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Ausgabe:

1965

Spalte:

192

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Manson, Thomas W.

Titel/Untertitel:

The teaching of Jesus 1965

Rezensent:

Schneider, Johannes

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 3

192

Deshalb beginnt er seine Darstellung mit einem ersten Teil, den er
überschreibt: „Die Sendung des Johannes als Auftakt der Sendung
Jesu". In ihm werden verarbeitet Joh. 1—3, aber auch Mark. 1, 1—8
Par und dazu Matth. 3, 13—4, 11 Par sowie Mark. 1, 14. 15 und
Matth. 11,28—29, was später noch einmal wiederkehrt, nämlich am
Ende des fünften Teiles: „Reisen in der Umgebung und im Inneren
Galiläas" (II 309—311). Dazu treten aus dem lukanischen Reisebericht
Luk. 9,51 — 11,13. Das bedeutet: Es wird in diesem ersten Teil
nicht nur die Sendung des Johannes und die Taufe und Versuchung
Jesu dargestellt, und es wird nicht nur mit dem Johannes-Evangelium
eine Zeit gemeinsamen Wirkens des Johannes und Jesu nebeneinander
angenommen, also eine Frühperiode des Wirkens Jesu in Judäa und im
Ostjordanland bis zur Verhaftung des Täufers (Mark. 1, 14), sondern
in diese Zeit wird ein Ereignis wie das der Aussendung der siebzig
Boten gesetzt und damit eine Reihe von Ereignissen herangezogen, wie
sie in Luk. 9,51—11,13 enthalten sind. Die Aussendung der Zwölf
gehört demgegenüber erst in die galiläische Zeit des Wirkens Jesu.
Der hypothetische Charakter dieser Stoffverteilung gleich am Anfang
der Darstellung der Geschichte Jesu ist deutlich, jedoch kaum erkennbar
für den, der mit den wissenschaftlich-kritischen Fragestellungen
nicht vertraut ist. In die Darstellung des Markusberichtes
werden die Parallelen aus Matthäus und Lukas einbezogen, die nach
Bernard in eben dieser Reihenfolge dem Markus folgen, während
Johannes im Sinne der Ergänzungstheorie behandelt wird (vgl. vor
allem II 164 f.), bei der es sehr fraglich ist, ob 6ie dem Charakter
des Johannes-Evangeliums gerecht wird. Dieser Einsicht in die Reihenfolge
der Evangelien entsprechend folgt als zweiter Abschnitt „Johannes
' und Jesu Kindheit"; die Geschichtlichkeit der Berichte aus der
matthäischen und lukanischen Vorgeschichte wird dabei gegen jede
mythische oder legendäre Deutung verteidigt (vgl. bes. I 180—182,
zu ihrem Wert für die Erhellung des Mysteriums Jesu I 306 f.). Diesem
Teil folgen in Anknüpfung an den ersten als nächste: „Leichte
Mission in Galiläa", „Schwierige Mission in Galiläa" und „Reisen in
der Umgebung und im Inneren Galiläas". In diesen drei Abschnitten
6ind vor allem die Hauptüberlieferungen der synoptischen Evangelien,
dazu Joh. 4 und 6, verarbeitet. Bernard schließt 6idi der häufig und
mit Recht vertretenden Umstellung von Joh. 5 und 6 an; u. E. muß
allerdings die Ordnung 4,43—54; 6,1—7,13; 5,2—47 und 7, 15 ff.
lauten. Dadurch kommt ein erheblicher Ausgleich zwischen synoptischen
und johanneischen Aufriß zustande, den sich Bernard zunutze
macht. Auch Luk. 4, 16—30 teilt er auf, insofern er 4, 16—22 in
Teil III (I 338—341), 4,23—30 in Teil IV (II 87—89) behandelt. Nimmt
er hier kritische Operationen vor, so beläßt er z.B. Joh. 8, 1—11 an
seiner offenkundig sekundären Stelle, während er den Gedanken erwägt,
Joh. 3, 14—21 mit Joh. 12, 31 f. zu verbinden und es hinter den Einzug
in Jerusalem zu rücken. Das erweist, daß kritische Erwägungen
kein eigenes Gewicht haben, sondern dem Versuch eingeordnet sind,
eine passende Ordnung zu schaffen. Das aber ist eben jener Zwiespalt,
von dem wir ausgingen. Mit zwei Teilen — „Wanderungen in Judäa
und Umgebung" und „Von den Grenzen des Landes ins Herz der
heiligen Stadt" schließt der zweite Band ab. Deutlich ist erkennbar,
daß ein letzter dritter Band die Passions- und Osterberichte behandeln
wird.

Die Einbeziehung kritischer Erwägungen in die Gestaltung
des Ganzen vollzieht sich in gleichzeitiger Abwehr dessen, was
Bernard rationalistische Kritik nennt, womit er die historischkritische
Forschung meint; damit wird zugleich die Befestigung
der Grundlagen bestimmter katholischer Lehrtraditionen erstrebt,
die von der historisch-kritischen Forschung erschüttert oder zerstört
worden 6ind. Das wird z. B. daran deutlich, wie bei der
Behandlung der Bergpredigt von „Jesu Einstellung zum Gesetz"
gesprochen wird (I 432 f.), wie aus Matth. 19, 1—30 die con-
silia evangelica abgeleitet werden (II 498—517, vgl. auch I 361 f.)
oder wie er mit Matth. 16, 18 f. die Macht der Hierarchie und
des Papstes gestiftet sieht (11 226—231).

Die aus der religionsgeschichtlichen Forschung kommenden
Fragen, die die Geschichte Jesu hineinstellen in die des palästinischen
Judentums und sowohl ihre Verbindung mit dieser als
auch ihren Unterschied und ihre Besonderheit dieser gegenüber
betreffen, sind nicht erörtert. Die Geschichte Jesu vollzieht sich
in der Darstellung Bernards gewissermaßen auf einem abgeblendeten
Hintergrund und wird dadurch letztlich ungeschichtlich.
Gegen diese Gefahr ist die Deutung des Mysteriums Jesu auch
sachlich nicht geschützt. Wir machen das am Beispiel der Versuchung
deutlich, die als geschichtlicher Fakt verstanden wird
(l43ff.); jede Deutung, die auf einen inneren Vorgang aus ist,
wird ausdrücklich abgelehnt. Da erscheinen dann Sätze wie die
folgenden: „Wir stehen vor einer Tatsache, die zweifellos

voller Geheimnisse ist. Jesus wollte (sie/) in seinem Menschenleben
und offenbar zu Beginn eeiner messianischen 1-aufbahn
Versuchungen erleiden.. . Nahm der Versucher selbst menschliche
Gestalt an? Ich gestehe, daß ich zu dieser Annahme neige.
Der Teufel macht sich zum Einsiedler und besucht Jesus in
seiner Einsamkeit und unterhält sich in dieser Verkleidung mit
ihm. Jesus läßt sich nicht täuschen, läßt aber alles geschehen,
spielt das Spiel (i) mit" (I 46 f.). Später wird Jesus „die verkörperte
Unschuld" genannt (I 64). In der eben zitierten Darstellung
der Versuchungsgeschichte beginnen Exegese und Meditation
ins Romanhafte abzugleiten. Es entsteht die Frage, ob
hier mit der Geschichtlichkeit und Menschheit Jesu noch ernst
gemacht wird. Das alte Problem, das im christologischen Streit
der alten Kirche zwischen Alexandrinern und Antiochenern verhandelt
wurde, wird hier wieder lebendig. Evangelische Theologie
wird gegen ßolche Deutung des Mysteriums Christi Einspruch
erheben müssen.

Es stehen also theologische, exegetische und historische
Fragen in der biblischen Theologie zwischen den Konfessionen
wie auch innerhalb ihrer nach wie vor zur Eröterung. Kann aus
den dargelegten Gründen die große Arbeit Bernards für die
neutestamentliche Wissenschaft keine sie fördernde Bedeutung
gewinnen, so ist ihr Gewicht für das theologische Gespräch um
den vorösterlichen Jesus zwischen den und innerhalb der Konfessionen
um so größer.

Eisenach Walter G ru n d ra a d n

M a n s o n, T. W.: The Teaching of Jesus, Studies of its Form and
Content. First Paperback Edition. London: Cambridge Univ. Press
1963. XII, 351 S. 8°. Kart. 15 s.; $ 1.95.

Die 1. Auflage dieses Buches ist 1931 erschienen und in
der ThLZ 1932, Nr. 24, besprochen worden. Seitdem ist das Buch
immer wieder neu aufgelegt worden. Die vorliegende Ausgabe
ist als paperback edition erschienen und in den Vereinigten
Staaten nachgedruckt worden. Da der Text unverändert geblieben
ist, ist der Rezension des Jahres 1932 nichts hinzuzufügen.
Die vielen Neuauflagen des Buches geben Zeugnis von der
starken Wirkung, die das Werk des hervorragenden englischen
Gelehrten nicht nur in der angelsächsischen Welt, sondern auch
bei uns gehabt hat.

Berlin Johannes Schneider

Schwartz, Eduard: Gesammelte Schriften. Bd. V.: Zum Neuen Testament
und zum frühen Christentum. Mit einem Gesamtregister zu
Bd. I—V. Berlin: de Gruyter 1963. XI, 382 S. gr. 8°. Lw. DM 48.—.
Mit dem vorliegenden fünften und letzten Bande der ausgewählten
Aufsätze von Eduard Schwartz steht ein abgerundetes
Bild des einflußreichen Forschers vor dem Leser. Es ist zu
begrüßen, daß zu den oft benutzten Aufsätzen aus der „Zeitschrift
für Neutestamentliche Wissenschaft" („Osterbetrachtungen",
„Der verfluchte Feigenbaum", „Johannes und Kerinthos") die vielfach
übersehenen Beiträge aus den „Nachrichten der Göttinger Gesellschaft
der Wissenschaften" („Zur Chronologie des Paulus",, .Zur
Geschichte der Hexapla") und den „Abhandlungen der Göttinger
Gesellschaft der Wissenschaften" („Über den Tod der Söhne
Zebedäi") die fast vergessenen Arbeiten aus den „Schriften der
Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg" („Über die pseudoapostolischen
Kirchenordnungen", „Bußstufen und Katechu-
menatsklassen") neu herausgegeben sind. Es wäre nicht im Sinne
des großen Autors, wollte jemand seine Thesen wiederholen, hat
er doch selbst bei erneuter Beschäftigung mit den Problemen
seine früheren Gedanken weitergeführt und verbessert. Dennoch
bleiben einige Einzelheiten wichtig: Nach der Überlieferung der
westlichen Kirche ist Jesus im Jahre 28/29 gekreuzigt worden,
unjd 30/31 ist das Jahr der Bekehrung des Paulus (S. 138); der Begriff
fteoloyos bezeichnet nach der ältesten Überlieferung den, der
die Stellung Christi innerhalb der Trinität hymnisch zu preisen
versteht (S. 53 f.); an Greßmanns Übersetzung der syrischen Theo-
phanie des Euseb werden zu einer Stelle begründete Zweifel geäußert
(S. 185), und in der Tat sollte diese Schrift in einer
zuverlässigen Übersetzung neu herausgebracht werden. Aber
nicht in den Einzelergebnissen besteht der Wert der Ausgabe,