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Ausgabe:

1965

Spalte:

198-199

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Meister Eckharts Traktate 1965

Rezensent:

Schmidt, Kurt Dietrich

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197

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 3

198

erkennung zuteil wurde, im übrigen aber dem Autor in der
oben erwähnten Kritik vorgeworfen hat, er nehme nicht die
neueren Forschungen zur Christologie der Antiochener, vor allem
zu Theodor von Mopseustia (Devresse) zur Kenntnis und die
darauf basierende Unterscheidung zwischen Chalkedonismus (vgl.
den gleichlautenden Beitrag von Chr. Moeller, in: Das Konzil
von Chalkedon l, Würzburg 1951, 644 ff), werden attackiert.
Das Fatale bei dieser Verfahrensweise ist, daß sie mit offenem
Visier nur auf dem Felde wissenschaftlich-historischer Argumentation
kämpft, die an Hand der Quellen dem Gegner Fehlinterpretationen
nachzuweisen sucht. Hier wirkt D. in manchen Gegenargumenten
sogar überzeugend. Weniger hingegen, wo er ohne
direkte Bezugnahme allgemeine Richtsätze aufstellt, deren dogmatischer
Gehalt für einen Katholiken, der historisch anders denkt als
der Autor, Verdammungssätzen gleichkommt. So wird die Frage,
in wie weit die Anathematismen Cyrills später von Roms
Päpsten anerkannt wurden oder nicht, der Direktive unterworfen
: „Mais pour rester en communion avec Rome, il fallait
condamner ce que Rome condamnait" (13 5). Nachdem in ungebrochener
Kontinuität Rom die Orthodoxie Cyrills von
Alexandrien bestätigt hat, ist es in den Augen D.'s gleichbedeutend
mit einer Anklage „notorischer Häresie der Kirche", wenn
man den alexandrinischen Bischof eines verkappten Apollinarismus
zeiht (207). Das zielt in diesem Fall eindeutig gegen
Galtier (209) und klagt darin den katholischen Historiker der
Heterodoxie an! Bleibt dem Profanhistoriker eigentlich nur die
Möglichkeit der Konversion, so ihm nur die des Revozierens.

Das alles wäre sehr bedrängend, wenn nicht der Autor mit
seiner Position innerhalb der katholischen Erforschung der
Kirchenväter ein Alleingänger ist. Will man aus dem negativen
Eindruck, den die Lektüre hinterläßt, etwas Positives lernen, dann
wird man diese Aufsatzsammlung als ein Beispiel dafür anführen
müssen, wie wenig zweckmäßig es für die Forschungsdebatte
ist, posthum die „Orthodoxie" eines Kirchenvaters zu rehabilitieren
: die Reaktion eines Diepen auf solche Versuche lehrt, wie
wenig fruchtbar solche Debatten sind.

Güttingen CarlAndresen

Guillaumont, Antonie: Les „Kephalaia Gnostica" d'fcvagrc Ie
pontique et l'histoire de l'origenistnc chez les grecs et chez les
Syriens. Paris: Ed. du Seuil [1962]. 366 S. 8° = Patristica Sorbo-
nensia, 5.

Evagrius Ponticus (346—400) ist der erste Mönch gewesen,
der sich als Schriftsteller betätigt hat. Er ist der Schöpfer der
literarischen Form der Zenturie (syr. Mätä), einer jeweils hundert
Sentenzen umfassenden Serie von Weisheitssprüchen. Diese Form
ist nach ihm von vielen griechischen Theologen, z. B. von
Maximus Confessor und von Symeon dem Neuen Theologen benutzt
worden. In diesen Sprüchen, die aus der mündlich überlieferten
Spruchweisheit der ägyptischen Mönchsväter hervorgegangen
sind, spricht Evagrius seine mystischen Gedanken aus:
.Adam ist die Figur Christi, Eva ist die Figur der vernünftigen
Natur, wegen der Christus aus seinem Paradies verstoßen
wurde", so lautet der erste Spruch der 5. Zenturie der aus sechs
Zenturien bestehenden Kephalaia Gnostica des Evagrius, die
von Antoine Guillaumont in Band 28, 2 der Patrologia Orientalis
(Paris 1958) syrisch mit französischer Übersetzung ediert
worden sind. Das vorliegende Werk ist aus Vorlesungen entstanden
, die der Verfasser in den Jahren 1958—1960 über Evagrius
und den Origenismus gehalten hat. Es behandelt zunächst
die mit den Kephalaia Gnostica zusammenhängenden literarischen
Fragen (Titel, Komposition, Text) sowie den theologischen
Lehrgehalt dieser Schrift und schildert dann in zwei
großen Teilen „Evagrius und die origenistischen Kontroversen
bei den Griechen" und „Evagrius und die antiorigenistische
Polemik bei den Syrern". Die Kephalaia Gnostica sind das große
theologische Lehrbuch des Evagrius, dessen griechisches Original
verloren ist, das aber in einer armenischen und zwei syrischen
Übersetzungen erhalten ist. Evagrius erscheint in ihm als der hervorragende
Vertreter des Origenismus und wurde deshalb im
Jahre 553 mit Origenes auf dem 5. Ökumenischen Konzil in
Konstantinopel verdammt. Merkwürdigerweise hat das Werk

des Evagrius, nachdem es durch einen Übersetzer und einen
Kommentator zum Teil seines Origenismus entkleidet worden
war, bei den Syrern — und zwar bei den Jakobiten ebenso wie
bei den Nestorianern — der a n t i origenistischen Partei gedient
und dem Evagrius bei ihnen den Ruf eines der größten orthodoxen
Theologen eingetragen. In den ethischen und mystischen
Schriften des großen jakobitischen Maphrians Bar Hebräus (1226
—1286) ist „der große Evagrius" die am häufigsten zitierte theologische
Autorität. Dieses glänzend geschriebene Werk Guillau-
monts gibt wertvolle Aufschlüsse über die in der syrischen Theologie
wirksamen Kräfte und weckt im Leser den Wunsch, daß
der Verfasser seine angekündigte Gesamtdarstellung der Theologie
des Evagrius recht bald folgen lassen kann.

Marburg/Lahn Peter Kawerau

Blum, Georg Günter: Apostolische Tradition und Sukzession bei
Hippolyt (ZNW 55, 1964 S. 95—110).

Bracht, Heinrich: Der Abt als Stellvertreter Christi. Die Stellung des
Abtes im christlichen Altertum im Lichte neuerer Forschung (Schol. 39,
1964 S. 402—407).

D ö r r i e s, Hermann: Urteil und Verurteilung. Ein Beitrag zum Umgang
der Alten Kirche mit Häretikern (ZNW 55, 1964 S. 78—94).

J u d g e, Edwin A.: Christliche Gruppen in nichtchristlicher Gesellschaft
. Die Sozialstruktur christlicher Gruppen im ersten Jahrhundert.
Aus dem Englischen übers, v. H. Nordsieck. Wuppertal: Brockhaus
[1964]. 79 S. 8° = Neue Studienreihe, hrsg. von H. Bürki, 4. Kart.
DM 3.50.

K e m m e r, Alfons: Maria und Martha. Zur Deutungsgeschichte im
alten Mönchtum (Erbe und Auftrag 40, 1964 S. 355—367).

O e 11 i n g, Walter: The church of the Catacombs. An Introduction to
the Surging Life of the Early Church from the Apostles to A. D. 250,
Based on Firsthand Accounts. Saint Louis/Miss.: Concordia Publishing
House [1964]. 131 S. 8°. $ 1.95.

KIRCHEN GESCHICHTE: MITTELALTER

Meister Eckhart. Die deutschen und lateinischen Werke, hrsg.
im Auftr. der deutschen Forschungsgemeinschaft. Die deutschen
Werke, hrsg. u. übers, v. I. Q u i n t. V.: Meister Eckharts Traktate

3.-6. Lfg. (S. 137-376), 7.-10. Lfg. (S. 377-622 u. S. I—XI).
Stuttgart: Kohlhammer 1962/63. gr. 8° Je Lfg. DM 7.20.

Der Band enthält die vier Traktate Liber Benedictus —
Das Buch der göttlichen Tröstung, Von dem edlen Menschen,
Die Reden der Unterweisung und Von der Abgeschiedenheit.
Er ist mit der schon gewohnten Sorgfalt gearbeitet (vgl. ThLZ
1960, Sp. 49 f.): eifrige Durchforschung der Archive — was
nicht ausschloß, daß in zwei Nachträgen (S. 461 f. und 619 f.)
doch schon wieder Ergänzungen nötig waren — minutiöse Darbietung
der Textvarianten, gelehrte Hinweise auf Sachparallelen
und Abhängigkeiten, genaue Kenntnis der modernen Literatur,
sorgfältige Register, gute Übersetzung, alles Dinge, für die der
Benutzer nur dankbar sein kann.

Diese Sorgfalt muß allerdings mit einiger Unbequemlichkeit
bezahlt werden: unter dem Text findet man nur den Variantenapparat
und die biblischen Parallelen, die kommentierenden Anmerkungen
kommen jeweils im Anschluß an den Text des einzelnen
Traktates, die Übersetzungen aller Traktate am Schluß des
Bandes, die Nachträge noch an anderer Stelle. Durch eine mittelhochdeutsch
-neuhochdeutsche Parallelausgabe hätte sich das wohl
einfacher gestalten lassen.

Auf eine Kontroverse, die sich kurz vor der Edition über
den Traktat „Von der Abgeschiedenheit" erhoben hat, muß hingewiesen
werden. So gute Sachkenner wie Konrad Weiß (vgl.
ThLZ 1959, Sp. 364 ff.), Heribert Fischer, K. Ruh, haben den
Traktat zum mindesten in der vorliegenden Form, wenn nicht
überhaupt, für nicht eckhartisch erklärt. Quint hat sich durch
ihre Argumente nicht überzeugen lassen und begründet das in
der Einleitung. Er hat seine Gründe kurz vorher bereits in der
Schrift La Mystique Rhenane (Paris 1963, S. 39-57) entfaltet.

Ob der Traktat echt ist oder nicht, werden wohl letztlich
die Germanisten entscheiden müssen; selbst kann ich zu diesem
Streit, der sich z. T. unter den Editoren der Eckhart-Ausgabe
selbst abspielt, leider nicht Stellung nehmen. Es wird sich aber
wohl nicht ganz vermeiden lassen, daß ein umstrittenes Stück in