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Ausgabe:

1965

Spalte:

411-424

Autor/Hrsg.:

Bardtke, Hans

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1965

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 6

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holländische Originalausgabe erschien 1962 im Verlag G. F.
Callenbach, Nijkerk unter dem Titel „De Katholiciteit der
Kerk".)

Obwohl nicht im direkt wissenschaftlichen Stil, vielmehr für
einen weiteren Leserkreis geschrieben, beruht diese Untersuchung
auf eingehenden Studien des bekannten Verf. und geht in einer
sachlich strengen (dabei durchsichtig klaren) Gedankenführung
vor. Der deutschen Übersetzung ist ein kurzes Nachwort (107 f.)
angefügt worden, in dem sich der Verf. mit einigen kritischen
Stimmen zu der holländischen Originalausgabe, die in der Übersetzung
unverändert wiedergegeben wird, auseinandersetzt.

Das Büchlein gliedert sich in vier Teile: Der erste handelt zunächst
von der Geschichte des Worts „katholisch" (das
zuerst von Ignatius als Attribut für die Kirche im Sinne von „über
die ganze Erde verbreitet" gebraucht wird, dann von Cyrill von Jerusalem
erstmalig in seine verschiedenen, auch tieferen Bedeutungsgehalte
entfaltet wird), das sich im Laufe seiner Entwicklung im wesentlich
„quantitativen" Sinne („katholisch" = universell und
„orthodox"; diese Bedeutung ist besonders durch Augustin in seinem
Kampf gegen die Donatisten gefördert worden) für die römische
Kirche festgesetzt hat, und diese „quantitative" Bedeutung hat es auch
über die Reformation hinaus behalten, wenn sich in der reformatorischen
Polemik und Apologetik auch Ansätze für eine neue Auffassung
von „katholisch" zeigen. In der Gegenwart, in der dieser Begriff sidi
allerseits neuer Wertschätzung erfreut (die — z. T. problematische —
Verwendung von „katholisch" im heutigen Protestantismus und Angli-
kanismus wird gezeigt), bricht zuerst klar bei C o n g a r eine andere,
eine „qualitative" Auffassung von „katholisch" durch. Im Pro
testantismus (28—33) und Anglikanismus unserer Tage (3 3—3 8) beruht
die neue Wertschätzung von „katholisch" bislang noch z. T. mehr
auf dem allgemeinen Stimmungsgehalt statt auf grundsätzlicher Durdi-
denkung dieses Begriffes, darum schwankt dessen Bedeutung auch nodi
ziemlich hin und her (zwischen der Begründung auf strukturellen Momenten
der Kirche [„Order"] und der auf dem Evangelium als dem geistlichen
Lebensgrund der Kirche [„faith"]). In dieser Lage unternimmt
der Verf. eine neue Besinnung darauf, was mit „katholisch" eigentlich
gemeint ist.

Der wichtigste Teil seines Buches ist der zweite (43—65),
in dem er eine eingehende und genaue biblisch-theologische
Begründung für den eigentlichen Sinn
von „katholisch" gibt, und zwar von den Begriffen nXi}-
Qcojua und nkriQovv im Eph. (u. Kol.) her: „Katholizität" der
Kirche ist in der „Fülle" Jesu Christi, d. h. seiner vollmächtigen
totalen Herrschaft im Namen Gottes, beschlossen und bedeutet
ihre gehorsame Anerkennung der Herrschaft Christi, die auf die
gesamte Menschheit abzielt und deren stellvertretende Vorwegnahme
(„Domäne") die Kirche ist. Diese christologische
Begründung der „Katholizität" der Kirche sowie ihr Abzielen
auf das Ganze der Menschheit ist sehr wichtig (wenn auch der
zentrale Gedanke der „totalen Herrschaft" Christi und der ihres
Zurgeltungbringens in bezug auf alle „weltlichen" Lebensgebiete
wohl etwas zu einseitig im Sinne der Konzeption von Karl Barth
gefaßt wird). In diesem Sinne ist die „Katholizität" der Kirche
sowohl ihr Lebensgrund — sie lebt als Kirche aus der „Fülle"
Christi — als auch ihr Daseinsziel — sie hat durch' ihre Existenz
und ihren Dienst die „Fülle" Christi zur Geltung zu bringen —.

Aufgrund der „Fülle als Gabe" ist die „Katholizität"
der Kirche in dynamischer Bewegung, sie „wächst" auf die olfenbare
„Fülle als Ziel" zu. „Katholizität" in diesem Sinne gehört
grundsätzlich zur Sichtbarkeit der Kirche. Der Verf. wendet
sich dagegen, daß sie, wie etwa bei Calvin und überhaupt im
klassischen Altprotestantismus, in spirituelle „Unsi'chtbarkeit"
verschoben wird.

Mit Recht wendet er sich im dritten Teil (66—83) gegen
die (aus romantischem Denken stammende) ungebrochene Anwendung
organologischer Kategorien auf den „Wachstums"weg
der Kirche (hierin trifft er mit Mühlen überein). Auch legt er
dar, daß die von Christus abgeleitete „qualitative Katholizität"
der Kirche, die sowohl ihr Fundament ist, aus dem sie lebt, als
auch ihr Ziel, auf das hin sie lebt, inhaltlich auszusagen ist
(75—77), und er zeigt, daß sie auch bestimmte Strukturelemente
für sie setzt, die jedoch nur regulative und dienstbezogene Bedeutung
haben: einmal, um die „Fülle" Christi, aus der sie lebt,
zu bewahren (die Autorität der hl. Schrift, die Taufe, der sonntägliche
Gottesdienst), zum andern, um die Kirche zu Erfüllung
ihres Daseinsziels zu rüsten (das Amt und die Ämter, Mission
und Evangelisation).

Im vierten Teil (84—106) werden die wichtigsten vorhandenen
„Kirchen" kurz daraufhin durchgemustert, wo und wie
bei ihnen diese echte, „qualitative Katholizität" der Kirche zum
Ausdruck kommt (darum sollen sie „Kirche" genannt werden
und nicht bloß „Denomination") und wo und wie sie bei ihnen
je spezifisch gehindert und verstellt wird. Ein „Wachsen" über
diese Hinderungen hinaus zu voller „Katholizität" ist nur im
Miteinander aller Kirchen möglich. Darum gehören
„Katholizität" in der Verwirklichung und „O ekumeni-
z i t ä t" untrennbar zusammen: Was „Katholizität" in der „vertikalen
" Dimension bedeutet, will sich in „Oekumenizität" in
der „horizontalen" realisieren. „Zu dem einen Haupt gehört
der eine Leib" (103 f.). „Die horizontale Oekumenizität wird
geboren aus der vertikalen Katholizität" (104). „Die Oekumenizität
ist Ziel und Frucht der Katholizität" (ebda). Aber andererseits
ist sie auch wieder Voraussetzung: Nur in der Gemeinschaft
miteinander, in der „Oekumenizität", können die einzelnen
„Kirchen" zu echter „Katholizität gelangen.

Ohne in die eine oder andere Einzelauseinandersetzung einzutreten
, halte ich diese Gesamtkonzeption für ungemein
wichtig und auch für hilfreich. Es ist wichtig, daß „Katholizität"
der Kirche christologisch begründet wird, von dem Lebenshaupt
der Kirche her, und daß sie nicht in erster Linie ekklesiologisch,
etwa von einer bestimmten Struktur der Kirche (und sei es
deren Idealbild) her bestimmt wird, und es ist ebenfalls wichtig,
daß sie auf den universalen Auftrag der Kirche bezogen wird,
und daß sie auch ins Sichtbarwerden drängt, schließlich, daß
dieses nur in der „Oekumenizität", in der Gemeinschaft der
„Kirchen" miteinander erreicht werden kann, indem sie sich alle
unter der einen alle bestimmenden Christuswirklichkeit bekennen
, nicht aber durch „Integration" in ein geschichtlich vorgegebenes
Strukturmodell hinein.

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

49. Die Funde in der Wüste Juda. Zum ersten Band der „Judean Desert Studies (JDS)" von Yigael Yadin*

Von Hans B a r d t k e, Leipzig

Schon bald nach den ersten Funden in der Qumrängegend von Qumrän ist in dieser Weise abgesucht worden2. In den zum
hatte der 1953 verstorbene Professor Sukenik die Vermutung israelischen Staatsgebiet gehörenden Teil der Wüste Juda wurden
ausgesprochen, daß in der Wüste Juda weitere ähnliche Funde die Forschungen Ende 1953 begonnen durch eine Grabung des
gemacht werden könnten1. Eine systematische Untersuchung bekannten Archäologen Dr. Aharoni3. Die Tatsache, daß aus
dieses Geländes machte sich daher erforderlich. Auch das Gelände Jordanien über Handschriftenfunde unbekannten Fundortes be-

*) Y a d i n, Yigael: The Finds from the Bar Kokhba Period in the 2) Vgl. „Exploration de la region de Qumrän" RB 60, 1953, 540

Cave of Letters. Jerusalem: Israel Exploration Society 1963. XIX. —561. Verfasser ist P. Roland de Vaux. Die Untersuchung des Qumrän-

279 S. m. 94 Abb., 108 Taf., 1 Kte. 4° = Judean Desert Studies. geländes erfolgte im März 1952. Siehe auch „Die Handschriftenfunde

*) Siehe auch „Die Handschriftenfunde am Toten Meer" 1952, am Toten Meer. Die Sekte von Qumrän" 21961, S. 25—36.

S. 57, s1961, S. 56. Sukenik hat m. W. diese Vermutung schon in seinen 3) Yadin gibt einen Überblick über die Grabungen, die den oben

ersten Publikationen über die Handschriftenfunde am Toten Meer aus- geschilderten Unternehmungen vorausgingen. Ihm zufolge wurden die

gesprochen. Grabungen begonnen durch Uri Shoshani, der die Höhlen in der Nähe