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Ausgabe:

1965

Spalte:

373-375

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Klein, Laurentius

Titel/Untertitel:

Evangelisch-lutherische Beichte 1965

Rezensent:

Brinkel, Karl

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 5

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bar nur formellen Fragen eine wesentliche Bedeutung. So z. B.

scheint die lateinische Sprache .. . sich mit der Würde einer
Norm zu bekleiden und die Vermittlungsfunktion zu übernehmen
, die die christliche Tradition der Heiligen Schrift und
dem Heiligen Geist zuschreibt" (S. 101). So täuschen sich deshalb
diejenigen, die darauf hoffen, daß Rom die Volkssprache
im Gottesdienst zugestehen wird; denn sie hätte solche „Folgen,
die die Struktur des Glaubens selbst abändern würden" (S. 98).
Die neue römisch-katholische „Theologie des Laientums würde
eine völlige Umkehrung der Geschichte und des Systems des
Katholizismus bedeuten, wenn sie wirksam werden sollte"
(S. 77). Oder will vielleicht die Hierarchie nur „ihren Einfluß
ausdehnen, indem sie den Laien den Auftrag erteilt, in den
verschiedenen Gebieten ihrer weltlichen Tätigkeit die Stimme
der Hierarchie weiterzugeben?" (ebenda).

Subilia verfaßte sein Buch vor der Eröffnung des II. Vatikanischen
Konzils, obwohl es am Ende des Jahres 1962 erschienen
ist. Manche von seinen polemischen Sätzen sind natürlich auch
heute im Hinblick auf die offizielle Haltung der römischen
Kirche, besonders in den lateinischen Ländern, mehr als berechtigt
. Dennoch haben sich Erneuerungsströmungen in einer ungeahnten
Stärke im Konzil offenbart. Die biblische und liturgische
Bewegung und die „nouvelle theologie", die lange Zeit fast am
Rande der römischen Kirche gewirkt haben, versuchen heute, gewisse
katholische Lehren neu und möglicherweise auch in einem
biblischeren Sinn zu deuten und ihre Betonung in eine mehr
christozentrische Richtung zu schieben. Sie haben oft und in
verschiedener Weise die Herrschaft Christi über die Kirche betont
, gerade wie wir Protestanten immer von Rom verlangt
haben, um das Verhältnis zwischen Haupt und Leib nach der
biblischen Botschaft wieder in Ordnung zu bringen. Die Ersetzung
der lateinischen Sprache durch die Volkssprache in der
Liturgie schien vielen Konzilsvätern (auch Kard.Tisserant) keine
solche schwerwiegende Entscheidung, daß sie das dogmatische
System der römischen Kirche erschüttern würde, sondern eine
notwendige Reform, um die Gemeinde der Gläubigen in aller
Welt mitwirkend an der Messe (actuosa) teilnehmen zu
lassen.

Obwohl der Verfasser selbst ökumenisch gesinnt ist, übt er
diese scharfe Kritik am heutigen Katholizismus, weil er in der
gegenwärtigen kirchlichen Lage es als seine Pflicht empfindet,
alle, Protestanten und Katholiken, an die echten Gründe der
Reformation und der Trennung zwischen der römischen und der
evangelischen Christenheit zu erinnern.

Rom Valdo V i n a y

Klein, Laurentius, OSB: Evangelisch-lutherische Beichte. Lehre und
Praxis. Paderborn: Bonifacius-Druckerei [1961]. 269 S. gr. 8° = Kon-
fessionskundliche und kontroverstheologische Studien, hrsg. vom
Johann-Adam-Möhler-Institut, Bd. V. Lw. DM 17.50.

Die Tatsache, daß ein römisch-katholischer Theologe ein
umfangreiches Buch über die evangelisch-lutherische Beichte vorlegt
, ist bemerkenswert. Dieses Aufmerken wird noch gesteigert,
wenn man erkennt, wie in diesem Werk eine ziemlich umfassende
Geschichte der Lehre und Praxis der Beichte in den evangelischlutherischen
Kirchen dargeboten wird. Eine entsprechende Arbeit
ist von der evangelischen Theologie noch nicht vorgelegt worden.
Auch die Literatur wird — bis etwa zum Jahre 1959 — fast
lückenlos aufgearbeitet. Ich vermisse unter der Literatur im wesentlichen
nur Christhard Mahrenholz, Begleitwort zu den Ordnungen
der Beichte, 1958, und die Verlautbarung der Bischofskonferenz
der VELKD über Beichte und Abendmahl aus dem
Jahre 195 8.

Das Buch selbst will „sowohl die dogmengeschichtliche Entwicklung
der Beichtlehre als auch die Geschichte der evangelischen
Beichtpraxis" darstellen und erörtern und gliedert sich entsprechend
in zwei Teile. Der erste Teil behandelt die evangelisch-
lutherische Beichtlehre, und zwar bei Luther, in den Bekenntnisschriften
, in der Orthodoxie, im Pietismus, im 19. Jhdt. und
heute, wobei auf die Darstellung der Beichtlehre Luthers besonderes
Gewicht gelegt worden ist. Unter Anführung zahlreicher
Quellenbelege wird Luthers Lehre von der Beichte unter verschiedenen
Gesichtspunkten (Arten der Beichte, Sündenbekenntnis
, Reue und Glaube, Absolution, die Beichte als Sakrament,
Beichte und Taufe usw.) systematisch abgehandelt, wobei die
genetische Entwicklung der jeweiligen Anschauungen Luthers
mitberücksichtigt wird. Es wird herausgestellt, wie Luther von
seinem Schriftverständnis her mit dem überkommenen Bußsakrament
in Konflikt geraten mußte und wie sehr seine Beichtlehre
in 6einen neuen Erkenntnissen von der Sünde, vom Glauben
und von der Rechtfertigung wie auch von der Kirche wurzelt
. Luther wendet sich gegen den Beichtzwang und ist auf das
Bekenntnis der Sündhaftigkeit des Menschen in der Beichte aus.
Er kennt sowohl die Reue aus Liebe wie auch die Furchtreue
unter der Gesetzespredigt. Einen Glauben ohne Reue gibt es
bei Luther nicht. Im Zusammenhang der Erörterung der Relation
Wort-Glaube in Luthers Theologie wird eine Interpretation
Luthers als eines subjektivistischen Theologen abgewiesen, wohl
aber der aktualistische Charakter seiner Theologie betont. Die
Absolution als die Mitte der Beichte bei Luther wird deutlich
herausgestellt. Hinsichtlich des Sakramentscharakters der Beichte
ist Luthers Haltung schwankend. Dabei wird von ihm die
Beichte so nahe an die Taufe herangerückt, daß sie von der
Taufe fast aufgesogen wird. Auch betont Luther die Absolutionsgewalt
jedes Christen sowie die Freiheit der Beichte, bei
der der Beichtiger keine richterliche Funktion hat.

Der Beichtlehre Melanchthons und der Bekenntnisschriften
wird unterstellt, daß durch die in ihr erfolgende Konzentration
der Beichte auf die Absolution die Beichte aus der Spannung
von Gesetz und Evangelium herausgenommen werde, wobei
Klein wohl zu wenig berücksichtigt hat, daß in der lutherischen
Kirche die Beichte nicht aus ihrem Zusammenhang mit der Predigt
isoliert werden darf. In der Orthodoxie ist nach Klein die
entfaltete und betonte lutherische Amtslehre das besondere
Fundament der Beichtlehre. Jetzt ist ausschließlich der Amtsträger
Beichtiger, und zwar mit richterlicher Funktion. Im Pietismus
wird im Zusammenhang mit seinem bruderschaftlichen
Kirchenbegriff die Beichte zum seelsorgerlichen Gespräch, bei
dem nicht mehr die Absolution, sondern die Buße im Mittelpunkt
steht. Im 19. Jhdt. kommt die Privatbeichte bei den
Theologen wieder in Geltung, die auch das Gewicht des Amtes
betonen. Die gegenwärtig wieder sehr lebhaft erörterte evangelische
Beichte zeige, daß man heute in der evangelisch-lutherischen
Theologie keine einheitliche Beichtlehre mehr habe. Zwar
teile man in der Exegese von Mt 16, 19 nicht mehr die Auffassung
der Reformation, doch gründe alle gegenwärtige Beichtlehre
auf den Positionen Luthers. Seine nicht klar entfaltete
und abgeschlossene Beichtlehre führe heute dazu, daß unter Berufung
auf Luther diametral entgegengesetzte Auffassungen
geltend gemacht werden. Das gilt besonders vom Verständnis
der Schlüsselgewalt und ihrer Handhabung.

Im zweiten Teil seines Buches geht Klein der Geschichte
der Beichtpraxis in den evangelisch-lutherischen Kirchen nach.
Betont wird das Gewicht, das Luther der Beichte zuerkannt
habe. Freilich habe er durch die Verbindung der Beichte mit dem
Katechismusverhör und mit der Abendmahlsvorbereitung den
erst bekämpften Beichtzwang wieder eingeführt. Die Auseinandersetzung
der Wittenberger mit Andreas Osiander, der allein
der Absolution in der Privatbeichte effektive Sündenvergebung
zuerkennen wollte, habe besonders die Lücken der Beichtlehre
Luthers deutlich gemacht. In der Zeit der Orthodoxie sieht Klein
die große Zeit der evangelischen Beichte. Jedoch die Hinneigung
der Menschen zur allgemeinen Beichte sowie Mißstände in der
Handhabung der Einzelbeichte, die denen der vorreformatorischen
Zeit in nichts nachstanden, führten zum Verfall der Einzelbeichte.
Indem der Pietismus dann mehr Wert auf die Buße als auf die
Absolution legte, kam es zum Ende der Privatbeichte. Die Versuche
der Erneuerung der Privatbeichte im 19. Jhdt. durch Löhe,
Kliefoth u. a. sind auf die Dauer wegen der liberalen Bibelkritik
und der wieder rationalistisch werdenden Frömmigkeit sowie
wegen des formlosen Pietismus Schleiermachers nicht zum Durchbruch
gekommen. Dem Wiederaufleben der Privatbeichte in der
Gegenwart, deren Darstellung Klein besonders hinsichtlich der
Verlautbarungen der Kirchenleitungen sowie der zahlreichen