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Ausgabe:

1965

Spalte:

249-254

Autor/Hrsg.:

Staedtke, Joachim

Titel/Untertitel:

Das literarische Werk Heinrich Bullingers und die Vorbereitungen zu seiner Erschließung 1965

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 4

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der Zusicherung Jahwes, daß er sich nunmehr mit großem Zorn
gegen die selbstsicheren Völker wende, die dort, wo er ein
wenig gezürnt habe, zum Bösen geholfen hätten, also ihren
ursprünglichen Auftrag, Helfer bei der Weltregierung zu sein,
nicht zum Guten, sondern zum Bösen genützt, also die von
ihnen erwartete Hilfe ins Gegenteil verkehrt hätten.

Die zweite Vision deutet mit den vier Hörnern auf das
Weltreich, nicht auf irgend eines der Vergangenheit oder auf die
Reihe der Weltmächte, wie sie Daniel 2 und 7 zu finden sind,
(so Unger), sondern auf das gegenwärtig existierende persische
Weltreich; denn nicht irgend wann einmal, sondern jetzt soll die
Heilszeit anbrechen, das ist jedenfalls die Meinung Sacharjas.
Man darf an den Titel sarr kibrat irbittim denken, den schon die
Assyrerkönige und nach ihnen die Babylonier getragen hatten
und den nun auch Kyros übernommen hatte, wie sein Tonzylinder
Z. 20 zeigt: König der vier Weltgegenden, der mit dem
Titel König der Gesamtheit zur altüberlieferten Königstitulatur
des Zweistromlandes gehört. Wenn von Völkern die Rede ist,
so könnte man an die durch verschiedene Bewaffnung ausgezeichneten
Kontingente der aufmarschierenden Truppen denken,
wie sie das Relief im Assursaal des Berliner Museums zeigt,
oder auch an die Schilderung des persischen Heeres durch Hero-
dot, das ebenso die unter einen Willen gezwungene Vielfalt von
Völkern des persischen Reiches repräsentierte. Dabei käme man
in noch größere zeitliche Nähe zum Auftreten Sacharjas. Wenn
zur Niederringung der Weltmacht vier Schmiede herbeikommen,
so ist ihre Zahl natürlich durch die vier Hörner bedingt, die sie
aufschrecken, also doch wohl vernichten sollen. Ob der Prophet
hier an Repräsentanten irdischer oder himmlischer Mächte gedacht
hat, bleibt im Dunkel. Doch soviel ergibt sich mit Sicherheit
, daß erst die Niederringung des Weltreichs den Wiederaufbau
Jerusalems ermöglicht und damit die Wiederherstellung
eines Reiches unter dem Davididen Serubbabel, neben dem nun
gleichberechtigt, wohl in Weiterführung ezechielischer Gedanken
aus dem Verfassungsentwurf, der Hohepriester Josua
steht. So verkünden Haggai und Sacharja den Sturz der persischen
Weltmacht als Voraussetzung für das Wiedererstehen
eines davidischen Reiches, das sie als Ziel des Weges Gottes
mit seinem Volk ansehen. Dieser These galt die Zukunft, wie
als ausstehendes Beispiel im Alten Testament Daniel zeigt.

Wie kommt es zu dieser Wendung? Ohne Zweifel ist auch
sie die Antwort auf eine konkrete geschichtliche Situation, wie
sie auch der Verkündigung der älteren Prophetie die Aktualität
verlieh. Die Lage der Judenschaft scheint sich spätestens nach
dem Tode Kyros sehr verschlechtert zu haben. Vielleicht hatte
die allgemeine Sicherheit während Gautamas Aufstandes stark
abgenommen, vielleicht war auch die Niederschlagung des Usurpators
nicht ohne starke Eingriffe in das Leben und Vermögen
der Judenschaft bewerkstelligt worden, so daß man sich enttäuscht
von der Hoffnung abwandte, das Weltreich könnte im
Auftrag Jahwes zugunsten des Judentums handeln, vielleicht auch
nur, weil man in der Möglichkeit, den Tempel wieder zu
erbauen, einen Neuanfang sah, der der Zerstreuung ein Ende
setzen konnte, und weil in Serubbabel der Davidide bereitzustehen
schien, der als Gottesknecht aus Juda die Herrschaft antreten
konnte, der dort wieder beginnen sollte, wo die Geschichte
Judas nach Jojakins Gefangennahme (Jer. 22, 24) abbrach
und der kleine Reststaat mit Nebukadrezzars Genehmigung dem
unglücklichen Zedekia zukam, der mit seiner ganzen Familie
dem Zorn des Siegers zum Opfer fiel. Das Bild vom Siegelring,
das Jeremia für Jojakin geprägt hatte und das Sacharja nun
für Serubbabel im gegensätzlichen Sinne wiederaufnahm, könnte
diese letzte Vermutung als die richtige herausstellen, wenn nicht
die Animosität gegen die Weltmacht im ersten Nachtgesicht
Sacharjas nötigte, auch diesen Zug mit hinzuzunehmen. So darf
man vielleicht alles, den Neuanfang des Tempelbaus, das Vorhandensein
Serubbabels in leitender Stellung und die Enttäuschung
über die Haltung der Weltmacht zusammennehmen,
wenn nun die ältere Konzeption von der Weltmacht verworfen
wird und neu der Gegensatz zwischen Weltmacht und Gottes
Reich herausgearbeitet wird.

Das literarische Werk Heinrich Bullingers und die Vorbereitungen zu seiner Erschließung

Von Joachim Staedtke, Erlangen

Fritz Blanke und Leonhard von Murolt zum 65. Geburtstag

Theologen und Historiker der Universität Zürich stehen vor
der umfangreichen Aufgabe, den literarischen Nachlaß Heinrich
Bullingers wissenschaftlich zu erschließen. Der Nachfolger
Zwingiis und Vollender seines Refonnationswerkes ist die letzte
große Figur der Schweizer Reformation, deren literarisches
Lebenswerk bis heute fast unzugänglich geblieben ist. Man darf
zum Vergleich daran erinnern, daß Calvin die Gesamtausgabe
seiner Schriften und Briefe innerhalb des Corpus Reformatorum
erhielt, zu der sich noch zahlreiche Sonderausgaben gesellen, daß
die Kritische Zwingli-Ausgabe ebenfalls im Corpus Reformatorum
vor ihrem Abschluß steht, daß der Briefwechsel des St. Galler
Reformators Joachim Vadian seit Jahrzehnten veröffentlicht ist,
daß das Lebenswerk des Basler Reformators Johannes Oeko-
lampad von Ernst Staehelin erschlossen wurde, daß Traugott
Schieß vor 50 Jahren den Briefwechsel der Konstanzer Reformatoren
Ambrosius und Thomas Blarer herausgegeben hat, daß die
Edition der Korrespondenz von Calvins Nachfolger Theodor von
Beza bis zum dritten Band gediehen ist, daß auch die Schweizer
Täufer vorbildliche Ausgaben ihrer wichtigsten Schriften und
Zeugnisse erhalten. Daß eine Edition der Werke und Briefe
Heinrich Bullingers bislang wenig gefördert wurde, lag sicher
nicht an der geringen Bedeutung dieses Mannes. Vielmehr dürfte
der Hauptgrund dafür äußerlicher Natur gewesen sein. Der große
Umfang des Quellenmaterials hat seine Edition bisher aus Gründen
der Kosten selbst verhindert. Das trifft vor allem für die
Korrespondenz zu.

Der Zwingli-Verein in Zürich, der sich seit seiner Gründung
der Pflege der Schweizer Reformationsgeschichte widmet, hat jetzt
unter der Initiative seines Präsidenten Leonhard von Muralt die
Vorbereitungen zu einer Edition der Werke und Briefe Bullingers

ernsthaft in die Wege geleitet. Darüber sei hier ein erster Bericht
gegeben.

Die Bestandsaufnahme eines großen literarischen Nachlasses
ist die Bibliographie. Sie ist eine unerläßliche Voraussetzung der
Edition. Für das Werk Bullingers konnte — etwa im Gegensatz
zu Zwingli oder Calvin — weder an eine bereits vorhandene
Gesamtausgabe noch an ein zuverlässiges Verzeichnis seiner
Schriften angeknüpft werden. Das auffindbare Material des Nachlasses
wurde bibliographisch auf drei Gruppen disponiert.

Die erste Gruppe umfaßt die gedruckten Werke. Bullinger
hat zwei Jahre vor seinem Tode eine Autobibliographie seiner
gedruckten Bücher angefertigt. Das unveröffentlichte Autograph
ist in der Zentralbibliothek Zürich erhalten. Hier berichtet der
Reformator, daß er 69 verschiedene gedruckte Werke verfaßt
habe. Zum Schluß bemerkt er ausdrücklich: „Wenn irgendwelche
anderen Bücher unter meinem Namen erschienen sind, so habe
ich sie nicht herausgegeben." Trotz dieser Versicherung sind die
Angaben unvollständig. Gedruckt wurden von Bullinger bis zu
seinem Tode im Jahre 15 75 insgesamt 119 verschiedene Werke.
Weitere Schriften wurden postum herausgegeben, so daß Bullingers
Bibliographie über 130 verschiedene Titel zählt. Hierin
nicht eingeschlossen sind kleinere Arbeiten, die es nicht auf den
LImfang eines Buches bringen. Ausgangspunkt für die bibliographische
Erfassung des gedruckten Schrifttums waren die Bestände
der Zentralbibliothek in Zürich, die mit über 450 Druckwerken
etwa die Hälfte des Gesamtbestandes in Besitz hat. Denn
natürlich werden auch die weiteren Auflagen und Übersetzungen
einbezogen. Die Gesamtbibliographie wird sich auf etwa 900
Titel belaufen. Zur Feststellung der übrigen Standorte wurde
eine ausgedehnte Suchaktion an den 300 wichtigsten Bibliotheken