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Ausgabe:

1965

Spalte:

274-275

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Hilgert, Earle

Titel/Untertitel:

The ship related symbols in the New Testament 1965

Rezensent:

Goldammer, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 4

274

visions de Patmos" (S. 10 f.). Dann aber wird die Skepsis rationalistischer
Literarkritik scharf zurückgewiesen und am Beispiel
des Apostaten Loisy dargetan, daß diese Arbeitsweise dem Verständnis
der Apokalypse unangemessen sei (S. 13—15). Auf die
seither geleistete traditions- und religionsgeschichtliche Erforschung
der Apokalypse wird im übrigen kaum eingegangen. Der
Verfasser verfolgt vielmehr eine ebenso originelle wie eigenartige
Fragestellung. Nachdem er zunächst zu den Problemen des
Stils und der Grammatik des Sehers eine Reihe von brauchbaren
Beobachtungen vorgetragen hat, sucht er Gesetze des Aufbaus
herauszuheben, nach denen das Buch des Johannes gestaltet
sei. Zu diesem Zweck werden die Sätze des Buches in „elements
propositionels" unterteilt, wie man aus folgendem Beispiel
ersehen möchte. Der erste Satz des Buches bietet sich in der
Analyse des Verfassers folgendermaßen dar: 'AnOxdXvy/K 'Itjoov
Xqmjtqv I i}v edmxev | Grirnjj | 6 &eög det£ai I tolg dovloig
uvtov | ä öfT yereo&ai ev T&%tl | u. s. f. (Durch den Strich
ist dabei jeweils angezeigt, wo die Abteilung vom Verfasser
vorgenommen wird.) Aus den einzelnen Distichen baut sich die
Perikope auf, aus den Perikopen das ganze Buch. Nach der Zählung
des Verfassers ergibt sich dann eine kunstvoll gestaltete
Gliederung: sechs Hauptteile (Kap. 1-3; 4—7; 8—11; 12—15;
16—18; 19—22,5) zu je 10 Perikopen und je 888 „elements
propositionels". Die Zahl 888 aber ergibt den Wert für 'Jijoov?
— eine vom Seher beabsichtigte Gegenüberstellung zur Zahl 666,
die geheimnisvoll auf den Gegenspieler des Christus hinweist
(S. 37). Doch damit nicht genug, der Aufriß der Apokalypse
wird vom Verfasser so dargestellt, daß er das Bild eines lateinischen
Kreuzes ergibt (S. 38). Mit diesen Hypothesen werden an
das Wohlwollen des Lesers erhebliche Anforderungen gestellt:
er muß sich zunächst darein fügen, die Abgrenzung der 6 Hauptteile
in der vorgeschlagenen Weise anzuerkennen — gehört aber
z.B. Kap. 15 wirklich noch zu 12—14? —, sodann bereit sein, mit
dem Verfasser die Sätze in die „elements propositionels" aufzugliedern
, und schließlich die Kunst der Gematria bemühen, um
den Weg bis zum Ende zu gehen.

In den weiteren Abschnitten des Buches werden einzelne
Exegesen zu Kapiteln, die unter dogmatischen Gesichtspunkten
ausgewählt wurden, vorgetragen. Auch hier erfährt der Leser
allerlei Überraschungen. So werden in 11,8 Stephanus und der
Zebedaide Jakobus als die ersten christlichen Märtyrer wiedererkannt
(S.45); zu Kap. 12 wird bemerkt, in V. 1 sei das Gottesvolk
Israel gemeint, in V. 5 aber die Jungfrau Maria (S. 75).
Könnte man über diese Auffassungen noch diskutieren, so sicherlich
mehr über den Anspruch des Verfassers, mit Hilfe seiner
Methode die formgeschichtliche Arbeitsweise zu widerlegen. Er
möchte nämlich seine an der Apokalypse gesammelten Erfahrungen
auch auf die Erklärung der Evangelien übertragen und auf
diese Weise eine glänzende Bestätigung der Tradition gewinnen.
Die Evangelien sollen wie die Apokalypse in strophischer Gliederung
gestaltet worden sein — und zwar in folgender Reihenfolge
: 1. die mündliche Katechese des Apostels Matthäus in
aramäischer Sprache; 2. Übersetzung der aramäischen Katechese
ins Griechische ,,par Iongs distiques et pericopes de sept
distiques" (S. 13 3); 3. Markus „a compose son evangile, en
longs distiques et pericopes de douze distiques" (ebenda);
4. endgültige Rezension aller vier Evangelien um 120 n.Chr.
(vgl. S. 112 f.: 13 3). Der Verfasser ruft am Ende seines Vorwortes
aus: ..II n'y a plus d'enigme!" (S. 3). Doch mag es sein,
daß er in dieser Zuversicht mit gutem Grund doch nicht ganz so
sicher ist, wie es den Anschein haben könnte. Denn immerhin
erklärt er sich für den Fall, daß trotz aller von ihm aufgewandten
Aufmerksamkeit sich Fehler und Irrtümer in seinem Buch finden
sollten, bereit, ,,me conformer en toute humilite et en esprit de
filiale soumission, au definitif et irrecusable jugement de
l'Eglise" (S. 3).

Göttingen Eduard Lohse

Hilgert, Earle, Prof.: The Ship and related Symbols in the New
Testament. Assen: van Gorcum 1962. 158 S. gr. 8°.

Verf. arbeitet in dieser Basler theologischen Dissertation
dankenswerterweise ein Thema auf, das in den letzten fünfundzwanzig
Jahren von verschiedenen Seiten her (u.a. von H.Rahner,
S. Eitrem, E. Petersen und dem Unterzeichneten) theologisch und
religionsgeschichtlich angeschnitten worden ist. Die historischtheologische
Hauptfrage im Hintergrund war, ob das Schiff bereits
im Sprachgebrauch und in der Vorstellungswelt des NTs
„Symbol" oder „Allegorie" der Kirche gewesen sein kann.

Nach einer „Einführung" zur Frage des Symbol-Begriffes untersucht
H. im 2. Kapitel die „nicht-jüdischen Hintergründe" der religiösen
und metaphorischen Verwendung des Schiffes (in Ägypten, in der
mesopotamischen, griechischen und römischen Kunst und Literatur).
Dann wendet er sich im 3. Kapitel den „hebräischen und jüdischen
Hintergründen" zu, die uns „das Schiff als Figur im Alten Testament"
(wo nautische Symbolik" selten ist, gelegentlich aber, etwa im eschato-
logischen Zusammenhang, erscheint; p. 26 ss.) und „im jüdischen Hellenismus
" vorführen. Im letzteren wird der antike Einfluß (Lebens- und
Seelensymbol) deutlich, aber auch (p. 34 ss.) figürliche Verwendung des
Schiffes für Israel wahrscheinlich schon in der jüdischen Quelle des Test.
Napht., wobei man 6ich freilich fragen muß, ob hier nun vorwiegend
an die politische oder, wie H. annimmt (p. 38), an die religiöse Gemeinschaft
oder an beides zu denken sei. Auch in dem etwas blassen
Bild von 4. Esra 12 sieht er die jüdische Nation „porträtiert" und
schließt daraus, daß „die verschiedenen Verknüpfungen des Schiffs-
Symbols" dem Judentum zu Ende des ersten christlichen Jahrhunderts
bekannt waren (p. 39). Das 4. Kapitel faßt die Hintergründe zusammen
und betrachtet nochmals „das Schiff als Figur in der hellenistischen
Welt". Ein anschließender Exkurs läßt die Meeres-Symbolik in der vorchristlichen
Literatur Revue passieren, zurückgreifend auf die in den
letzten Jahren zu diesem Thema vorgelegten Untersuchungen. Der
zweite Teil des Werkes geht dann mit dem im 5. Kapitel behandelten
Symbol-Problem in den Evangelien zum NT über. Definitionen zu
Symbol, Mythus und Allegorie werden gegeben, die Entmythologisie-
rungs-Frage und die Grenzen der symbolischen Interpretation werden
anvisiert. Kapitel 6 untersucht die Geschichte des Seesturms und der
Besessenenheilung nach den Synoptikern. Nach Mk. spiegele die Seefahrt
Jesu mit den Jüngern den Übergang der Kirche von der Juden-
zur Heidenmission (p. 89), obwohl nicht bewiesen werden könne, daß
diese Deutung im Denken der Evangelisten vorhanden gewesen sei
(p. 90). Kapitel 7 wendet sich dem auf dem See wandelnden Jesus zu.
Audi hier wird ekklesiologisch-symbolistisch ein Hauptmotiv in der
Mission gesehen (p. 92). Das Auferstehungsmotiv spiele ebenso wie die
Eucharistie im Kontext (Speisung!) mit hinein. Im 8. Kapitel werden
die Erzählungen vom wunderbaren Fischzug (Lk. 5, Jo. 21) betrachtet,
wofür natürlich letztere Version besonders reiches Material liefert.
Kapitel 9 faßt das Vorkommen des Schiffes und maritim-nautischer
Ausdrücke in Act., den Briefen und Apc. zusammen. Auch hier bleibt
Verf. vorwiegend bei seinem symbolistischen Verständnis (p. 139 zu
Jak. 3, 4 f.: „das Ruder könnte nicht nur die Zunge, sondern auch die
Zunge der Kirche, der Lehrer, sein"l). Sein Schlußkapitel 10 faßt zusammen
und betont, daß vornehmlich die Symbolisierung der Kirche
durch das Schiff ihren vollen Ausdruck erst in der nachbiblisdien Literatur
und Kunst finde (p. 151), und daß das Schiff in dieser Deutung
im NT niemals explicite, sonder nur konkludent erwähnt werde. Die
Beziehung von individuellem und korporativem Leib, die Gedanken
der Zuflucht und Errettung, der Mission, der Sakramente und der Heilsgeschichte
scheinen ihm die ekklesiologischen Anknüpfungspunkte zu
bieten (p. 155 s.).

Die Arbeit ist umsichtig angelegt und berücksichtigt vieles.
Die Verwickeltheit des Tatbestandes, der ganz tief in das antike
Leben und Denken hineinreicht, hat freilich auch manches übergehen
lassen. Der kultischen Bedeutung des Schiffes (ähnlich der
des Wagens) ist nicht weiter gedacht; sie hätte schon für das
alte Ägypten, das der Verf. sonst so verständnisvoll in der Geschichte
dieses Symbols würdigt, erwähnt werden können und
wäre der Beweisführung des Buches nicht unnützlich gewesen. Es
ist, vorwiegend vom literarischen Gebrauch ausgehend, immer
nur von „Symbolen" und „Figuren" die Rede, und darüber kommt
das Sachlich-Antiquarische zu kurz, das schließlich allem Symbolischen
zugrunde liegt, selbst wenn seine Bedeutung zur Zeit des
NTs und in der Gedankenwelt des ATs nicht mehr entscheidend
war. Bei der Betrachtung der „Meeres-Symbolik in der vorchristlichen
Literatur" (p. 43—49) fehlt ein Hinweis auf positive kultische
und mythische Seiten vor allem in der griechisch-römischen
Antike (das Meer als gutes, schöpferisches Prinzip). Die in Betracht
zu ziehenden Arbeiten von W. Eltester zur Schöpfungs-