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Ausgabe:

1965

Spalte:

221-222

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Fries, Bruno

Titel/Untertitel:

Forum in der Rechtssprache 1965

Rezensent:

Liermann, Hans

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221

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 3

222

KIRCHENRECHT

Fries, Bruno: Forum in der Reditssprache. München: Hueber 1963.
XXIII, 242 S. gr. 8° = Münchener Theologische Studien, hrsg. v.
J. Pascher, K. Mörsdorf, H. Tüchle. III. Kanonist. Abt., 17. Bd.
DM 20.-.

Die gründliche juristisch-theologische und zugleich philologische
Abhandlung untersucht die Bedeutung des Wortes „forum"
zunächst im römischen Recht. Auf dieser Grundlage wird nach der
Aufnahme des Wortes in die Fachsprache der mittelalterlichen
Kanonisten und Theologen das weitere Schicksal von „forum" in
Recht und Theologie der katholischen Kirche bis hin zu seiner
Anwendung im Codex juris canonici verfolgt. Dabei zeigt sich
eine vielfache Wandlung des Begriffes im engen Zusammenhang
mit der geistesgeschichtlichen Entwicklung.

Forum hat ursprünglich die Bedeutung von „Zaun". Von
dort aus wird es als „umgrenzter Raum", als „Markt", verstanden
. Da auf dem Markt die Gerichtsverhandlungen stattfanden,
bekam es bald die Bedeutung von „Gerichtsstätte". Hier beginnt
dann die Geschichte des juristischen terminus tedhnicus. Es ist
eine Entwicklung „vom Raum zum Recht". Von der Gerichtsstätte
her bekam forum die Bedeutung von „Gerichtsstand" und
..Zuständigkeit" für die Entscheidung eines Rechtsfalles.

In der Völkerwanderung ist eine Fortentwicklung des forum-
Begriffes nicht festzustellen. Für das Personalitätsprinzip des
germanischen Rechts, das jeden nicht nach Ortsrecht, sondern
nach dem Recht seiner Abstammung beurteilte, war die örtliche
Zuständigkeit ohne Bedeutung.

Eine Wandlung trat mit der Wiedererweckung des römischen
Rechts seit dem 11. Jahrhundert ein. Die römisch-rechtlich geschulten
Juristen (Legisten) bildeten den Begriff weiter. Von
ihnen übernahmen ihn im 12. Jahrhundert die Kanonisten und
Theologen des hohen Mittelalters. Sie begründeten aus l.Kor.
6, 1—8 ein Privilegium fori, einen ausschließlich kirchlichen Gerichtsstand
, für die Kleriker. Dieser kirchliche Gerichtsstand wurde
ständig erweitert und führte infolge des dauernden Machtzuwachses
der Kirche zu dem Grundsatz „ecclesia est forum om-
nium de suo patrimonio".

Damit war zugleich der Gegensatz zwischen kirchlicher und
staatlicher Gerichtsbarkeit „forum ecclesiasticum" und „forum
6aeculare" entstanden. Da das forum ecclesiasticum jedoch nicht
allein die Zuständigkeit, sondern auch die Gerichtsgewalt der
Kirche ausdrückte, bekam es weiterhin den Sinngehalt von „juris-
dictio" und diente so dem Ausbau der hochmittelalterlichen
Kirchengewalt.

Von hier aus setzt nun eine nicht nur juristisch, sondern
auch theologisch bedeutsame Weiterbildung ein. Man unterscheidet
beim forum ecclesiasticum zwischen den rein juristischen
Verfahren, die irgendwelche Rechtsfragen des äußeren kirchlichen
Lebens zum Gegenstand haben (forum externum) und dem
mit dem Bußsakrament im Zusammenhang stehenden Verfahren
(forum poenitentiale). Beim forum poenitentiale unterscheiden
die Theologen dann noch zwischen dem Bußverfahren der Kirche
und der Vergebung der Sünde durch Gott (archanum propitia-
tionis Dei), so daß dem kirchlichen forum poenitentiale ein gedachtes
„forum Dei" gegenübersteht.

Den Schlußstein der Entwicklung setzt schließlich Thomas
von Aquino. Zu seiner Zeit verschwand die öffentliche Buße aus
dem kirchlichen Leben. So spricht er von forum conscientiale und
forum exterius, woraus dann späterhin die heutigen termini
..forum internum" und „forum externum" entstanden sind.

Die Abhandlung verfolgt dann das Schicksal dieser beiden
Begriffe weiter, ihre verhältnismäßige späte Aufnahme aus der
theologischen und kanonistischen Literatur in die Sprache der
kirchlichen Gesetzgebung, die erst in der Neuzeit erfolgte, ihre
Bedeutung für das kirchliche Eherecht und schließlich ihre Verwendung
im Codex juris canonici von 1917.

Für den evangelischen Theologen ist das Ergebnis der Abhandlung
vor allem auch deswegen von Interesse, weil der Begriff
..forum" auch beim Bußsakrament bewußt eine völlige Spirituali-
sierung verhindert und immer noch einen Restbestand von rechtlichem
Gehalt aufweist. Man kann dabei die Frage aufwerfen,

inwieweit der Satz in der lutherischen Abendmahlsliturgie: „Und
ich als ein berufener Diener der Kirche verkündige Euch
den Nachlaß aller Eurer Sünden" diese völlige Spiritualisierung
darstellt und allein den Hinweis auf das archanum propitiationis
Dei enthält.

Erlangen Hans Li e rraa n n

Wolf, Erik, Prof. D. Dr.: Das Problem der Naturreditslehre. Versuch

einer Orientierung. 3., durchgearb. u. erweit. Aufl. Karlsruhe: C. F.
Müller 1964. XV, 219 S. gr. 8° = Freiburger Rechts- und Staats-
wissenschaftl. Abhandlungen, hrsg. von der rechts- und staatswiss.
Fakultät d. Universität Freiburg/Br., Bd. 2. Kart. DM 28.90.

Was im Jahre 1960 von der 2. Auflage des Naturrechts-
Buches von Erik Wolf gesagt werden konnte, kann mit noch
größerem Recht auch von der 3. Auflage gelten: die Schrift hat
gegenüber der letzten Auflage noch erheblich gewonnen, nicht
nur an Umfang — sie ist von 173 Seiten auf 219 angewachsen —,
sondern auch weiterschreitendem Durchdenken der Probleme. So
sind aus den ursprünglich 9 Thesen über die Abhängigkeit des
Naturrechtsgedankens vom Begriff der Natur 12 geworden und
aus den 9 Thesen über die Abhängigkeit der Naturrechtsgedankens
vom Begriff des Rechts 10 Thesen. Die 1. These versteht
Natur in stärkerer Differenzierung als bisher: als Inkommensu-
rabilität, Inkompatibilität und Inkomparabilität des Seienden,
während früher nur von „Individualität" die Rede war. Ebenfalls
ist These 2 stärker differenziert worden (statt „Originalität" nun
noch Historizität und Organität), wobei hier zwei recht verschiedene
und m. E. nicht zusammengehörende Strukturen unter dem
Begriff der Entwicklung zusammengefaßt wurden: die mythologische
Rechtsstiftung und die soziologische Rechtsentwicklung.
Es wäre richtiger gewesen, die mythologische Stufe der Stufe der
Integrität (These 3) zuzuordnen, wo in der Tat ähnliches Material
angeführt wird wie in Th. 2. Fraglich ist außerdem, ob es
sachgemäß ist, das Historische so dem Naturbegriff zu subsumieren
, wie es auf S. 39 f. geschehen ist. Verschwindet dann
nicht der spezifische Unterschied, der doch zwischen Natur und
Geschichte besteht? Neu ist weiter These 4, wo Natur als Instinktivität
und Intuivität verstanden wird. Hier wäre zu fragen,
ob beide Begriffe so zusammengeschaut werden dürfen, wie es
hier geschehen ist. In Th. 6 und 7 wird Natur verstanden als
Finalität und Rationalität, woraus sich dann Naturrecht als
Sollensgesetzlichkeit ergibt. Hier wäre wieder zu fragen, ob
nicht die Differenzierung zu weit getrieben ist, denn worin
liegt noch der spezifische Unterschied zwischen Sollensgesetz
(Th. 6) und Idealrecht (Th. 8)? Wesentlich bereichert wurde auch
das Kapitel über die christliche Naturrechtsauffassung, wobei als
Zielbegriff neu eingeführt wurde der von E. Wolf selbst geprägte
Begriff des Nächstenrechts als Summe des biblischen
Rechtsgedankens. Nicht einig bin ich mit der Vermischung
völlig verschiedener Gedankenreihen in These 12; hier werden
die Kategorien der Momentaneität und der Spontaneität mit der
Forderung eines revolutionären Naturrechts in Zusammenhang
gebracht. Situatives Handeln aber ist grundsätzlich unsystemati-
sierbar, zielt daher auch nicht auf ein revolutionäres Naturrecht
; ein solches hat als Leitbild ein eschatologisches „richtiges"
Recht oder ein am Ursprung orientiertes Ur-recht. Die in der
3. Auflage gepflegte Differenzierung führt auch zu Verdoppelungen
. So erscheinen die Menschenrechte sowohl als Folge des
Rechts als subjektiver Ordnung wie als humanitärer Ordnung.

Angesichts dieser Entdeckungen fragt es sich, ob diese weitgetriebene
Differenzierung noch sinnvoll ist und wirklich neue
Erkenntnisse zutage fördert. Zu den Entdeckungen des Rezensenten
gehört auch die Richtigstellung eines Lapsus im III. Kapitel
, 3. These (S. X): das ethische Naturrecht fragt nicht nach dem
„wirklichen", sondern nach dem „richtigen" Recht. So stand es
jedenfalls in der 2. Auflage „richtiger" zu lesen. Trotz dieser
kritischen Bemerkungen bleibt der Wert des Buches ungeschmälert
.

Tübingen Heinz-Horst S c h r e y

B e u m e r, Johannes: Die universelle Jurisdiction des Bischofskollegiums
nach der Theorie des Exjesuiten Gianvincenzo Bolgeni (1789)
(Schol. 39, 1964 S. 233—238).