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Ausgabe:

1965

Spalte:

295-298

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Das Bekenntnis im Leben der Kirche 1965

Rezensent:

Peters, Albrecht

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 4

29G

Regeln und Ergebnisse anderwärts bereits festgelegt sind. Daher
können Großzügigkeit und Ängstlichkeit der lehrenden Manifeste
zum exegetischen Betrieb einander ablösen, wobei die beteiligten
Papstpersönlichkeiten, aber auch die allgemeine Lage
den Ausschlag geben mögen. — Auch für uns gibt es ein Verhältnis
von Bibel und Gemeinde, das nicht mit dem Gang der
exegetischen Wissenschaft in eins fällt. Aber wir schreiben die
Festigkeit und Unerschütterlichkeit dieses Verhältnisses nicht
einem Lehramt zu, sondern der Selbstdurchsetzungskraft der
biblischen Wahrheit und nur ihr" (42). Nur der versteht Steck
recht, der als protestantischer Theologe nicht über den katholischen
Partner triumphiert, sondern sich fragen und warnen
läßt. Es ist heilsam, daß vor der zweiten Fortsetzung des Konzils
Steck Katholiken und Evangelische auf Schwierigkeiten im Bibelverständnis
des Katholizismus hinweist. Aber der evangelische
Theologe soll nicht behaupten, es werde in der katholischen
Kirche doch alles beim alten bleiben. Nicht nur der Katholik,
auch der Evangelische soll sich fragen, ob er wirklich das Wort
hört oder ob er seine Weltanschauung, sein Bibelverständnis
verteidigt. Eine solche kritische Funktion wünschen wir der
gründlichen, zum Quellenstudium anregenden Studie von
K. G. Steck.

Bern Alfrad <i e Q u c r va i n

Vajta, Vilmos, u. Hans Weissgerber [Hrsg.]: Das Bekenntnis
im Leben der Kirche. Studien zur Lehrgrundlage und Bekenntnisbindung
in den lutherischen Kirchen. Berlin-Hamburg: Luth. Verlagshaus
1963. 280 S. gr. 8°. Kart. DM 16.—.

Der vorliegende Sammelband wurde von der Theologischen
Abteilung des Lutherischen Weltbundes zusammen mit einer
Studie zur Frage der Abendmahlsgemeinschaft im Luthertum:
Kirche und Abendmahl (hrsgeg. von Vilmos Vajta ebenfalls im
Lutherischen Verlagshaus 1963) zur Vollversammlung in Helsinki
vorgelegt. Er wird eingeleitet durch einen Vortrag, den Peter
Brunner 1956 bei einer Pfarrkonferenz in Göteborg im Rahmen
einer Tagung der Theologischen Kommission des Weltbundes
über das Thema: Was bedeutet Bindung an das lutherische Bekenntnis
heute? (S. 11—20) gehalten hat, und durch eine dokumentarische
Zusammenstellung von Hans Weissgerber über die
im Luthertum geltenden Bekenntnisse (S. 21—53). Elf Monographien
schildern sodann in unterschiedlicher Art und Fragestellung
den Sitz des Bekenntnisses im Leben einzelner Kirchen.
Zum Beschluß gibt Vilmos Vajta eine systematische Auswertung
des Erarbeiteten unter ökumenischen Aspekten (S. 243—276).

Peter Brunner charakterisiert die Situation der gegenwärtigen
evangelischen Christenheit. Sie hat die konkrete Autorität der
Schrift verloren und damit einen bindenden Konsensus hinsichtlich
des Inhaltes der Evangeliumsverkündigung. Wo jedoch die
Schrift als Zeuge des Evangeliums nicht mehr eindeutig zu uns
spricht, da verliert auch die Bindung an das Bekenntnis ihren
Sinn. Die reformatorisch-lutherische Christenheit bekannte sich
zur altkirchlichen Christologie und Trinitätslehre um des Zeugnisses
der Schrift willen; sie wollte kein neues Bekenntnis, sondern
einstimmen in das Zeugnis der ökumenischen Christenheit.
Deshalb sah sie sich jedoch genötigt, sidi von Rom wie vom
Schwärmertum zu trennen und auch die reformierte Abendmahlsund
Prädestinationslehre sowie die reformierte Ablösung der
Menschheit von der Gottheit in Christus zurückzuweisen; hierin
ging es ihr nicht um eine konfessionelle Sondertradition, vielmehr
um das eine apostolische Evangelium. Brunner ruft die
lutherische Kirche auf, nach zweihundertjähriger Lähmung die
reformatorische Zusage an die Wahrheit und Absage an den Irrtum
zu erneuern. ,,Wenn die lutherische Kirche nicht wagt,
wenigstens im Blick auf einige zentrale Inhalte des Evangeliums
in einer verbindlichen Weise mit ihren Worten auszusprechen,
was auf den vielen Druckseiten ihres Bekenntnisses verbindliche
Bezeugung des apostolischen Evangeliums ist, dann verleugnet
sie den Geist Gottes, der jetzt, heute, hier in unsere geschichtliche
Lage hinein mit der Treue zum apostolischen Evangelium
auch seine aktualisierende Auslegung will" (S. 19). Ist uns dies
nicht mehr geschenkt, bleibt allein das Flehen um den Geist.
Hans Weissgerber (S. 21—5 3) gibt zunächst einen Überblick

über die im Konkordienbuch vereinigten Bekenntnisse, gliedert
sodann die lutherischen Gemeinschaften in vier Typen auf, in die
Territorialkirchen in Nord- und Mitteleuropa, in welchen der
Bekenntnisstand ,,durch das Zusammenwirken von Kirche und
Territorium, letztlich durch einen gesetzgebenden Akt der
Landesobrigkeit" (S. 24) festgelegt wurde, in die „Kirchen der
evangelischen Bewegung in Europa", wo sich die Bekenntnisse
ohne aktive Mitwirkung einer Landesobrigkeit durchsetzten, in
die Einwanderer- und die Missionskirchen. An die so aufgegliederten
Kirchengemeinschaften richtet er fünf Fragen:
,,1. Welche Bekenntnisse nennen die geltenden Verfassungen?
2. Was besagen sie über die Stellung dieser Bekenntnisse zur
Heiligen Schrift? 3. Welche Stellung weisen sie diesen Bekenntnissen
zu, oder wie werden sie charakterisiert? 4. Welche Anordnungen
und Maßnahmen sehen sie vor, um die Einhaltung
des Bekenntnisstandes zu gewährleisten oder zu überwachen?
5. In welcher Weise tritt die Bekenntnisbindung in der Ordination
in Erscheinung?" (S. 21).

Die geltenden Bestimmungen sind natürlich sehr unterschiedlich
, zugleich zeigt sich jedoch ein breiter Konsensus,
welchem die Vollversammlung in Helsinki erneut Rechnung trug.
Die heilige Schrift gilt als oberste Norm und Richtschnur für
Lehre und Leben der Kirchen; die Rezeption der altkirchlichen
Symbole bezeugt die Übereinstimmung mit der una saneta et
apostolica ecclesia; die Confessio Augustana als reformatorisches
Grundbekenntnis gilt als bindende Lehrnorm, neben sie tritt
Luthers Kleiner Katechismus als die Laienbibel der Gemeinden;
die übrigen lutherischen Bekenntnisse werden gegenüber diesen
beiden Grundbekenntnissen unterschiedlich gewertet, entweder
ganz übergangen oder jenen als auslegende Ergänzungen zugeordnet
oder auch ihnen gleichwertig nebengeordnet. Wie straff
oder locker die Lehrüberwachung und Bekenntnisverpflichtung
gehandhabt wird, entspricht zumeist der Zuordnung dieser ergänzenden
Bekenntnisse zu den grundlegenden.

Die elf Monographien erläutern diese notwendig nur
schematische Übersicht und füllen deren Gerüst mit lebendiger
Anschauung. Rudolf Meiser (S. 57—72) charakterisiert die noch
junge bayrische Diaspora-Kirche, welche durch Wilhelm Löhe
und Hermann Bezzel, durch die Erlanger Theologie wie den Bekenntniskampf
im dritten Reich ihre bekenntnisgebundene Gestalt
erhielt. Sven Kjöllerström (S. 73—8 8) führt uns in das
jahrhundertelange Ringen um die rechtliche Anerkennung der
Formula Concordiae in der schwedischen Kirche ein. Hans Weissgerber
(S. 89—114) entwickelt die Problematik der zwischen
Luthertum und Calvinismus stehenden Kirchen an Hand des
Bekenntnisstandes der Evangelischen Kirche in Hessen und
Nassau; er versteht diese als eine ,,foederatio bekenntnisbestimmter
Gemeinden" (S. 108) und fragt nach dem Raum für
ein lutherisches Bekenntnis in ihr. Peter Barton (S. 115—129)
schildert das rasche Aufblühen wie die radikale Vernichtung
lutherischer Gemeinden in Österreich in Reformation und
Gegenreformation wie deren Wiedererstehen unter aufgeklärter
Toleranz und schroffem Affront gegen Rom. Hierdurch erwuchs
ein Miteinander von Gemeinden und Christen augsburgischen
und helvetischen Bekenntnisses, welches manche noch unbe-
wältigte Frage stellt. Jan Michalko (S. 130—137) führt in den
Leidensweg des slowakischen Luthertums ein, in welchem das
Bekenntnis am stärksten in den Gemeinden eingewurzelt zu sein
scheint, enthält dessen Evangelisches Gesangbuch doch zahlreiche
Credo- und Katechismuslieder sowie zwei Gesänge, die sämtliche
28 Artikel der Confessio Augustana in Versen vortragen (S. 137).
Robert H. Fischer (S. 138-149) und Eugene L. Fevold (S. 150
—169) beschreiben das Zusammenwachsen der deutschstämmigen
und skandinavischen Lutheraner in Amerika. Sigfried Estborn
(S. 170—180) und Gunnar Lislerud (S. 181—191) schildern die
konfessionelle Zersplitterung des Luthertums in Indien und
Afrika und zeigen, wie stark in diesen Kirchen darum gerungen
wird, die aus dem Abendlaad überkommenen Bekenntnisse einheimisch
zu machen und in die Situation der Gegenwart hinein
zu aktualisieren.

In dieser Hinsicht am wichtigsten sind die Beiträge von
Andar M. Lumbantobing (S. 199—213) und James A. Scherer