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Ausgabe:

1965

Spalte:

278-281

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Wünsch, Georg

Titel/Untertitel:

Luther und die Gegenwart 1965

Rezensent:

Krumwiede, Hans-Walter

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 4

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gottesdienstlichem Gebrauch — in engerem Sinne — dienen, wie
die Psalterien, die Missale und Lektionarien; ihren „Sitz im
Leben", zeigt M., hatten sie vor allem beim Vorlesen und Vorsingen
bei den Mahlzeiten im Refektorium. Hier hatte das ganze
biblische Schrifttum, auch das apokryphe und die Weisheitsliteratur
, im monastischen Leben Platz. M. zeigt, wie dem Dienst
des wirklichen Lebens deutliche Schrift und sparsamer Schmuck
sich geistlich unterordnen und gerade darin ihre eigentümliche
Schönheit leuchten lassen. „Das künstlerische in Schrift und
Schmuck ist keineswegs zurückgedrängt oder ausgeschlossen, es
wird wohlgefällig empfunden, als erfreuend wahrgenommen,
auch wohl sinnend betrachtet; aber es kann sich nirgends störend
oder hemmend zwischen Text und Leser, zwischen das Wort
Gottes und das äußere und innere Auge des Menschen drängen".

Die Rezitationstönc und die Modulationsklauseln werden
an einer edierten Seite interpretiert.

Aus der h e u ti g e n, „durch Abt, Konvent, Hospitium und
besonders Familiaritas verkörperten Klosterfamilie" ist der „Festgruß
von Amelungsborn an Loccum" hervorgegangen — „nicht
etwa aus einem retrospektiven Traditionalismus heraus". Aber
„er möchte auch mithelfen, nicht in die andere Gefahr zu verfallen
, einem geschichts- und ordnungsloscn Aktivismus" (S. 30).

Pönitz bei Leipzig Friedrich H a u f e

Lücken, Wilhelm, Dr. iur.: Kampf, Behauptung und Gestalt der
Evangelischen Landeskirche Nassau-Hessen. Göttingen: Vandenhoeck
4 Ruprecht 1963. 201 S. gr. 8U = Arbeiten z. Gesch. d. Kirchenkampfes
, hrsg. v. K.D.Schmidt. Bd. 12. DM 15.—.

Die Darstellung des Verfassers über den Kirchenkampf
innerhalb des Bereiches, der jetzt zur Evangelischen Kirche
in Hessen und Nassau gehört, gliedert sich in zwei Teile. Der
erste Abschnitt trägt den Titel „Die Evangelische Landeskirche
Nassau-Hessen in Kampf und Behauptung". Er beginnt
mit der Schilderung der Lage der hessischen Landeskirchen
nach 1918 und der Einigungsversuche der Marburger Konferenz.
Es folgt eine quellenmäßig belegte Darstellung der kirchlichen
Geschehnisse in den Jahren 1933/34. An Hand der Akten
des Landesbrudcrrates gibt der Verfasser dann einen Überblick
über den Weg der Bekennenden Kirche und die Versuche
einer Neuordnung in den Jahren 1935 bis 1945. Der erste
Teil schließt mit der Schilderung der Anfänge der Neuordnung
der hessisch-nassauischen Kirche nach 1945. Im
zweiten Teil hat sich der Verfasser die Aufgabe gesetzt, die
Rechtslage der Landeskirche in der Zeit des Kirchenkampfes
kritisch zu würdigen. Nach Vorbemerkungen über das grundsätzliche
Verhältnis von Kirche und Recht werden in drei
Hauptteilen behandelt: die Begründung und Existenz der
Landeskirche Nassau-Hessen in der Zeit seit 1933, die Frage
nach dem in der Kirchenkampfzeit gültigen Recht und schließlich
das Verhältnis der Landeskirche zum Staat. Somit beschränkt
sich die Arbeit des Verfassers, der als Sohn des bekannten
Pfarrers D. Wilhelm Lueken innerhalb der Tradition
der deutsch-reformierten Gemeinde in Frankfurt a. Main steht,
nicht auf eine geschichtliche Darstellung, wie es in den bisherigen
Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes im allgemeinen
geschehen ist. Dem Verfasser geht es vielmehr auch um
die rechtliche Erfassung der Folgerungen, die sich in dieser Zeit
für die Landeskirche, die Gemeinden und ihre Pfarrer ergaben.

Eine kirchenrechtliche Behandlung der Zeit des Kirchenkampfes
steht vor einer doppelten Aufgabe. Sie hat einmal zu
zeigen, daß die Kirche um die Beachtung und Behauptung ihres
in den Kirchenverfassungen und den Kirchengesetzen sowie in
den Staatsgesetzen festgelegten Rechtszustandes kämpfte. Zum
anderen hat sie die Erkenntnis zu vertiefen, daß eine legitime
Ordnung der Kirche und ihrer Gemeinden auf die Heilige Schrift
und die Bekenntnisse gegründet sein und allein daran gemessen
werden muß. Von dieser Grunderkenntnis sind auch die Untersuchungen
des Verfassers getragen. Er gibt im ersten Teil ein
erschütterndes Bild über die Mißachtung des kirchlichen Rechts
und seiner Grundsätze. Anfang 1934 konstituiert sich der
Pfarrernotbund und ein vorläufiger Bruderrat. Später tritt die
Rekcnntnissynode der Landeskirche Nassau-Hessen zusammen.

Ihre Beschlüsse bestimmen wesentlich den Weg der Landeskirche
und ihrer Gemeinden. Hier ist anzumerken, daß eine eingehendere
Würdigung der Entschließungen der Bekenntnissynoden
wünschenswert gewesen wäre. Die Vorschläge des Landesbruder-
rates zur kirchlichen Neuordnung in Nassau-Hessen (vgl.A.Adam,
Junge Kirche 1936, S. 794 ff.) sind nicht erwähnt.

Zum zweiten Teil der Arbeit des Verfassers können auch
nur einige Anmerkungen gemacht werden, um den rechtlichen
Gehalt der Arbeit zu charakterisieren. Es geht dem Verfasser
um die Herausarbeitung der These, daß in der Zeit des Kirchenkampfes
für alle Teile der Landeskirche „die unbestreitbare Voraussetzung
ihres Handelns die Existenz der Landeskirche Hessen-
Nassau war" (S. 87, 118 ff.). Die konstitutiven Kräfte hierfür
sieht er einmal in dem Wirken der Bekennenden Kirche und
weiterhin in der übereinstimmenden Willensbildung der Gemeinden
und in der gewohnheitsrechtlichen Durchsetzung der einheitlichen
Gestalt der Landeskirche. A. Adam hat hierzu kürzlich
ausgeführt, daß allein kraft des kirchlichen Notrechts durch die
Bekennende Kirche die einheitliche hessische Kirche begründet
würde (RGG III (1959) Sp. 297 ff.). Auch an anderer Stelle sucht
der Verfasser allgemeine Rechtsinstitute aus dem bürgerlichen
und öffentlichen Recht für die kirchenrechtliche Untersuchung
nutzbar zu machen. Dieser Auffassung soll nicht grundsätzlich
widersprochen werden; aber es erscheint hier große Behutsamkeit
am Platze, um der Eigenständigkeit des kirchlichen Rechts
gerecht werden zu können. So ist die Annahme der Bildung
eines kirchlichen Gewohnheitsrechts neben dem kirchlichen Notrecht
nicht begründet. Auch reicht die Verwendung der Lehre vom
fehlerhaften Verwaltungsakt nicht aus, um die Frage nach der
Rechtsgültigkeit der kirchlichen Verwaltungsakte in der Zeit
nach 193 3 abschließend zu beantworten. Sie sind auf ihre kirchliche
Legitimität zu prüfen. Die Problematik der Übernahme des
genannten Rechtsinstituts wird deutlich, wenn der Verfasser in
diesem Zusammenhang z. B. von „einer gerade im Kirchenrecht
besonders komplizierten Interessenabwägung" spricht (S. 171).

Die Arbeit ist im ganzen der wenig geänderte Nachdruck
der im Jahre 1947 abgeschlossenen Dissertation des Verfassers.
Es ist zu bedauern, daß der Verfasser seine Arbeit nicht im
einzelnen überarbeitet und dabei den Stand der gegenwärtigen
kirchenrechtlichen Forschung berücksichtigt hat. Das hätte
seiner Arbeit, die eine Bereicherung des kirchenrechtlichen
Schrifttums darstellt, noch mehr Gewicht gegeben. Die Arbeit
des Verfassers beweist im übrigen, daß die wissenschaftliche Behandlung
des Kirchenkampfes in den einzelnen Landeskirchen, die
bisher nur teilweise vorliegt, der Fortführung dringend bedarf.

Bielefeld Oskor K ii h n

Beckmann. Heinz: Abschied vom Abendland? (Absdiied vom
Christentum? Hamburg: Furche-Verlag 1964 S. 40—57).

N o 11 a r p, Hennann: Das Grönlandbistum Gardar (ZSvaRG 81. 1964
S. 1-77).

KmCHENGESCHWHTE.REFOliMATIONSZElT

Wünsch, Georg f: Luther und die Gegenwart. Stuttgart: Evang.
Verlagswerk [1961]. 290 S. 8°. Lw. DM 22.50.

Nach dem 1. Weltkrieg zog der 34jährige W. das theologische
Fazit mit seiner kleinen Arbeit: Der Zusammenbruch des
Luthertums als Sozialgestaltung (1921). Danach war Luthers
Lebenswerk dem modernen Menschen nicht nur der Form, sondern
auch dem Geiste nach fremd geworden: „nämlich da, wo
sein Welt- und Lebensgefühl zutage tritt
und die davon abhängige Sozialgestaltung"
CS. 8). Was vom Luthertum als Sozialgestaltung übrigblieb, sah
W. „einen hartnäckigen, aber aussichtslosen Verzweiflungskampf
gegen neuartige, sozialgestaltende Mächte" führen (ebd.). Luthers
Glaube war nach W. (19211) „ein entschiedener
Jenseitsglaube und sein Weltgefühl ein
pessimistisch-konservatives, das die Erhaltung
der sozialen Verhältnisse als gottgewollter Ordnungen in
Familie, Berufssystem und Obrigkeit verlangte: keine idealen
Ordnungen, aber das war ihm bei der Kürze der Lebensdauer