten Feindvolkes
zu schildern (vgl. besonders Jer 6, 23)." Das ist in der
Hauptsache richtig.

Es ist zu hoffen, daß die künftige Forschung an die besonnenen
und schwerlich widerlegbaren Hauptresultate Wolffs anknüpfen
möchte. Nicht nur die Bestrebung, immer etwas durchaus
Neues, Originales, Abweichendes vorzulegen, schafft wirkliche
Fortschritte in der Wissenschaft, sondern auch das bescheidenere
Bemühen, an das anzuknüpfen und das weiterzuführen,
was andere in solider Weise getan haben.

Besondere Exkurse werden u. a. der Gattung „Aufruf zur
Volksklage", D^Wi bya (l, 8), den Namen der Heuschrecken,
dem Lehrer der Gerechtigkeit (2, 23) und mir Cv gewidmet.
In dem letztgenannten Exkurs hätte ich persönlich gern gesehen,
daß der Verf. die kultische Erklärung des Terminus rtirr D"P
in Am 5, 18 ff. erwogen hätte. Nach meiner Meinung spricht der
Zusammenhang in Am 5, 18—27 dafür, daß rYltT BT hier einfach
„der Festtag Jahwes" bedeutet, für welchen der Prophet die
Gerichtskatastrophe über Israel in Aussicht stellt.

Ein störender Druckfehler findet sich auf S. 82. Statt Jes
52, 1 sollte 51,2 stehen.

Lund Joh. Li n dbl om

Vriezen, Th. C, Dr.: De godsdienst van Israel. Zeist: Haan; Arn-
hem: van Loghum Slaterus 1963. 261 S. 8° = Palladium 7.

Aus der Hand des bekannten niederländischen Alttesta-
mentlers und Ordinarius in Utrecht wird hier eine neue Darstellung
der israelitischen Religionsgeschichte in der Zeit des
Alten Testaments vorgelegt, ihre Absicht wird mit durch die
Reihe bestimmt, in der sie erschienen ist: die Palladium Paperbacks
sollen als preiswerte Ausgabe einem weiteren, kulturell
interessierten Leserkreis wissenschaftlich qualifizierte Darstellungen
aus verschiedenen Fachgebieten näherbringen, wobei
das übliche Taschenbuchformat an Umfang und Ausstattung
überschritten werden soll, ohne doch die Merkmale eines
Taschenbuches ganz zu verlassen. So wird nun auf 219 Seiten
Text und 32 Seiten Anmerkungen, welche die wichtigsten Literaturhinweise
enthalten, der Gesamtablauf der Religionsgeschichte
Israels von den Anfängen bis in die Zeit der Makka-
bäer geschildert. Der Charakter als allgemeinverständliche