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Ausgabe:

1965

Spalte:

24-25

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

The west from the reformation to the present day 1965

Rezensent:

Delius, Walter

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 1

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Kräfte unbedingt notwendig ist, daß irgendwie die Weltreligionen
zu einer einheitlichen Weltreligion zusammenwachsen oder
nicht.

In den nachfolgenden Kapiteln bietet der Verfasser dann
eine in vielen Hinsichten interessante und oft subtile Analyse
der großen Religionen der Gegenwart, um sie zu prüfen auf ihre
Beschaffenheit und Neigung zu Offenheit für die Verantwortlichkeit
hinsichtlich der Weltgemeinschaft. Er versucht, der Sache
näherzukommen, indem er innerhalb einer Religionsgesellschaft
ihr Verhältnis zu den Verschiedenheiten in religiöser Haltung
und Beurteilung prüft. Der Hinduismus gilt ihm dabei als der
Vertreter des toleranten Relativismus. Verschiedene Wege zut
religiösen Wahrheit und Wirklichkeit sind in diesem Relativismus
als schließlich zu demselben Endziel führend anerkannt. Das
Christentum wird beleuchtet unter dem Stichwort Dogmatismus,
weil in der Kirchengeschichte der Hauptnachdruck immer überwiegend
auf konfessioneller Einheit und Geschlossenheit lag.
Slater äußert in diesem Zusammenhang die Meinung, daß, wenn
indische Wortführer oft Protest erheben gegen das Christentum,
dies nicht gegen das Christentum als solches oder gegen irgendeine
christliche Lehre gerichtet ist, sondern gegen diesen ihnen
so unkongenialen Dogmatismus.

Der Buddhismus nimmt in dieser Hinsicht eine Mittelposition
ein, die Verf. mit dem Stichwort „Konfessioneller
Relativismus" belegt. Der Buddhismus stimmt mit dem Hinduismus
überein in der Weitherzigkeit gegenüber den vielen und
verschiedenen Wegen, auf denen die Gläubigen ihrem religiösen
Ziel entgegengehen. Aber er hat doch zwei charakteristische
Unterschiede zum Hinduismus. Erstens zeigt der Buddhismus die
tiefgehende Verschiedenheit zwischen dem Theravada und dem
Mahayana, deren Erlösungsideal und Erlösungsweg bei dem Gebrauch
derselben Worte grundverschieden sind. Slater formuliert
es in dieser Weise: das Mahayana ist konzentriert auf den
ewigen Buddha, der Theravada auf den historischen Buddha. Das
bezeichnende der heutigen Zeit ist, daß fürs erste Mal Einigungsbestrebungen
zwischen den zwei geschiedenen geistigen Welten
wirksam werden.

Zweitens steht es nach des Verfassers Meinung so, daß,
obwohl in der buddhistischen Welt keine wirkliche Bemühung
um dogmatisch-konfessionelle Einheit erkennbar ist, doch eine
gewisse „konfessionelle" Einheit wahrzunehmen ist in dem
Sinne, daß die ganze buddhistische Welt den „Buddhacharacter"
als bindendes Symbol und Vorbild für das moralische Betragen
(moral conduet) des Buddhisten bekennt. In diesem Zusammenhang
wird dann auch der Buddha nicht nur als eines der Lichter
der Welt, sondern als das Licht der Welt ausgerufen. Daraus
nimmt Slater den Anlaß, den Buddhismus als „confessional
relativism" zu bezeichnen. Es würde viel Raum beanspruchen, in
knappen Worten den Kern der Kapitel über den Islam, das
Judentum und das Christentum herauszuschälen. Ein besonderes
Kapitel widmet Slater dem Thema, das er „depth religion" nennt.
Es faßt die Bemühungen zusammen, die auf Grund der Psychologie
des Unbewußten die Augen dafür geöffnet haben, daß es in
allen Menschen grundlegende, übereinstimmende religiöse Intuitionen
gibt. Der Verfasser ist im Hinblick auf das Thema seines
Buches daran begreiflicherweise interessiert, weil aus diesen
Tendenzen im allgemeinen Denken eine Schwächung des Dogmatismus
und des Konfessionalismus hervorgeht und eine Stärkung
der Toleranz und des Respekts religiösen Differenzen gegenüber.

Im Schlußkapitel zieht der Verfasser das Fazit seiner Untersuchung
. Er gruppiert seine Erwägungen um die schon angedeutete
Ansicht, daß eine einheitliche, dauerhafte Weltgemeinschaft
eine universale Weltreligion erheischt. Er weist dann darauf
hin, daß es sehr unwahrscheinlich ist, daß eine der jetzt bestehenden
Weltreligionen diesen Platz einnehmen wird (dis-
placement). Er ist auch nicht überzeugt, daß aus der heutigen Berührung
der Religionen eine Art synthetische, vereinheitlichte
Weltreligion hervorgehen wird. Die von Prof. E. W. Hocking in
seinem Buch: „The Coming world-civilisation" verteidigte Linie
der neuen Selbsterfassung innerhalb der Religionen (re-
coneeption), die den Fortbestand der großen religiösen Traditionen
garantiert, aber doch eine erneuernde Wechselwirkung dieser
Traditionen aufeinander verursacht und so zu größerer Tiefe
und Einheit führt, ist ihm sympathisch. Er bezweifelt jedoch, ob
Prof. Hocking richtig sieht, wenn dieser dem Christentum in diesem
Prozeß der erneuernden Selbsterfassung die führende Rolle
zuweist. Slater findet das darum unwahrscheinlich, weil das
Christentum in der heutigen Welt unter dem Verdikt des
Dogmatismus steht.

Verf. faßt seine Endkonklusion zusammen in den Worten
(p. 201): es gibt geringe Voraussicht auf eine Weltreligion, aber
die allgemeine religiöse Lage gestattet trotz der vielen Verschiedenheiten
, gute Hoffnung zu hegen auf einen effektiven
Beitrag der religiösen Kräfte zur Entstehung wahrhaftiger Weltgemeinschaft
.

Bei einer kritischen Würdigung des Slater'sehen Buches
würde vieles zu bemerken sein. Erstens, weil das Buch reich an
treffenden Bemerkungen ist, besonders in den großen Abschnitten
über Hinduismus und Buddhismus. Zweitens, weil
meines Erachtens die Behandlung des Themas oft zu schwebend
bleibt und zu isoliert religionsphilosophisch ist. Ein wichtiges
Beispiel dafür ist sein Gebrauch des Wortes Religion. Es hat
in dem Buch zwei Bedeutungen: Religion als ein irgendwie
einheitlicher Ausdruck religiösen Lebens in den Religionen mit
ihrer Machtstellung, ihren Interessen und ihrem Prestige, und
Religion im tieferen Sinne des Wortes als rein geistige, heiligende
und erhebende Kraft. Es wird in dem Buch nie klar, wie
diese sich zueinander verhalten. Wiederum wird es nie deutlich,
ob Religion im zweiten Sinne eine Kategorie ist, die gleich steht
mit der Auffassung einer letzten grundsätzlichen Einheit der
Religionen oder nicht, also eine Kategorie, die letztlich Maßstab
ist.

Das Werden von Weltgemeinschaft ist in unserer Zeit un-
bezweifelbar eine große Aufgabe, die entweder durch die divergierende
Art der Religionen blockiert oder stimuliert werden
kann. Es scheint mir jedoch an erster Stelle eine politische Aufgabe
. Darum wäre m. E. vielleicht ein geraderer und fruchtbarer
Weg gewesen, die Frage zu untersuchen, wie die verschiedenen
Religionen sich grundsätzlich zu dem Gebiet des politischen
Ethos, der politischen Verantwortlichkeit und des politischen
Handelns verhalten. Ferner wäre wichtig zu klären, welchen Beitrag
sie von ihren eigenen Voraussetzungen aus zum Werden
einer Weltgemeinschaft beitragen.

Dricborfcon H. Kracmer

K o s m a 1 a, Hans: Nachfolge und Nachahmung Gottes. I. Im griechischen
Denken (Annual of the Swedish Theological Institute 2, 1963
S. 38—85).

M a n t h e y, Franz: Sündenideen der Menschheitsreligionen (ThGl 54,

1964 S. 207—215).
Masson, Jean: Vers une rencontre du bouddhisme et du christia-

nisme? (Gregorianum 45, 1964 S. 306—326).
Noack, Bent: Are the Essenes Referred to in the Sibylline Oracles?

(StTh 17, 1963 S. 90—102).
Wächter, Ludwig: Zur Ableitung von „Hades" und „Persephone"

(ZRGG 16, 1964 S. 193-208).

BIBELWISSENSCHAFT

Greenslade, S. L., Prof., F. B. A.: The Cambridge History of the
Bible. The West from the Reformation to the Present Day. London:
Cambridge University Press 1963. X, 590 S., 48 Taf. gr. 8°. Lw.
45 6.

Das umfangreiche Werk behandelt nicht die Geschichte der
Bibeln, welche die Cambridge University Press seit 1629 gedruckt
hat. Es ist vielmehr eine Geschichte der Bibel im Abendland
von der Zeit der Reformation bis zur Gegenwart, ein
Unternehmen, zu dem sich die Cambridge University Press entschlossen
hat. Es war zunächst ein Werk von zwei Bänden geplant
, dann aber auf einen Band mit der Geschichte der Bibel in
Westeuropa reduziert.

Der Begriff „Geschichte der Bibel" ist begrenzt gefaßt. Es
ist z. B. nicht beabsichtigt, den Aufbau jedes einzelnen
Buches der Bibel oder den historischen und religiösen Flinter-