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Ausgabe:

1965

Spalte:

389-392

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Meinhold, Peter

Titel/Untertitel:

Römer 13 1965

Rezensent:

Schweitzer, Wolfgang

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389

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 5

390

rein sachlich oder kasuistisch denkenden Ethik, verbunden mit
der Einschärfung des Grundsätzlichen:

„Christliche Sittlichkeit ... ist nicht strenges, hartes Sollen,
sondern zuerst und dem ganzen Wesen nach Seinkönnen und Seindürfen
vor Gott und mit Gott" (S. 81). „Das gottgeschenkte Sein des
Christen ist Seindürfen, Seinkönnen und Seinsollen in einem" (S. 59).

Am ansprechendsten sind die letzten Partien des Buches,
die verschiedene Möglichkeiten an moraltheologischen Konzeptionen
(hinsichtlich des Grundprinzips wie der Anordnung des
Stoffes) an Beispielen verhandeln, besonders diejenigen, die sich
auf folgende Zentralbegriffe ausrichten: finis ultimus (der End-
zielgedanke bei Thomas von Aquino), Caritas, Reich Gottes
(Hirscher, gest. 1865), Nachfolge Christi (dies von Hofmann am
meisten bejaht, besonders im Zusammenhang seines Betonens
des personalen Gegenübers vor Gott als grundlegend für die
christliche Sittlichkeit).

Das Buch schließt mit der Skizzierung einer eigenen Konzeption
, die den Stoff der theologischen Ethik etwa folgendermaßen
angeordnet denkt:

1. Der Bereich des religiösen Lebens

„Die großen Themen sind 1, die unmittelbare Gottbegegnung in den
göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe,

2. die ordentlichen und außerordentlichen Formen der Gottesverehrung,

3. die Gliedschaft in der Kirche (kirchliche Ethik)".

2. Der eigene L e b e n s b e r e i c h

„Hierher gehören jene Fragen, die sich ergeben aus der Verantwortung
des Christen gegenüber der eigenen Existenz, seiner leiblichen und
seelischen Konstitution, deren Anlagen, Bedingungen und Möglichkeiten
. . . Einbeziehen läßt sich auch die Sorge für die Ehre . . ."

3. Die Umwelt der Natur und der Sachen
„Unter diesen Abschnitt fällt das sittlich verantwortliche Verhalten zu
Natur, zu Kultur, zu Technik und Kunst. In diesen Zusammenhang
fügt sich auch die moraltheologische Lehre vom Eigentum ein, das
eine Ordnungsform menschlicher Verfügung über die Sachen ist", eine
nach Auffassung des Rez. aber sehr anfechtbare Behauptung und Formulierung
, da es beim Eigentum, sofern dieses zum sittlichen Problem
wird, doch mehr um das die Mitmenschen betreffende Problem
der Eigentumsverteilung geht als um das Problem „menschlicher Verfügung
über die Sachen". Auch scheint uns unglücklich, wenn das
Problem des wirtschaftlichen Lebens als Teil für sich verhandelt (als
8. Teil) und damit vom Problem des Eigentums abgelöst wird.

4. Mitwelt der Personen

.....die verantwortliche und liebende Rücksichtnahme auf die Person

des Mitmenschen . . . Daran schließen sich die Kapitel über Wahrhaftigkeit
, Treue und Höflichkeit".

5. Geschlechtlichkeit, Ehe und Familie

6. Recht und Gerechtigkeit

„Das gesellschaftliche Leben . . . Hauptthema" (dgl. in den folgenden
Abschnitten).

7. Gesellschaft. Volk, Staat

.....die Fragen einer politischen Ethik im weitesten Sinne".

8. Das wirtschaftliche Leben

Zusammenfassend schreibt Hof mann: „Da ... für jede sittliche
Bedeutung der Bezug zur menschlichen Person als konstitutives Moment
festgehalten wird, liegt in der objektorientierten Einteilung und Anordnung
keine Vernachlässigung der personalen Perspektive einer
christlichen Sittlichkeitslehre" (S. 2 87).

Berlin Hans-Georg Fritzsche

Mein ho Id. Peter: Römer 13. Obrigkeit, Widerstand, Revolution,
Krieg. Stuttgart: Kreuz-Verlag [i960]. 182 S. 8°. Kart. DM 7.80;
Lw. DM 9.80.

In Taschenbuchform wurden hier vier Vorträge aus den
Jahren 1958—1960 vorgelegt; sie tragen vor allem informatorischen
Charakter und richten sich offensichtlich an ein gemischtes
Publikum, verfolgen also nicht den Zweck, die wissenschaftliche
Diskussion selbst weiterzuführen. Wir verbinden daher einen
kurzen Überblick über den Inhalt nur mit wenigen Anfragen
und Bemerkungen.

I. ,,Was ist Obrigkeit?" Hier geht es hauptsächlich
um die unglückselige Obrigkeitsschrift von O. Dibelius aus dem
Jahre 1960 und um die Kritik, die sie erfahren hat, die aber
nach M.s Meinung nicht ,,in die Tiefe" geführt hat (2 3). M. verteidigt
ihn, so gut er kann, und hat sich auch dadurch nicht irritieren
lassen, daß Dibelius bekanntlich nicht nur von H. Vogel
und M. Fischer, sondern auch von den Hütern der neulutherischen
Theologie (z. B. W. Künneth) angegriffen wurde. — Aus der
Auslegung von Rom. 13 sei notiert, daß Paulus nach M. „nicht
an das Schwert als Ausdruck für die kriegerische Macht des
Staates gedacht" habe, sondern nur an die Handhabung des
Rechts (31). Wie M. aber dann im vierten Vortrag die Meinung
des NT mit den Worten umschreiben kann: „Ihm (dem Staat)
ist das Schwert nicht nur als ein Ausdruck des göttlichen Richteramtes
, sondern auch zur Sicherung des äußeren Friedens im
Kampf gegen die Sünde verliehen" (124) — verstehe ich nicht;
daß damit in etwa Gedanken aus der Reformationszeit zusammengefaßt
werden, sei zugestanden: aber an dieser Stelle
dieses historischen Berichtes sollte ja gerade nur vom N. T. die
Rede sein, allerdings ohne daß einzelne Stellen exegesiert
wurden. — Im ersten Vortrag werden nach Rom. 13 noch kurz
1. Kor. 6, 1 ff. und 1. Kor. 2, 8 ausgelegt; aber das führt in der
eben erwähnten Frage natürlich auch nicht weiter. —

Nun muß zwar auch M. zugeben, daß nach christlicher Lehre
„der Staat, wie immer er aussieht, Gottes Diener" ist, und „jede
Obrigkeit, ob eine sogenannte christliche oder eine bewußt
atheistische, eine Vollstreckerin des göttlichen Willens" (42) —
er hält aber dennoch die Fragestellung von Dibelius für richtig
und förderlich .. . —

II. „Kirche und Staat heute": Dieser Beitrag beginnt
mit einer kurzen Analyse der „drei verschiedenen Formen,
unter denen sich die Trennung von Staat und Kirche praktisch
durchgesetzt hat" (60 ff.). Es folgt ein Bericht über jetzt in
Deutschland geltende Bestimmungen und Verträge. Eine Beurteilung
der Berichterstattung müßte hier freilich von einem
Kirchenrechtler vorgenommen werden. Systematisch-theologischer
Beurteilung unterliegen dagegen die „vier Forderungen", die
nach M. die Kirche jeweils bei der Regelung ihres Verhältnisses
zum Staat zu erheben hat: 1. „Sicherung eines Lebensraumes"
für „das Bekenntnis und die freie Ausübung des christlichen
Glaubens". — 2. „Öffentlichkeitsanspruch allen kirchlichen
Dienstes". — 3. „Selbstbegrenzung des Staates besonders auf
weltanschaulichen Gebiet" (M. spricht hier vor allem von der
Erziehung). — 4. Keine Beschränkung der Kirche „auf eine private
Sphäre". Indirekt sollte die Kirche dem Staat gerade auf
diese Weise „deutlich machen . . ., welche positive Arbeit sie für
ihn zu leisten vermag" (72) f.). Aber wo ist hier denn nun vom
wirklichen Dienst der Kirche an der Welt die Rede? Ist das
Ganze nicht viel zu sehr von einem institutionalistischen kirchlichen
Selbstbehauptungswillen bestimmt? Von dem fröhlichen
Vertrauen auf die Kraft des Wortes Gottes, das doch auf jeden
Fall „nicht gebunden" werden kann, ist hier wenig zu spüren.
Wenn politisch Verantwortliche dafür einmal Verständnis aufbringen
: umso besser! Gewisse Vereinbarungen sind da durchaus
denkbar, und sich darum zu bemühen, soll gewiß nicht theologisch
als unerlaubt gelten. Bei M. aber geht es — ähnlich wie
bei Dibelius — viel zu emphatisch um das Anmelden von Ansprüchen
und um möglichst eindeutige Festlegung der „Grenzen
des Staates", wie sie früher einmal Humboldt, nicht aber dem
Neuen Testament und den Reformatoren vorgeschwebt haben.
Hier müssen wir alle wohl noch viel umlernen, wobei es nicht
zuletzt darauf ankommt, daß diejenigen unter uns, die die
scheinbaren „Segnungen" kirchenfreundlicher Staatsverträge genießen
, wachsam bleiben gegenüber den Gefahren, die der Kirche
gerade in dieser Lage drohen.

III. „Revolution im Namen Christi": Der erste
Teil dieses Vortrages ist ein historischer Bericht über Versuche
„die Herrschaft Christi in Form einer politischen Theokratie zu
verwirklichen" (84 ff.): M. beginnt mit Wiclif, den Lollharden,
Hus, Th. Müntzer, J. Huter, den „Zwölf Artikeln der Bauernschaft
in Schwaben", um dann über Milton, die Leveller und die
Diggers zu Cromwell hinzuführen; natürlich konnte auf 12 Seiten
darüber jeweils nur stichwortartig berichtet werden. Als Ergebnis
wird notiert, „daß der seit dem 14. Jahrhundert immer
wieder gemachte Versuch, zu einer Sozialgestaltung der Welt
im Namen Christi zu kommen", sich unter Cromwell als