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Ausgabe:

1965

Spalte:

372-373

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Subilia, Vittorio

Titel/Untertitel:

Il problema del Cattolicesimo 1965

Rezensent:

Vinay, Valdo

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 5

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Religionsparteien und konnte daher den heute gebräuchlichen
Begriff Konfessionskunde nicht bilden. — Auch in den orthodoxen
Kirchen ist doch wohl stärker zwischen Ordination und
Amtseinsetzung zu unterscheiden, als es bei M. geschieht, wenn
er schreibt: die Gemeindepriester werden „durch die bischöfliche
Ordination in ihr Amt eingesetzt" (162). — ÜbeT die Unfehlbarkeit
Ökumenischer Konzilien nach Auffassung der orthodoxen
Kirchen macht M. einander widersprechende Aussagen.
Einmal sagt er, daß das Ökumenische Konzil seinen ökumenischen
Charakter nicht dadurch erhält, „daß auf ihm der orthodoxe
Episkopat vertreten ist, sondern erst dadurch, daß alle
orthodoxen Kirchen die Beschlüsse als für sich verbindlich anerkennen
" (148), zum anderen erklärt er die Entscheidungen
des Ökumenischen Konzils als der Versammlung der rechtmäßig
ordinierten Bischöfe schlechthin für „unwiderruflich und unfehlbar
" (163). Die erste Auffassung, nämlich daß die Zustimmung
der Kirche für die Gültigkeit ökumenischer Konzilsbeschlüsse
nötig ist, wird in neuerer Zeit von orthodoxer Seite mit Nachdruck
vertreten. — Falsch oder zumindest höchst mißverständlich
ist der Satz: Die päpstliche Unfehlbarkeit besteht „nicht für
sich und unabhängig von der Kirche, die Konzil oder Episkopat
repräsentieren" (205 f.). Auch ist der Papst nicht „gehalten,
seine lehramtlichen Äußerungen ... in dem Benehmen mit der
Kirche oder dem diese repräsentierenden Episkopat zu treffen''
(108). Vielmehr sind die Kathedralsprüche laut Vatikanum „ex
sese, non autem ex consenu ecclesiae irrformabiles" (Denz. 18 39).
Umgekehrt kann die eine Stimme des Papstes jeden Konzilsbeschluß
zu Fall bringen. Hier ist der Unterschied zwischen
römisch-katholischer und orthodoxer Kirche größer, als es bei
M. erscheint. — Dem Papst ist zwar „die Bischofskonsekration
vorbehalten" (219), aber es gibt viele ohne päpstlichen Auftrag
geweihte Bischöfe, die nach römisch-katholischer Lehre gleichwohl
in der apostolischen Sukzession stehen, z. B. die Bischöfe
der orthodoxen Kirchen. Hier ist die Unterscheidung zwischen
licite und valide zu beachten. Eine Bischofsweihe kann illicite,
aber gleichwohl valide sein. — Ungenau ist auch der Satz: „Auf
göttlicher Anordnung beruht in dieser Hierarchie das Amt des
Papstes, des Bischofs, des Priesters und des Diakonen" (222);
Diakonat, Presbyterat, Episkopat sind Weihestufen, nicht
Ämter („Weihbischöfe" z. B. haben kein Bischofsamt). Davon
sind zu unterscheiden die Ämter des päpstlichen Primats und
des Episkopats; Papst und (regierende) Bischöfe üben die Hirtengewalt
in der Kirche kraft göttlichen Rechtes aus. — Der Gedanke
der satisfactio wird von M. zu leicht genommen, wenn
er meint, daß der Opfergedanke im mönchischen Leben nicht
„ein zur Versöhnung Gottes dargebrachtes Opfer" meint. Auch
kann man nicht sagen, daß der Eintritt in einen Mönchsorden
„keineswegs der eigenen Perfektion dienen soll" (224). Der
Mönchsstand unterscheidet sich gerade als Status perfectionis
vom allgemeinen Christenstand. — Über die heute stark kultivierte
marianische Frömmigkeit im römischen Katholizismus
könnte M. mehr sagen. — Kirchenlehre und Dogma kann man
nicht so gegeneinander stellen, wie es in dem Satz geschieht:
„Deshalb kommt der kirchlichen Lehre die gleiche Gewißheit
wie den direkt geoffenbarten Dogmen zu." Auch die „direkt
geoffenbarten" Dogmen sind nur dadurch Dogmen, daß sie von
der Kirche gelehrt werden. Der Dogmenglaube stützt sich also
auf die Autorität Gottes und der Kirche. Andererseits ist das
kirchliche Lehramt nicht „bei allen seinen Entscheidungen kraft
des göttlichen Beistandes unfehlbar" (232), sondern nur,
wenn es seine volle Autorität einsetzt. — Im Bußsakrament
wird nicht das „Bekenntnis aller Sünden" (241), sondern nur
der Todsünden gefordert, wie auch nur diese den Verlust der
heiligmachenden Gnade nach sich ziehen. Die attritio wird von
M. zu schnell abgetan (240); innerhalb der katholischen Theologie
gibt es eine Kontroverse zwischen Attritionisten und
Contritionisten, die sich übrigens beide auf Thomas meinen
berufen zu können. — „Die reformatorische Theologie lehnt
jede Art von natürlicher Theologie ab" (303), entspricht zwar
der Auffassung einer heute weit verbreiteten Schule (seit A.
Ritsehl), kann aber kaum in dieser Allgemeinheit gelten. Auch
kann man nicht sagen, daß die Gottesbeweise in der lutherischen
Theologie schlechterdings „keinen Raum haben" (304).
Hier müßte differenzierter geredet werden.

Errata: S. 97, Z. 21: lies die statt eich; S. 209, Z. 15: lies Encyc-
Iicae statt Encyclica; S. 244, Z. 3 von unten: lies Ersteres statt Letzteres
; S. 255, Z. 29: lies effunditur statt effenditur; S. 268, Z. 9: lies
formandam statt formendam; S. 444, Z. 16 von unten: lies Intoleranz
statt Toleranz; S. 494, Z. 7 ff.: 1841 war Friedrich Wilhelm III. bereits
tot; S. 497, Z. 16: lies Lodzer statt Lodger; S. 558, Z. 22: lies 1932
statt 1960.

Halle/Saale Erdmann Sch o tt

Subilia, Vittorio: II problema del cattolicesimo. Torino: Libreria
Editrice Claudiana 1962. 242 S. 8° = Collana della Facolta Valdese
di Teologia. Lire 1800.

Das Grundproblem des Katholizismus ist die römische
Lehre vom Corpus mysticum. Die neuere Forschung
nimmt an, daß sie durch gnostische Einflüsse auf die ursprüngliche
christliche Botschaft entstanden sei. Was die katholische
Theologie des ganzen Christus (totus Christus), Haupt
und Leib, nennt, sei durch die Lehre vom uranfänglichen mythischen
Menschen der Gnosis beeinflußt worden, der seine im
Kosmos zerstreuten göttlichen Teilchen als seine eigenen Glieder
wieder sammelt und als seinen Leib zusammenstellt. Haupt und
Leib sind für ihn göttlich und gleichwertig. „Will man den
neutestamentlichen Kirchenbegriff nach dem gnostisch-manichäi-
schen Schema deuten, wenn auch das Schema selbst mit biblischen
und kirchlichen Elementen gefüllt wird, so heißt das,
eine Exegese der paulinischen Sätze anzunehmen, die nach
protestantischem Urteil absolut illegitim ist, insofern das Gesetz
, das das Verhältnis zwischen Haupt und Leib regelt, vergewaltigt
und in sein Gegenteil umgekehrt wird. Denn in der
Perspektive des Katholizismus werden die Unterscheidungen
zwischen Haupt und Leib unbestimmt und flüssig, insofern der
Leib die Bezeichnungen der Autorität, Unfehlbarkeit und Heiligkeit
des Hauptes erhält, nicht durch die dialektische Spannung
des Glaubens und der Hoffnung, sondern durch einen massiven
Prozeß der Usurpation von Seiten der Institution und der
Hierarchie. Die großen neutestamentlichen Formeln durch
Christus, in Christus, mit Christus, auf Christus
hin werden von christologischen in ekklesiologische
Formeln verwandelt, und sie lauten tatsächlich: durch die
Kirche, in der Kirche, mit der Kirche, auf die
Kirche hin (S. 152).

Von diesem Gesichtspunkt aus, nämlich der Gleichsetzung
Christi mit der Kirche, versucht der Verfasser alle anderen
Seiten des römischen Katholizismus zu deuten. Christus übt sein
munus triplex in der Kirche weiter aus; aber durch diese
Gleichsetzung „ist die Stimme des kirchlichen Lehramtes das
Organ geworden, durch welches (Christus) seine Stimme hören
läßt" (S. 158); „der Sinn jeder Beziehung zum Worte des Evangeliums
geht verloren.. ., insofern die Kirche sich selbst als
Beziehungspunkt betrachtet" (S. 160); die Kirche ist nicht mehr
d i s c i p u 1 a, sondern m a g i s t r a und steht ständig in der
Gefahr, auf sich selbst, statt auf ihren Meister zu hören. Das
Lehramt der Kirche in Frage zu stellen heißt für Rom „Christus
selbst in Frage zu stellen" (S. 174). Durch diese Gleichsetzung
bekommt auch das priesterliche Amt einen unevangelischen
Charakter. „Der Priester ist ein a 11 e r C h r i s t u s" (S. 182);
er ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen und bringt
das Altaropfer dar. Die Kirche führt das königliche Amt Christi
fort, und durch ihre Hierarchie hat sie an der Souveränität ihres
Hauptes teil. Diese Souveränität offenbart sich im höchsten Grad
in der Person des Papstes, der mit Christus irgendwie gleichgesetzt
wird, weil die Kirche kein Leib mit zwei Köpfen ist.
Das Wort ubi Christus ibi Ecclesia „kann man in
das Wort ubi Papa ibi Ecclesia ohne Widerspruch umsetzen
" (S. 199). So ändert die Kirche ihre Situation einer serva
in die einer d o m i n a, und die Kirche des Gehorsams wird zur
Kirche der Selbstregierung.

Da diese Gleichsetzung Christi mit der Kirche wesentlich
in der Hierarchie vollzogen und dadurch die Trennung zwischen
Klerus und Laientum besonders betont wird, erklärt sie viele
andere Seiten des Katholizismus und gibt auch manchen schein-