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Ausgabe:

1965

Spalte:

358-359

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Merkelbach, Reinhold

Titel/Untertitel:

Isisfeste in griechisch-römischer Zeit 1965

Rezensent:

Leipoldt, Johannes

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357

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 5

358

Natürlich weiß C. von dem allgemeinen, synkretistischen Charakter
des gnostischen Vorstellungsmaterials (S. 139: „mehr oder weniger
gnostisiert") und deutet an, daß es auch andere als gnostische kosmische
Erlösungslehren gab. Trotzdem versucht er, die kolossische Irrlehre
als speziell gnostische Form einer solchen kosmischen Soteriologie
zu deuten. Der Leser erhält deshalb in der Einleitung einen kurzen
Abriß des gnostischen ErlösungS6chemas mitgeteilt als notwendiges
Rüstzeug zum Verständnis. Von hier aus und auch auf Grund weiterer
Andeutungen erwartet er demnach, es werde 6ich in der kolossischen
Irrlehre um „Auseinanderreißen von Welt und Erlösung" (139), um
Erlösung als Versetzung in das „jenseitige Lichtreich" (S. 13 5), um
Kosmo6- und Körperfeindlichkeit im Sinne des gnostischen Schemas
handeln, wenn auch in variierter Form (131). Aber dann zeigt die
Darstellung der Irrlehre 6tatt Weltverneinung Weltfrömmigkeit, statt
etwa einer gnostischen „Lästerung der Mächte" (vgl. Jud 8) ihre
kultische Verehrung, statt Weltverachtung das Trachten nach kosmischen
Kräften; statt des Gegensatzes Lichtgesandter-Finsterniswelt
ist zwischen Christus und der Welt ein Seinszusammenhang hergestellt
(146), anstatt eines Unterwerfungsverhältnisses, wie es gegen die
„Gnostiker" in Kol 2, 14 f. so klar proklamiert wird. Da hilft es auch
nichts, wenn C. versucht, die angebeteten Mächte unter der Hand in
Gegenstände des Erschaucrns zu verwandeln (144). Es zeigt sich ganz
einfach, daß das gnostische Bezugsbild verdunkelt statt zu erhellen.

Die für Kol getroffenen Entscheidungen wirken sich in der
Auslegung des Eph gleichfalls aus. Der Brief ist noch stärker
deuteropaulinisch und ist von gnostischen, religionsgeschichtlichen
Hintergründen her zu verstehen im Sinne einer anti-
gnostisch ausgerichteten „Meditation" (57 u. ö.). C. ist in der
Zeichnung der kosmischen Mächte und Weltbildmotive erheblich
vorsichtiger als etwa Traub, der zu Eph 4 von der hermetischen
Abschließung der Erdenwelt durch die Mächte und von der
„kosmischen Zertrümmerung" der Abschließung beim Ab- und
Aufstieg des Erlösers spricht (ThW V 525 f.). Es sei nur kurz angemerkt
, daß sich m. E. auch im Epheserkommentar die mangelnde
Brauchbarkeit des engeren gnostischen Motivmaterials
zur Texterhellung immer wieder abzeichnet. Wieso z. B. das
Kosmosbild gerade ohne „Mauer" erklärt wird von dem
Weltbilde m i t Mauer her (68), sieht man nicht ein. Aber im
Eph ist ja die religionsgeschichtliche Hintergründigkeit weit
weniger da als im Kol. Die Auslegung durch C. geht den oft so
verschlungenen Wegen des Textes hellhörig nach, übersetzt
schwierige Gedankengänge in klare theologische Aussagen und
meditativ verschwimmende Satzperioden in theologische Kernsätze
: „Nach dem Eph aber sind wir in der Welt, weil wir
Gottes Geschöpfe sind, und tot sind wir, weil wir schuldig sind.
Das Tot-Sein wird von uns als ,WandeI', als eigene Tat, durchgeführt
, und meine Taten, das bin ich selbst" (65).

Ganz anders, aber wieder ganz den 60 anders gearteten
Briefen an die Philipper und an Philemon angemessen und auch
wieder in eigener Weise dem heutigen Leser verständlich ist die
Auslegung von Gerhard Friedrich. F. versteht es, den Text vom
zeitgeschichtlichen Hintergrund her zum Sprechen zu bringen.
Sehr gut versteht man die Eindringlichkeit des Bittens des Apostels
in Philem, wenn Onesimus in der akuten Gefahr war, bei
seiner Rückkehr zu seinem Herrn schwer bestraft zu werden
(193). Die erste Stelle nimmt aber auch bei F. die theologische
Interpretation ein, und zwar zeigt sich hier besonders ein Sichtbarmachen
des gesamtneutestamentlichen Zeugnisses, vor allem
durch die häufigen Verweise auf Parallelbelege in allen neu-
testamentlichen Schriften. Dadurch tritt mancher Einzelzug weniger
klar heraus. Sehr deutlich entwickelt F. seine Gründe für
die Annahme der Herkunft der Briefe aus einer Gefangenschaft
in Ephesus und für ein Herausheben von Phil 3, lb — 4, 9 als
Bruchstück eines verlorenen zweiten Briefes des Paulus an die
Philipper und bringt so den Leser in Kontakt mit der gegenwärtigen
exegetischen Diskussion. Phil 2, 6—11 hält F. für ein
vorpaulinisch-urchristliches Lied mit Paulinischen Einschüben in
8c. 10b. IIb. Er betont mit Recht, daß die Einfügung des Liedes
durch Paulus nicht einfach die Demut Christi als Vorbild geltend
macht, sondern den Leser mit dem Bekenntnis zu Christus als
dem Herrn und dem in Christus dem Herrn gesetzten neuen
Leben konfrontiert und so zum Vollzug dieses neuen Lebens
aufruft, wobei allerdings der Ton auf der Demut liegt (108 f.).
Interessant ist die Übersetzung von 6b mit „beutete das Gott-
gleich-sein nicht aus"; F. findet hier keine Anspielung auf den

Fall des Satan oder des Adam, wohl aber eine „gewisse Ähnlichkeit
" (110; etwas stärker 108 f.) mit dem Mythos vom Urmensch
-Erlöser. Die schwierige Frage, worin das Mehr der Erhöhung
in 9—11 verglichen dem unüberbietbaren „Gott-gleich-
sein" in 6 bestehen soll, beantwortet F. so, daß der Präexistente
der „in der göttlichen Herrlichkeit verborgen lebende Gottgleiche
" „war" (Iii), nun aber der in dieser einzigartigen
Stellung Offenbarte und Inthronisierte ist und sein wird (111).
So wird F. eigentlich gegen seine Intention (S. 110: „er hat nicht
nur die göttliche Gestalt erhalten, die er vorher hatte") dazu
geführt, den Erhöhungs- in den Epiphaniegedanken umzuprägen,
während im Hymnus die an sich unvereinbaren Vorstellungen
der Gottheit und der Erhöhung des Christus unausgeglichen
nebeneinanderstehen. So wird der Leser in unser exegetisches
Ringen um das Verständnis des Textes mit hineingenommen.
Ebenso hochtheologisch und doch dem Nichttheologen erschlossen
ist der Exkurs zu „In Christus Jesus" (124—126), wo
zwischen der eschatologischen Grundbedeutung und zwei abgeleiteten
, der quasi („gewisses Recht" 125) mystischen und der
ekklesiologischen Bedeutung, unterschieden wird, eine Differenzierung
, die sich nicht mit herkömmlichen einfach deckt; sodann
wird die Wendung „in dem Herrn" als eigengeprägt dargestellt
und auch noch ein besonderes missionarisches „in dem Herrn
Jesu" davon unterschieden (versehentlich heißt es in S. 126
Z. 15 v.u. „im Herrn Christus"). Die angeführten, inhaltlich
kurz geklärten Belegstellen machen die vorgetragenen Thesen
einleuchtend.

Nur zwei Druckfehler sind dem Ref. aufgefallen: S. 177 Oberzeile
Tess. statt Thess.; S. 192 sind Z. 3 und Z. 4 vertauscht. Weiter
ist vielleicht zu wünschen, daß dem Band ein Inhaltsverzeichnis beigegeben
würde, weil die hier vorliegende Zusammenstellung nicht allgemein
üblich ist.

Leipzig Harald Heger man n

A r g y 1 e, A. W.: Evidence for the view that St. Luke used St.

Matthew's gospel (JBL 83, 1964 S. 390—396).
Bauer, Johannes B.: Philologische Bemerkungen zu Lk 1, 34 (Bibl 45,

1964 S. 53 5—540).
G u n d r y, Robert H.: The language milieu of first-century Palestine.

Its bearing on the authenticity of the gospel tradition (JBL 8 3,

1964 S. 404—408).
Klein, Günter: Die Prüfung der Zeit (Lukas 12,54—56) (ZThK 61,

1964 S. 373—390).
Krentz, Edgar: The extent of Matthew's Prologue. Toward the

Structure of the first gospel (JBL 83, 1964 S. 409—414).
Lamarche, Paul: Le Prologue de Jean (RechSR 51, 1964 S. 497

—537).

L e g a u 11, Andre: Saint Paul a-t-il parle de la maternite virginale de
Marie? (Sciences Ecclesiastiques 16, 1964 S. 481—493).

Lyonnet, S.: A propos de Romains 5, 12 dans l'oeuvre de S. Augustin
. Note complementaire (Bibl 45, 1964 S. 541—542).

Modalsli, Ole: Gal. 2, 19—21; 5, 16—18 und Römer 7, 7—25
(ThZ 21, 1965 S. 22-37).

Schenke, Hans-Martin: Der Widerstreit gnostischer und kirchlicher
Christologie im Spiegel des Kolosserbriefes (ZThK 61, 1964 S. 391
—403).

Sweet, J. P. M.: The Kerygma (The Expository Times 76, 1965
S. 143—147).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Merkelbach, Reinhold: Isisfeste in griechisch-römischer Zeit.
Daten und Riten. Meisenheim/Glan: Hain 1963. 82 S., 1 Tab. gr. 8°
= Beiträge z. klass. Philologie, hrsg. v. R. Merkelbach, H. 5.
DM 11.50.

Die heutige Religionswissenschaft achtet mit Vorliebe auf
Gottesdienste und Feste: bei solchen Gelegenheiten treten die
religiösen Gedanken besonders klar und eindeutig hervor, zusammen
mit alten Überlieferungen, die uns in die Frühzeit der
betreffenden Religion führen. Der große Missionserfolg des
Sarapis wird nur dem verständlich, der weiß, daß die Tempel
dieses Gottes zweimal täglich der Allgemeinheit offen stehen,
zu einem Morgen- und Abendgottesdienst. Der Gott ist, wenn
ich es so ausdrücken darf, für seine Gläubigen täglich zu
sprechen; und wir wissen aus vielen Briefen von alexandrinischen