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Ausgabe:

1965

Spalte:

260-262

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Grundfragen der Religionswissenschaft 1965

Rezensent:

Rudolph, Kurt

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259

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 4

260

entspricht, auch sind einige Faksimileeditionen ohne irgend eine
Numerierung veröffentlicht worden, was dem Leser viel Arbeit
verursacht. Die reichlichen Anführungen aus der mandäischen
Literatur sind für das Verständnis der Entwicklung des mandäischen
Wortschatzes von allergrößter Bedeutung; dafür hat
man zu danken.

Auch mandäische Eigennamen, Personen- ebenso wie Platznamen
, sind angeführt, nicht immer jedoch die wichtigsten, da ja
beinahe alle mandäischen Wörter mit Hilfe eines -il in die
nomina propria mandäischer Geister verwandelt werden
können.

Dieses Lexikon ist auch eine Art Reallexikon geworden.
Fachausdrücke — solche, die etwas mit dem mandäischen Kult zu
tun haben — sind ziemlich ausführlich beschrieben und weithin
mit Hinweisen zur wissenschaftlichen Literatur versehen, besonders
zu Lady Drowers Arbeit The Mandaeans of Iraq and Iran
(neue Aufl. 1962), aber auch zu ihrer leider oft unbeachteten
Arbeit Water into Wine, wo bisweilen ältere Auffassungen korrigiert
werden. Linter Wörtern, die 60 erklärt sind findet man
mandalta, masiqta, sa, ba und die Termen für die liturgischen
Gewänder.

Einige Ungenauigkeiten kommen natürlich vor. Unter den Ab-
breviations ist nicht gesagt, was Wdg bedeutet. Es kommt z.. B. S. 40
asganda (Wdg iii 50) vor. Seite 468 lliha ist Wid. i 77, iii 56, v 57
angegeben, was Werke von Professor Widengren bedeuten eoll j eine
Erklärung wird jedoch nicht gegeben.

Widengrens Verzeichnis über parteiische Lehnwörter im
Mandäischen (ISK verkürzt) ist zuweilen, aber nicht konsequent
von den Herausgebern benutzt worden. Die Literatur zur Etymologie
der mand. Sprache ist so spärlich, daß es wohl gut begründet
wäre, die meisten der neueren Arbeiten anzuführen,
auch wenn der Herausgeber nicht derselben Meinung ist. Vielleicht
ist aber das Werk Widengrens von 1960 den Herausgebern
so spät zugekommen, daß sie dem Manuskript weitere Bemerkungen
nicht zufügen konnten. Wörter, die hier in Frage
kommen, sind: burzinqa, astargam, zibna S. 165 hat noch die
von Widengren als falsch bezeichnete Herleitung aus simam
(siehe ISK S. 106), pandama ISK 107 sollte vielleicht 96 f. sein.

S. 477 lauma, die syrische Form sollte vielleicht < nicht )
akk. tahumu erklärt werden.

Es ist möglich, ja es kann nicht anders sein, daß Spezialisten
hier und dort anderer Meinung sind als die Herausgeber, besonders
wohl auf dem Gebiet der Etymologien, das ja immer
voller Schwierigkeiten ist. Das bedeutet aber wenig im Vergleich
mit dem ganz enormen Werk, das Lady Drower und Professor
Macuch vollbracht haben. Lady Drower hat mit ihrer ausgezeichneten
Kenntnis der Sprache und der Literatur viel zum genauen
Verständnis der großen Anzahl schwieriger Wörter getan, Professor
Macuch mit seiner philologischen Schulung hat wahrscheinlich
zur Genauigkeit der Arbeit viel beigetragen.

Für die mandäischen Studien ist dieses Wörterbuch von
allergrößter Bedeutung. Nun erst ist es möglich, ohne besondere
„manda" die Texte zu verstehen und so die Entwicklung der
mandäischen Sprache und Literatur leichter kennenzulernen. Für
semitische Studien wird das Werk selbstverständlich eine 6ehr
große Lücke füllen, für Theologen bedeutet es viel; nicht nur
für die kleine Schar der „Mandäologen", sondern für alle, die
sich mit gnostischen Forschungen oder ßpätjüdisch-neutestament-
lichen Studien befassen.

Norberg klagt in seinem Lexidion: Quod J. Ludolpho for-
tuito, id non mihi consulto accidit. Invenit ille in Aethiopicis
magistrum domi: quem foris in Nasaraeis ego frustra quaesivi. Es
wäre unmöglich gewesen, diese Arbeit so glücklich durchzuführen
, hätte Lady Drower nicht die noch existierende Tradition so
lange Zeit studiert, neue Rollen gefunden und untersucht. Dadurch
hat sie selber so gute Informationen gewonnen, daß sie für Mandäologen
der Zukunft „magistra domi" geworden ist.

Elia de, Mircea, u. Joseph M. Kitagawa [Hrsg.]: Grundfragen
der Religionswissenschaft. Acht Studien. Salzburg: O.Müller [1963].
269 S. kl. 8° = Reihe Wort und Antwort, 32. Begegnung d. Religionen
, hrsg. v. M. Vereno. Lw. DM 17.50.

Vorliegendes Buch ist die Übersetzung von: The History of
Religions. Essays in Methodology. Edited by M. Eliade and J. M.
Kitagawa, Chicago: University Press 1959, "1962, 164 S. Die
Reihenfolge der Beiträge ist in der deutschen Ausgabe gegenüber
der amerikanischen geändert worden, ebenso trat an Stelle des
amerikanischen Vorwortes von J. C. Brauer ein deutsches von
Matth. Vereno.

Acht international anerkannte Gelehrte haben hier ihre Auffassung
zu einigen Grundproblemen der modernen Religionswissenschaft
niedergelegt. Dabei kam es offenbar bewußt nicht
auf Einheitlichkeit der Meinungen an, denn es sind recht unterschiedliche
Mitarbeiter nach Herkunft, Fachrichtung und Ansicht
(darüber informiert kurz auch der biograph. Anhang 265 ff.). So
steht neben dem protestantischen Kirchenhistoriker E. Benz
(Marburg/L.) sein katholischer Kollege J. Danielou S. J.
(Paris), neben dem evangelischen Islam- und Religionswissenschaftler
W. C. Smith (Harvard-Universität) der große katholische
Orientalist L. Massignon (t 1962); der durch seine
ökumenische Gesinnung bekannte Religionswissenschaftler
Fr. Heiler (Marburg/München) und der streng historisch eingestellte
italienische Religionsgeschiditler R. Pettazzoni
(f 1959) sind ebenso vertreten wie der rumänische Religions-
phänomenologe M. Eliade (jetzt Leiter des religionswissenschaftlichen
Zentrums an der Universität Chicago) und der
japanische Schüler J. Wachs J. M. Kitagawa (ebenfalls
Chicago). Diese Zusammenstellung spiegelt sehr gut die Vielfalt
religionswissenschaftlicher Auffassungen wider. Alle Beiträge
treffen sich jedoch in dem gemeinsamen Bemühen, die durch die
gegenwärtige Welt- und Wissenschaftssituation der Religionswissenschaft
gestellten Aufgaben und Probleme einer Lösung
näher zu führen. Diesem Bemühen sind in erster Linie die Aufsätze
von Benz, Heiler und Smith gewidmet, während die anderen
Beiträge zwar ebenfalls allgemeine Probleme berühren, aber
stärker auf Einzelfragen religionswissenschaftlicher Forschung
eingehen.

E. Benz, Vom Verstehen fremder Religionen
(11—3»; engl. 11 5—131), nimmt die Erfahrungen während seiner siebenjährigen
Lehrtätigkeit in Indien und Japan zum Ausgangspunkt von Erörterungen
, in welcher Weise vom abendländisch-christlichen Standpunkt
und Gesichtskreis die östliche Religionswelt überhaupt zu erfassen
ist und umgekehrt1. Er glaubt eine Basis des Verstehen« in der
jahrtausendealten Menschheitsgeschichte, die in jedem Menschen als
Erbe verborgen ist, gefunden zu haben, wobei er in kühner Formulierung
diese Geschichte mit Heils- (!) und Religionsgeschichte identifizieren
möchte (37 f.). — Darüber hinaus sieht F. Heiler „Die
Re1igionsgeschichte als Wegbereiterin für die
Zusammenarbeit der Religionen" (40—74; 132—160).
Die sieben Gemeinsamkeiten der Hochreligionen (51 ff.) und die letzte
Einheit aller Religionen erfordern nach ihm eine praktische Haltung: die
Kooperation der Religionen auf Weltebene zum Wohle der Menschheit
und zur Erhaltung des Weltfriedens (71). „Eine neue Ära wird in der
Menschheit anbrechen, wenn die Religionen zu wahrer Toleranz sich erheben
und in gemeinsamer Arbeit für die Menschheit sich vereinen
werden" (73). — In ähnlicher Riditung bewegt sich C. W. Smith,
Vergleichende Religionswissenschaft: wohin —
warum? (75—105; 31—58). Diese betont persönlich gehaltenen Ausführungen
sind m. E. der originellste Beitrag, wenn ich ihnen auch nur
z.T. zustimmen kann. S. fordert im Unterschied zur bisherigen (■="
ersten Phase der) Religionswissenschaft, die in der Sammlung des Materials
ihre Aufgabe sah, eine Neuorientierung von Zielsetzung und
Methode, die der persönlichen Begegnung und der Auseinandersetzung
mit den Religionen in der Gegenwart gerecht wird: er sieht sie in der
„Personalisierung" (personalization) des Forschungsgegenstandes, d. h. an
Stelle des bisherigen „es"-Objektes soll das „sie" (die Vertreter anderer
Religionen) treten, ein Dialot: zwischen „wir" und „euch", der im „wir
alle" gipfelt (79). Dazu bedarf es folgender Voraussetzungen: 1. der
Einsicht, daß das Religionsstudium ein Studium des Menschen ist (79 ff.),
2. die notwendige persönliche Haltung des Forschers, sein „Engagement''
(eine traditionelle Bindung ist kein Schade), 3. ein geistiger Aus-

Uppsala

Eric Segelberj»

') Vgl. ders. „Über die Schwierigkeiten des Verstehens fremder
Religionen" in: Geist und Werk. Zum 75. Geburtstag von D. Brody.
Zürich 1958, S. 245—266.