Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1965

Spalte:

224-225

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Stadtland-Neumann, Hiltrud

Titel/Untertitel:

Evangelische Radikalismen in der Sicht Calvins 1965

Rezensent:

Neumann, Hiltrud

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

223

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 3

224

Coiner Harry: Divorce and Remarriage (Concordia Theological
Monthly 34, 1963 S. 541—554).

D a n t i n e, Wilhelm: Abhandlungen zum sogenannten „neuen Protestantenpatent
" der Evangelischen Kirche in Österreich (ZevKR 10,
1964 S. 225—248).

Frank, Johann: Geschichte und neuere Entwicklung des Rechts der
kirchlichen Beamten (ZevKR 10, 1964 S. 264—302).

H a r 1 i n g, Otto von: Kirchliches Beamtenrecht im sozialen Rechtsstaat
(ZevKR 10, 1964 S. 302—314).

Hennig, Martin: Zum Pfarrergesetz der Vereinigten Evang.-Luth.
Kirche in Deutschland (DtPfrBl 64, 1964 S. 346-348).

Huizing, Petrus: Actus excludens substantiale matrimonii. Crisis
doctrinae et Codicis (Pars 1) (Gregorianum 45, 1964 S. 501—535).

Panzer Karl: Welche Forderungen haben wir Katholiken an die bevorstehende
Strafrechtsreform zu stellen? (ThGl 54, 1964 S. 271
—285).

Schönherr, Albrecht: Kirchenzucht und kirchliches Ordnungshandeln

(ZdZ 18, 1964 S. 264 f.).
Smend, Rudolf: Zur neueren Bedeutungsgeschichte der evangelischen

Synode (ZevKR 10, 1964 S. 248—264).
Sprengler-Ruppenthal, Anneliese: Zur reformatorischen

Kirchenrechtsbildung in Ostfriesland (ZevKR 10, 1964 S. 314—367).

Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

Bö eher, Otto: Der johanneische Dualismus im Zusammenhang des
nachbiblischen Judentums. Diss. Mainz 1963. 217 S.

Die vorliegende Abhandlung untersucht die dualistische Denkstruktur
des Johannesevangeliums und der drei Johanneischen Briefe.
Im ständigen Vergleich mit der nachkanonischen jüdischen Literatur,
«peziell den Testamenten der XII Patriarchen und den Qumrantexten,
wird der enge Zusammenhang der johanneischen Vorstellungswelt mit
den literarischen Zeugnissen des apokalyptischen und häretischen Judentums
aufgezeigt. Dabei ergibt sich, daß die dualistischen Polaritäten
bei Johannes ihre Parallelen sehr viel mehr im apokalyptisch-jüdischen
als im hellenistisch-gnostischen Bereich besitzen.

Vielfach stammt das Material der Dualismen aus dem Alten
Testament; seine Weiterbildung im Sinne dualistischer Begrifflichkeit
erfährt es durch das Zusammentreffen der biblisch-jüdischen Frömmigkeit
mit dem chaldäisch-iranischen Synkretismus. Die so entstehende
apokalyptisch ausgerichtete jüdische Gemeindeliteratur mit ihrem ethischen
Dualismus ist der Wurzelboden des Evangeliums und der Briefe
des Johannes. Die Gemeinsamkeiten des johanneischen Denkens mit
diesem Wurzelboden werden aufgezeigt, um von ihnen das Neue und
spezifisch Christliche abheben zu können.

Dazu erfolgt im ersten Hauptteil der Arbeit (S. 11—60) ein
systematischer Überblick über die kosmologischen, theologischen,
satanologischen, angelologischen, dämonologischen, anthropologischen
und soteriologischen Vorstellungen der behandelten Texte (AT —
Testt. XII und Verwandtes — Qumran — Johannes). Bereits in diesem
Zusammenhang wird immer wieder nach der dualistischen Struktur
gefragt.

Der zweite Teil der Abhandlung (S. 61—123) entfaltet dann ausführlich
den durchgehenden Dualismus sowohl für den Mikrokosmos
des Menschenherzens als auch für den Makrokosmos der Welt. Hier
werden die grundlegenden Komplexe der zwei Menschheitsklassen,
der zwei Geister, der zwei Wege, von Licht und Finsternis, von
Leben und Tod, von Urständ und Endzeit behandelt. Hierher gehören
auch die Gegensatzpaare Unwissenheit-Erkenntnis, Torheit-Weisheit,
Lüge-Wahrheit und Heuchelei-Einfalt.

Schließlich stellt der dritte und letzte Hauptteil (S. 124—162)
die starke Verflochtenheit des ethischen Dualismus mit der Gemeinde
und ihren Ansprüchen heraus. Sowohl für das nachbiblische Judentum
als auch vor allem für Johannes ergeben sich neue Aspekte für das
Selbstverständnis der Gemeinden, für ihre Eschatologie und ihre Ethik.
Gerade die Frage der Abgrenzung nach draußen (Liebe und Haß;
Prädestination) kann für die johanneische „Ekklesiologie" nur im
Zusammenhang mit ähnlichen jüdischen Gemeindebildungen (Qumran!)
behandelt werden.

Thema und Anlage der Abhandlung bedingen die Verarbeitung
zahlreicher Belege aus dem Alten Testament, der nachbiblisch-jüdischen
Literatur (vor allem den Testt. XII und Qumran) und dem Neuen
Testament; um die Lesbarkeit nicht über Gebühr zu beeinträchtigen,
wurde der größte Teil des Stellenmaterials in die Anmerkungen (S.
176—217) verwiesen.

Der Sammlung und Ordnung dieser für das Verständnis des
johanneischen Denkens wichtigen Vergleichsbeispiele wurde besondere
Aufmerksamkeit gewidmet. Es kann nicht Aufgabe einer Dissertation
sein, von hier aus die gesamte Theologie des Johannes neu darzustellen
. Der Verfasser hofft jedoch, an entscheidenden Punkten deutlich
gemacht zu haben, daß die künftige Johannesforschung mehr als
vielfach die bisherige nach den jüdischen Wurzeln des vierten
Evangelisten wird fragen müssen; dazu wollen die gesammelten Belege
eine Ausgangsbasis liefern. Vieles, was bisher an jüngerem religionsgeschichtlichem
Material zur Herleitung und Erklärung des Johannes
herangezogen wurde, verliert dadurch seine Relevanz.

Holze, Henry: Kirche und Mission bei Ludwig Adolf Petri. Ein Beitrag
zum Missionsgespräch des 19. Jahrhunderts. Diss. Göttingen 1964.
288 S.

Im Mittelpunkt der Dissertation steht die 1841 erschienene Schrift
des hannoverschen Pastoren L. A. Petri, eines der führenden Männer des
Neuluthertums des 19. Jhdt.s in Norddeutschland. Auf dem Hintergrund
der damaligen Missionslage mit ihren zur Union drängenden erweck-
lichen und zur Konfession neigenden kirchlichen Tendenzen und
nach einer Darstellung der Entstehungsmotive und der Struktur der
1836 gegründeten konfessionell ungebundenen Norddeutschen Missionsgesellschaft
und kirchlich gebundenen Dresdner Gesellschaft werden Entstehung
und Inhalt der Missionsschrift Petris untersucht. Ihre Bedeutung
wird darin gesehen, daß Petri zu einem Zeitpunkt, an dem die deutsche
evangelische Missionsbewegung die Frage nach ihrem Verhältnis zur
Kirche nicht mehr unbeantwortet lassen konnte und an dem die Kirche
die Frage nach ihrem eigenen Selbstverständnis neu stellte, das Gespräch
zwischen Kirche und Mission auf die theologische Frage nach der Kirche
konzentrierte und hieraus eine Antwort auf die von Kirche und Mission
in gleicher Weise gestellten Fragen gab. Für Petri gehört Mission zum
Wesen der Kirche. Mission ist nichts anderes „als die Kirche selbst
in ihrer Missionstätigkeit", weil Christus „nicht eine Kirche und eine
Mission, sondern eine missionierende Kirche" gewollt hat. Es ist ein
besonderes Problem, daß Petri hierbei immer an die Kirche in ihrer
konfessionellen Gestalt gedacht hat. Die an Petris Schrift sich anschließende
literarische Debatte, besonders in den Zeitschriften des damaligen
Protestantismus und im Schrifttum der Missionsgesellschaften, bei der es
vor allem um die Frage nach der Kirche, der Bedeutung des Bekenntnisses
und der Möglichkeit der Union ging, wird ausführlich untersucht.
Ein eigenes Kapitel ist Petris Verhältnis zu der aus einer kirchlichen
Erweckung kommenden Hermannsburger Mission und L. Harms Wunsch
auf Einordnung seines Missionswerkes in die hannoversche Landeskirche
gewidmet. In diesem Zusammenhang legte Petri 1851 das Programm
einer praktischen Zuordnung der Mission zur Kirche vor, bei dem es
ihm um den Aufbau der Missionsarbeit von der Gemeinde her, um Zusammenfassung
der Mission und ihre Einordnung in die Landeskirche,
vor allem auch um die Ordnung des Verhältnisses der Hermannsburger
zur Leipziger Mission ging, die er zu Missionsanstalten aller lutherischen
Lindeskirchen machen wollte, damit in der gemeinsamen Missionsarbeit
die getrennten lutherischen Landeskirchen zu einer lutherischen Gesamtkirche
zusammenwachsen könnten. Am Schluß der Arbeit wird die Fortwirkung
von Petris Gedanken und Vorschlägen und ihre Bedeutung für
das heutige Gespräch um Kirche und Mission und die Integration der
Mission in die Kirche dargestellt.

Neu mann, Hiltrud: Reformatorischer Radikalismus. Calvins Verständnis
der Bergpredigt und der Aussendungsrede (Mt 10). Diss.
Göttingen 1963. IX 152 S.

Die Geschichte der Auslegung der Bergpredigt (BP) liegt vor uns
als die Geschichte ihres Mißverständnisses. Als Beitrag zu einer nüchternen
Sicht der Reformatoren muß festgehalten werden, daß auch sie nur
eine der vielen Stationen auf dem Weg des Mißverständnisses sind.
Warum sieht Calvin, um dessen Auslegung es hier allein geht, nicht
das berechtigte Anliegen der Täufer, die sich als Korrektiv gegenüber
den Reformatoren aufstellen und die ihnen die Frage nach der
Forderung Jesu aufgeben, der sie sich gerade mit Hilfe ihrer Theologie
zu entziehen wissen? Warum weiß sich Calvin um jeden Preis aufgerufen
, gegen die zu kämpfen, die sich ebenso wie er auf die Bibel
stützen und die die BP in den Mittelpunkt ihres Denkens und Handelns
stellen? Warum wird Calvin, der zu Recht als meisterlicher Exeget gilt,
mit den Einwänden der Radikalen allzu schnell fertig? Calvin tritt im
Kampf gegen die Täufer nicht als der Feind des Friedens auf, sondern
als der jeglicher Programmatik. Aber er kommt nicht los von denen,