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Ausgabe:

1965

Spalte:

393

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Adnès, Pierre

Titel/Untertitel:

Le mariage 1965

Rezensent:

Oyen, Hendrik

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 5 394

393

kungsgeschidite in unserer Welt. Doch unterschätzt Verf.
offenkundig die Schwierigkeiten, die sich unter den Bedingungen
des historischen Bewußtseins hier der Theologie stellen. So
eminent wichtig es ist, jene Zusammenhänge aufzuweisen, in
denen christliche Überlieferung konstitutiv Weltverhältnisse
hervorgebracht hat, so darf es gerade hier nicht in der Schwebe
bleiben, wie genau der Gedanke des Handelns Gottes gemeint
ist. Die Auskunft bleibt unbefriedigend: Ein Christ „gibt sich
nicht der Illusion hin, als könne eine Gesellschaft aus dem
Geist des Evangeliums gestaltet werden. Er weiß aber, daß trotzdem
etwas Wesentliches da geschehen kann, wo die Kräfte des
Gottesreiches hereinbrechen" (102). Hier klingt von fern eine
Dialektik an, wo in Wahrheit verschiedene Ebenen theologischer
Argumentation allzu unvermittelt nebeneinander gestellt werden.
Die Komplexität der Sozialethik, daß man nicht alles gleichzeitig
sagen kann, sollte dazu zwingen, die Vermittlungen genauer zu
bestimmen, innerhalb deren der theologisch gemeinte Sachverhalt
sich vollzieht. Das Buch endet auf den Ton der Providentia Dei,
die den Christen ,,sorglos und unbekümmert sein" läßt. Diese
..Naivität" sei in der Sozialethik die Gestalt des „skandalon"
der christlichen Botschaft. Leider bleibt dieser Gedanke unbe-
zogen auf die früheren Darlegungen.

Der deutsche Leser wird vor allem mit Interesse die vielen
Anwendungen auf kultur- und sozialpolitische Probleme zur
Kenntnis nehmen, die z. T. dem schwedischen Wohlfahrtsstaat
gelten, z. T. von allgemeinerer Bedeutung sind. Hier lassen sich
beziehungsreiche Fäden zu Problemen in anderen Gesellschaften
ziehen.

Dem Übersetzer ist entgangen, daß das mehrfach (9, 10, 14)
zitierte Buch von Logstrup, die Ethische Forderung, seit 1959 in
deutscher Übersetzung vorliegt.

Münster/Westf. Trutz Rendtorff

A d n £ s, Pierre, S. J.: Le mariagc. Tournai: Desclee [1963]. XVI,
218 S. 8° = Le mystere chretien, Theologie Sacratnentaire, 5.

Dieses Buch bietet eine zuverlässige Wiedergabe der
römisch-katholischen Auffassung der Ehe. Die in der Schrift und
Tradition vorgelegten Grundlagen werden aufgewiesen, die kontroversen
Probleme (so etwa die schwierige Stelle Mt. 19, 9, wo
für porneia unerlaubte Verbindung nach Lev. 18,6—18) gelesen
wird) werden mit einer gewissen Ausführlichkeit behandelt
. Sehr „fortschrittlich" im Hinblick auf auch heutzutage in
der römischen Kirche diskutierte Fragen zeigt der Verf. sich nicht.
So gibt er zwar zu, daß die traditionelle Auffassung, bloß die Prokreation
sei Zweck der Ehe, etwas zu eng sei und die Frau im
geschlechtlichen Rhythmus doch empfängnisfreie Tage aufweise,
aber tiefer wird auf die heikle Materie nicht eingegangen. Enttäuschend
ist, was über die reformatorische Ansicht der Ehe gesagt
wird (sie sei eine ,Institution purement naturelle", die
Reformatoren befürworten ,,la pleine Iegitimite du divorce",
auch soll gelten, daß sie die Polygamie empfehlen, wobei natürlich
Philip von Hessen das Musterbeispiel abgibt). Die Abhandlung
läßt sich nicht weiter ein auf eine Diskussion mit den Ehe-
Auffassungen der gegenwärtigen protestantischen Theologie, es
werden einige Bücher aus diesem Bereich erwähnt, auf deren
Thesen zur Geschlechts- und Eheproblematik wird nicht eingegangen
. — Wir empfehlen das Buch als einen zuverlässigen
Führer in die katholische „Gamologie".

Basel Hendrik van O y e n

Backhaus, Gunter: Kerygma und Technik. Zur theologischen Behandlung
eines aktuellen Problems (KidZ 20, 1965 S. 21—24).

M i n e a r, Paul S.: New Starting Point: Church Renewal and Social
Renewal (Interpretation 19, 1965 S. 3—15).

Peachey, Paul: New Ethical Possibility. The Task of „Post-Christendom
" Ethics (Interpretation 19, 1965 S. 26—38).

Simon, Helmut: Zur strafrechtlichen Regelung der Religionsdelikte
(KidZ 20, 1965 S. 24-26).

LITURGIEWISSENSCHAFT

B o 11 e, Dom Bernard, O.S.B.: La tradition apostolique de Saint
Hippolyte. Essai de Reconstitution. Münster/W.: Aschendorff [1963].
XLV, 112 S. gr. 8° = Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen
, hrsg. v. O. Heiming, H. 39. Kart. DM 24.—.

Hippolyt von Rom ist ohne Zweifel eine der entscheidenden
Gestalten in der frühen Liturgiegeschichte. Nicht in entsprechendem
Maß besteht Klarheit über seinen Lebensgang;
dazu stellen uns seine Schriften vor viele ungelöste Probleme.
Demgemäß weist die Hippolyt-Forschung auch der letzten Jahrzehnte
eine Fülle von Neuerscheinungen auf, unter ihnen die
hier vorliegende Schrift, die einen besonderen Rang einnimmt.
Das ist nicht nur darin begründet, daß die „Traditio aposto-
lica" eine der wertvollsten liturgischen Quellen der alten
Kirche (freilich nicht nur dies) darstellt, sondern auch darin, daß
der Verfasser des vorliegenden Rekonstruktionsversuches sich
in dieser Richtung bereits mehrfach ausgewiesen hat. Dom
B. Botte hat schon 1946 eine schnell vergriffene und in Deutschland
kaum erreichbare französische Rekonstruktion der Schrift
erscheinen lassen, der er die lateinischen Fragmente gegenüberstellte
. Auch in ihr sind bereits die Überlieferungs- und Textgeschichte
dargestellt worden. Der Verfasser hat ferner 1949
H. Engberding widerlegt, der die Autorschaft Hippolyts für die
ägyptische Kirchenordnung abstreiten wollte. Ebenfalls hat sich
Botte in Abhandlungen mit der sogenannten Epiklese, dem
Taufsymbol u. a. der Kirchenordnung befaßt. Aus dieser grundlegenden
Arbeit ist der nun veröffentlichte Rekonstruktionsversuch
erwachsen.

Die Schwierigkeit, der man sich im Blick auf die „Traditio
apostolica" gegenüber sieht, besteht ja darin, daß der Urtext
fast ganz verlorengegangen ist und man nur an Hand von Übersetzungen
ins Lateinische. Sahidische, Bohairische, Arabische und
Äthiopische und einer Verwendung des Textmaterials in anderen
Quellen ein Bild des Textes gewinnen kann. So ist es
verständlich, daß bereits der englische Benediktiner Gregory
Dix 1937 einen in Deutschland wenig bekannt gewordenen
Rekonstruktionsversuch unternommen hat. Er litt daran, daß
G. Dix sich zur Wiedergabe der orientalischen Textformen auf
die verschiedenartigsten Übersetzer hat stützen müssen. So war
ein Text zustande gekommen, demgegenüber auch die ausgezeichneten
textkritischen Prinzipien kein befriedigendes Ergebnis
zuwege brachten. Dom Botte ist überall von den Urtexten
ausgegangen und hat auf sie die Regeln der Textkritik zur Anwendung
gebracht. Er sieht das eigentliche Ziel seiner Arbeit
nicht in einer Zusammenfassung alles dessen, was sich über die
„Traditio apostolica" sagen läßt. Er will denen, die dieses Dokument
studieren wollen, „ein Arbeitsinstrument in die Hand geben,
welches ihnen gestattet, das wirkliche Denken des Verfassers
wiederzufinden oder sich zumindest ihm zu nähern". Bei der
Schwierigkeit der Aufgabe ist es verständlich, wenn der Verfasser
nicht alle Probleme als gelöst ansieht; er hat sogar bewußt
Diskussionspunkte, wo es dessen bedarf offengelassen.
Aufs Ganze gesehen ist aber der Verfasser der Überzeugung,
„eine gute Zahl falscher Varianten und unbrauchbaier Hypothesen
beseitigt und die Kritik im Befolgen einer vernünftigen
Methode gefördert zu haben".

In der Einleitung (36 Seiten) werden zuerst die Entdeckung
der Traditio sowie die Frage nach deren Verfasser behandelt.
Der Autor schließt sich darin der heute vorherrschenden
Meinung von der Verfasserschaft des Hippolyt von Rom an.
Demgemäß repräsentiert für Dom Botte die Traditio römische
Ordnung am Anfang des 3. Jahrhunderts, also einer Zeit, in der
das Stadium liturgischer Improvisationen noch nicht verklungen
ist und demgemäß Hippolyt seine Gebete als Beispiele, nicht
als feststehende Formulierungen gibt. Den nachweislichen Einfluß
der Traditio in den Patriarchaten Antiochia und Alexandria
wird man richtig verstehen, wenn man bedenkt, daß die damals
noch in Rom herrschende griechische Sprache die Auswirkung
des Dokumentes auf die ganze Kirche befördern mußte. Gegenüber
der besonders auf die Tatsache einer Epiklese in der