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1965

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 3

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Insbesondere hat S. für den Ausgangspunkt von „Cur Deus
Homo" über das Anrecht des Teufels auf den Menschen eine
wichtige Entdeckung gemacht (siehe besonders App. I, S. 357
—361). J. Riviere (Rev. des Sciences Religieuses XI [1936],
344—346) fand bei Radulf von Laon eine Entlehnung aus „Cur
Deus Homo", während umgekehrt S. die Entlehnung Anselm zuschreibt
. Die Gegenüberstellung der Texte und die Tatsache, daß
Radulf nicht die Ansicht Anselms teilt, überzeugt uns von der
These S.s. Das ist natürlich geeignet, die Herkunft der Problemstellung
eines Teils von „Cur Deus Homo" wie auch Anselms
Beziehungen zur Schule von Laon zu erhellen. — Noch sei uns
eine Anmerkung zu S. 125 ff. gestattet. Der Brief „De motione
altaris" (Epist. III, 159), der dort behandelt wird, ist unecht.
(Siehe meine Abhandlung „Die echten und unechten Stücke der
Korrespondenz des hl. Anselm v. C", Rev. Benedictine 65
[1955] 218-227.)

Im zweiten Teil wird uns Anselms Biograph, Freund und
ständiger Begleiter des Erzbischofs während der beiden Verbannungen
, vorgeführt. Ihm gilt des Verf.s Aufmerksamkeit und
Vorliebe seit langem. Dem großen spekulativen Genius Anselm
an Bedeutung nicht ebenbürtig, war er dafür ein guter Beobachter
(observer), was ihn zum Historiker und Biographen befähigte
. Als Anglosachse beschäftigte er sich gern mit der vornormannischen
Geschichte in England. Seine Liebe galt den
Usanzen und den Reliquien. Seine „Historia Novorum" und vor
allem seine „Vita Anselmi" (die S. mit englischer Übersetzung
1962 im Nelson-Verlag neu herausgab) werden eingehender behandelt
. Diese beiden Schriften sind für Anselms Zeit fast die
alleinige Quelle. Linter seinen übrigen Schriften sind Biographien
von Heiligen, besonders von Erzbischöfen von Canter-
bury sowie asketische Werke zu nennen, unter denen „De con-
ceptione sanctae Mariae" — allerdings unter dem Namen Anselms
eine unerwartete Berühmtheit erlangen sollte, da sie die erste
Abhandlung über die Unbefleckte Empfängnis war. (Hier wäre
G. Geenen, „Eadmer, le premier theologien de l'Immaculee
Conception", Virgo Immaculata V [R 1955] 90—136, zu berücksichtigen
gewesen.) Verbreitung fand auch der Sermo „De
beatitudine caelestis patriae", der auf Anselms Vortrag zu Cluny
und anderswo zurückgeht.

S. stellt Eadmer als Glied der Kommunität von Christ
Church dar. In einem längeren Kapitel über diese bespricht er
ihre Geschichte von der angelsächsischen Zeit an bis Anselm;
ihren wachsenden Wohlstand; ihre Bautätigkeit an der Kathedrale
in dieser Zeit; ihre Bibliothek und ihre geistige Tätigkeit,
die sich vor Anselm in den üblichen Schranken bewegte, doch
bemerkenswerte Leistungen in ihrem phantasievollen Buchschmuck
hervorbrachte.

Ein vielfältiger Stoff in glänzender Darstellungsgabe wurde in
dem Buch bewältigt. Ein guter Index beschließt das bedeutende Werk.

Bad Wimpfen Franciscus Salesius Schmilt O.S. B.

Arbesmann, Rudolph: Der Augustinereremitenorden und der Beginn
der humnnistisdien Bewegung (Augustiniana 14, 1964 S. 250
—314).

Backes, Ignaz: Die Gnadenlehre bei Nikolaus Cusanus. Eine Skizze
(TThZ 73, 1964 S. 211—220).

Bergenthal, Ferdinand: Die fünf Wege des Aquinaten und das
Wesensgesetz der Sophia (ThGl 54, 1964 S. 285—297).

Elze, Martin: Ein Beitrag Michael Biels zur spätmittelalterlichen Erbauungsliteratur
(ZKG 74, 1963 S. 265—281).

Gründel, Johannes: Hugo von St. Cher O. P. und die älteste Fassung
seines Sentenzenkommentars (Schol. 39, 1964 S. 391—401).

H e i s i g, Karl: Eine gnostische Sekte im abendländischen Mittelalter
(ZRGG 16, 1964 S. 271—274).

Hödl, Ludwig: Neue Nachrichten über die Pariser Verurteilungen der
thomasischen Formlehre (Schol. 39, 1964 S. 178—196).

Javorka, J.: Amor a Dios sobre todas las cosas y amor si mismo,
segun Santo Tomas (Cicncia y Fe 19, 1963 S. 283—327).

Johannes vom Kreuz: Das Lied der Liebe. Übertragen von I. Behn.
Einsiedeln: Johannes Verlag [1963]. 245 S. 8° = Lectio Spiritualis,
6: Johannes vom Kreuz, Sämtliche Werke, 3. Bd. Lw. DM 17.—.

K ö I m c 1, Wilhelm: Paupcrtas und potestas. Kirche und Welt in der
Sicht des Alvarus Pelagius (FS 46, 1964 S. 57—101).

K o u d e 1 k a, Wladimir: Eine neue Quelle zur Generalsynode von
Sicna 1423—1424 (ZKG 74, 1963 S. 244—264).

Literatur über nonkonformistische sozialreligiöse Bewegungen des
späten Mittelalters (bes. Täufertum). Hrsg.: Universitätsbibliothek
Berlin (Bulletin wichtiger Literaturzusammenstellungen, Leipzig Jg. 4,
1964 H. 6).

M o 1 n ä r, Amadeo: Elementi ecclesiologici della prima Riforma

(Protestantesimo 19, 1964 S. 65—77).
— Did Iro-Scottish Monks Introduce Christianity into Czechoslovakia?

(AThR 46, 1964 S. 95—97).
Pinborg, Jan: Eine neue sprachlogische Schrift des Simon de Dacia

(Schol. 39, 1964 S. 220—232).
Riedinger: Utto: Die Verfasser der pseudo-dionysischen Schriften

(ZKG 75, 1964 S. 146-152).
Riedl, Johannes: Das Heil der Nichtevangelisierten nach Bonaventura

(ThQ 144, 1964 S. 276—289).
Rief, Josef: Die moraltheologische Konzeption in den Sentenzen des

Petrus Lombardus (ThQ 144, 1964 S. 290—315).
Rosenhauer, Gerhardt: Beiträge zur Verbesserung der in den Scrip-

tores rerum Lusaticarum abgedruckten Quellentexte des ehemaligen

Franziskanerklosters in Görlitz (FS 46, 1964 S. 136—142).
Siewerth, Gustav: Die christliche Erbsündelehre, entwickelt auf

Grund der Theologie des Heiligen Thomas von Aquin. Einsiedeln:

Johannes Verlag [1964]. 89 S., 1 Porträt. 8° = Christ heute, 5. Reihe,

4. Bd. Kart. DM 4.80.
Vries, Josef de: Das „esse commune" bei Thomas von Aquin (Schol.

39, 1964 S. 163—177).

CHIUSTLICHE ARCHÄOLOGIE
UND GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Hinz, Paulus: Gegenwärtige Vergangenheit. Dom und Domschatz zu
Halberstadt. 2., durchges. u. verbess. Aufl.1. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1963]. 240 S. m. zahlr. Abb. gr. 8°. Lw. MDN 18.50.

Die Tragödie der noch kurz vor Kriegsende zerstörten
deutschen Städte und Dome — in Halberstadt zerstörte der
Bombenangriff vom 8. April 1945 fast die ganze Innenstadt —
hatte die unbeabsichtigte Folge, daß die verantwortungsbewußten
Menschen in Staat und Kirche, in Denkmalpflege und ausübender
Baukunst sich fanden im gemeinsamen Bestreben, die so schwer
angeschlagenen herrlichen Baudenkmäler unserer Vergangenheit
zu sichern und zu restaurieren, zu neuem gegenwärtigem Gebrauch
. Nötige Fundamentierungen führten zu Grabungen und
Klärungen der Baugeschichte, zu intensiven Forschungen. Auch
ergab sich die Möglichkeit zu fotographischen Neuaufnahmen
der Skulpturen, Glasfenster und aller Kunstgegenstände, die
man im Kriege weithin sicherzustellen gesucht hatte. All dies
ist nun auch der literarischen Bearbeitung des Halberstädter
Domes und seines Domschatzes zugute gekommen, die Paulus
Hinz in einem mit Anschauungsmaterial reich ausgestatteten
Buch vorlegt.

Zunächst wird die etwa 250jährige Baugeschichte des Domes
gegeben, der um 1240 den alten ottonischen, mehrfach schon
restaurierten Dom zu ersetzen begann. 1491 war die letzte
Weihe, aber ein selten einheitlicher Bau der deutschen Gotik
war vollendet. Mit großer Sachkenntnis ist zu allen Baufragen
der geschichtlichen Folge der Bauabschnitte und seiner Beziehungen
zu den Bauformen der französischen und deutschen Dome
Stellung genommen, wenn auch letzte Klarheit hier erst durch
weitere Grabungen zu erreichen sein wird.

In einem zweiten Teil kommt der reiche Skulpturenschmuck
des Inneren zu Wort, z. T. in neuer Sicht nach den vorbildlichen
Restaurierungsarbeiten der Denkmalpflege. Am berühmtesten ist
vielleicht der im dritten Abschnitt beschriebene Domschatz, nach
Dehio „die größte Sammlung, die sich irgendwo bei einer Kirche
erhalten hat". 1936 war er unter Mitwirkung der Denkmalpflege
von Dr. Erich Meyer in vorbildlicher Weise neu aufgestellt und
dann durch Auslagerung vor der Zerstörung im letzten Krieg
gerettet worden. Nun haben die berühmten romanischen Wandteppiche
, die liturgischen Gewänder und Gefäße, die mit
Miniaturmalereien geschmückten Handschriften aufs neue eine
würdige Aufstellung gefunden. Verf. gibt eine nun allen erreichbare
, ausführliche Geschichte auch dieses Domschatzes und

') Soeben erscheint die 3. Auflage, die in einem Nachtrag auf inzwischen
bekannt gewordene Auswertungen der Grabungen sowie auf
neuere Literatur hierzu hinweist.