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Ausgabe:

1965

Spalte:

359-362

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Koptisch-gnostische Apokalypsen aus Codex V von Nag Hammadi im Koptischen Museum zu Alt-Kairo 1965

Rezensent:

Rudolph, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 5

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Bürgern, daß man diese Gelegenheit gern wahrnahm: „Ich bete
täglich für dich zum Herrn Sarapis" o. ä. Die Feste im strengen
Sinne sind vielfach noch aufschlußreicher. Für die ägyptischen
Feste der Spätzeit besitzen wir verschiedene Sammlungen und
Untersuchungen. Am ausführlichsten behandelt sie Theodor
Hopfner, Plutarch über Isis und Osiris II, 1942, S. 291 ff.; er
stellt eine Art osirischen Kirchenjahres dar und bringt in seinen
Erörterungen auch Bilder von Denkmälern, die der Anschaulichkeit
dienen, aber nicht selten auch den Sinn klären. Das uns
heute vorliegende Buch von Merkelbach hat seine Besonderheit
z.B. darin, daß das ägyptische Brauchtum des 19. Jahrhunderts
berücksichtigt wird; das ist durchaus einwandfrei, da die Gestaltung
der maßgebenden Nilflut sich erst dann änderte, als
der erste Staudamm von Assuän in Erscheinung trat. Wer die
Darstellungen der beiden genannten Forscher vergleicht, überzeugt
sich sofort, wie reich der Stoff ist, der uns hier zur Verfügung
steht, und wie viel zu seiner wissenschaftlichen Bewältigung
noch gearbeitet werden muß.

Merkelbach achtet besonders auf das ägyptische Wandeljahr.
Die Ägypter hatten in der Theorie ein reines Sonnenjahr zu
365 Tagen. Man verzichtete aber darauf, es regelmäßig durch
Schalttage zu berichtigen (wie später beim julianischen Kalender
). So war weithin ein Wandeljahr in Geltung. Immerhin
sorgte der Nil dafür, daß man das natürliche Jahr nicht ganz
vergaß. Den Anfang dieses natürlichen Jahres setzte man in den
Juli, in die Zeit, da die Nilflut in Ägypten begann; es ist dieselbe
Zeit, da in Ägypten vor Sonnenaufgang der Sirius (Sothis,
der Hundsstern) das erste Mal wieder zu sehen ist. Hier wird
deutlich, in welchem Maße das Denken und Empfinden der
Ägypter einheitlich ist. Ägypten lebt von der Landwirtschaft
und ernährt einen wichtigen Teil der Mittelmeerwelt; diese
Landwirtschaft ist aufs engste verbunden mit der natürlichen
Besonderheit des Landes; aber ebenso mit dem Sternenhimmel;
die Göttin Isis wird mit dem Sothisstern gleichgesetzt oder aufs
engste verbunden. Schon daraus ergibt sich die Bedeutung der
Feste, die der Isis gewidmet werden. Sie wird in griechisch-
römischer Zeit noch durch einen besonderen Umstand gesteigert.
Wohl gehört Isis zur ältesten ägyptischen Götterwelt. Aber Bedeutung
gewinnt sie für das gesamte Geschehen erst in der
Spätzeit, damals als viele Menschen sich das höchste Wesen gern
In weiblicher Gestalt vorstellen: Isis wird eine Allgöttin. Sie
übernimmt auch die Leistungen der männlichen Gottheiten
Osiris und Sarapis. Darüber hinaus wird sie zur Herrin des
Meeres und der Seefahrt (als Pharia und Pelagia) und zur Herrin
der Waffen und des Krieges (als Isis invicta). Wir können die
Entwicklung gut ablesen an den Münzen der Stadt Alexandrien
in den Tagen der römischen Kaiserzeit. Hier wird die Entwicklung
des christlichen Mariendienstes im frühen Mittelalter sichtlich
vorausgenommen.

Ohne dem Verfasser auf all seinen Wegen zu folgen,
danken wir ihm, daß er auf diesen wichtigen Fragenkreis erneut
hinwies und zur Beantwortung der Fragen beitrug.

Johannes L e i p o 1 d t f

B ö h 1 i g, Alexander, u. Pahor L a b i b : Koptisch-Gnostische Apokalypsen
aus Codex V von Nag Hammadi im Koptischen Museum
zu Alt-Kairo, hrsg., übers, u. bearb. Halle-Wittenberg: Wissen-
6chaftl. Zeitschrift der Martin-Luther-Universität 1963. 137 S.,
1 Taf. 4°.

Mit Freude nimmt die beteiligte Forschung den weiteren
Fortgang der Edition kopt.-gnost. Texte aus dem Funde von
Nag' Hammadi zur Kenntnis. Die dem Codex 5 (= 3 n. Doresse,
7 n. Puech) dieser gnostischen Bibliothek angehörigen vier „Enthüllungen
" oder „Offenbarungen" (kopt. Apokalypsen) werden
von A. Böhlig und P. Labib in der vertrauten und bewährten
Weise zweisprachig vorgelegt. Ausführliche Einleitungen versuchen
eine erste Erschließung und Analyse zu geben. Wörterverzeichnisse
und Register sowie eine Tafel mit vier Seitenabbildungen
aus dem Codex sind beigegeben. Durch die Ver-
glasung der Papyrusblätter in Kairo hat sich leider eine von den
Codexseiten abweichende Seitenzählung eingestellt. Die vorliegende
Edition folgt der Codexpaginierung, gibt aber die andere
Blattzählung an zweiter Stelle in Klammern an.

Außer den vier „Apokalypsen" (17—85) enthält der Codex 5
noch den „Brief des Eugnostos" (1—17), der noch nicht ediert
ist1. Alle diese Texte sind in sahidischem Koptisch abgefaßt
(S. 11 ff.), gehen aber auf griech. Originale zurück. Inhaltlich
gesehen handeln sie durchweg von besonderen Geheimnissen
gnostischer Lehren, die der Titelgestalt „enthüllt" worden sind
und die als geheime Tradition weiterüberliefert werden. Wir
haben also weitere Beispiele für das (fiktive) gnostische
Traditionswesen vor uns, dessen Kennzeichen darin besteht, daß
die esoterische Lehre entweder durch Gestalten des AT oder
durch die Apostel des NT als gültig und maßgebend autorisiert
bzw. legitimiert wird'"'. In dieser Form knüpft auch die Gnosis
an die ältere jüdische esoterische Überlieferung an, die sich
ebenfalls mit den Mysterien der himmlischen und zukünftigen
Welt beschäftigt (Apokalyptik: Apokryphen und Pseudepi-
graphen). Die Großkirche ist ihr darin gefolgt.

Die erste Schrift der vorliegenden Ausgabe ist eine „Apokalypse
des Paulus" (17—24). Sie berichtet von einer
Himmelsreise des Paulus (cf. 2. Kor. 12) bei Jericho in Begleitung
des als „kleiner Knabe" erscheinenden Jesus3. Paulus
durchquert zehn Himmel und sieht ihren Inhalt. Böhlig gibt
dazu wertvolle Hinweise (17 f.). Die Schrift hat nichts mit der
bisher bekannten Paulusapk. zu tun (18)*. Vielleicht ist sie mit
der bei Gnostikern des 2./3. Jh.s umlaufenden „Himmelfahrt
des Paulus" irgendwie identisch (vgl. Epiphan., Pan. 38,2:5).

Bedeutsamer sind die folgenden zwei Jakobusapokalypsen
(24—63). Sie handeln von Jesus und Jakobus dem
Gerechten (dieser Titel wird angeführt), gehören also zu der
auch aus anderen Quellen bekannten „jakobitischen Tradition"
in der Gnosis (vgl. Thomasevgl. 12; Apkr. [?] Jak. in Cod. 1,
1—16 [noch nicht ediert]; Hipp. ref. V, 7:1; Clem. Alex, bei
Euseb, H. e. II 1,4 f.)5. Beide Texte — auch äußerlich nicht gut
erhalten — unterscheiden sich allerdings sehr voneinander, wenn
sie auch beide auf das Martyrium des Jak. Bezug nehmen.

Die Apk. Jak. I (24—44) ist „ein reines Lehr- und Seel-
sorgegespräch zwischen Jesus und Jakobus dem Gerechten" (29).
Diese Dialoge finden einmal vor Jesu Tod statt (24, 10—30, 11),
zum anderen nach seiner Auferstehung (31,5—42,19). Jak. ist
also hier zum Jünger Jesu geworden. Bemerkenswert sind weiterhin
die christologischen Äußerungen in 24,18—25,9 (Jesus ist
„ein Eikon des Seienden"), 28, 5—29, 3) (Hymnus auf die Erlösungstat
Jesu, der die Unwissenheit beseitigte), 31, 18—20
(Doketismus), 31, 21 ff. (nicht das Volk Israel hat ihm Böses
getan, sondern die Archonten), ferner der symbolische Gebrauch
von Jerusalem als Zentrum der Archonten (25, 15 ff.; ähnlich
im Mandäischen)6. Eine zentrale Rolle spielt die Belehrung über
den sicheren Aufstieg nach dem Tode (38,28—38,11). Hierbei
wird ein „kultisches Traditionsstück" wiedergegeben, das wir in
gleicher Weise bei Irenaeus, Adv. haer. I, 21:5 und Epiphanius,
Pan. 36, 3:2—6 vorfinden und das der valentinian. Gnosis zuge-

1) Vgl. M. Krause — P. Labib, Die drei Versionen des Apo-
kryphon des Johannes im Kopt. Museum zu Alt-Kairo, Wiesbaden
1962 (ADIK, Kopt. R. Bd. 1), S. 19 f.; M.Krause, Das literarische
Verhältnis des Eugnostosbriefes zur Sophia Jesu Christi, in: Mullus
Festschrift Th. Klauser, Münster 1964 (Jahrb. f. Antike u. Christentum
, Ergänzungsbd. 1), S. 215—223.

2) Vgl. zum gnost. Traditionsprinzip jetzt M. Hornschuh in:
E Hennecke, NT-liche Apokryphen, 3. Aufl. hrsg. von W. Schneemelcher,
Tübingen 1964, S. 42 f., 46 ff.; ferner J. Danielou, Les traditions
secretes de« Apotres, in: Eranos-Jahrbuch XXXI, 1962, S. 199—215.
Der Titel „Apokalypse" hat also zunächst nichts mit der literar.
Gattung der Apokalypsen zu tun, wenn auch deutlich Beziehungen bestehen
. Zur apk. Literatur s. zuletzt P. Vielhauer in Hennecke-Schnee-
melcher, op. cit. S. 407—421. Man wird in Zukunft den Begriff „Apokalypse
" in der ursprünglichen Bedeutung „geheime Offenbarung" ansetzen
und dann durch Unterscheidungen präzisieren müssen.

3) Zur Ergänzung der Belege zu diesem Motiv bei Böhlig S. 16 s.
Rudolph, Theogonie, Kosmogonie u. Anthropogonie in den mand.
Schriften, Göttingen 1965.

4) S. jetzt Hennecke-Schneemelcher, op. cit., S. 536—567 (H. Duen-
sing).

°) Vgl. jetzt auch Hornschuh, a. a. O., S. 49 f., wo die vorliegenden
Texte leider noch nicht mitverarbeitet werden konnten.
•) Rudolph, die Mandäer I, 1960, S. 89 f.