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Ausgabe:

1965

Spalte:

181-183

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kutsch, Ernst

Titel/Untertitel:

Salbung als Rechtsakt 1965

Rezensent:

Reventlow, Henning

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181

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 3

182

Kutsch, Ernst: Salbung als Rechtsakt im Alten Testament und im
Alten Orient. Berlin: Töpelmann 1963. IX, 78 S. gr. 8° = Beihefte
z. Zeitschrift f. d. alttestamentliche Wissenschaft, hrsg. v. G. Fohrer,
87. DM 18.—.

Das vorliegende Heft stellt das ausgearbeitete Ergebnis
von Untersuchungen dar, die der Verf. für seine Artikel
Salbung. I. Religionsgeschichtlich. II. im AT." in RGG,
Sp. 13 30—32 durchgeführt hat, in denen er die im Alten
Testament mit dem Vorgang der Salbung verbundenen Vorstellungen
vor den Hintergrund der uns aus dem gesamten alten
Orient zu diesem Fragenkomplex bekannten Nachrichten stellt.
Dem zweiten Teil, der die Salbung als Rechtsakt behandelt
und das Hauptstück der Untersuchung bildet (S. 15—70), wird
ein allgemeiner erster Teil „Die Salbung mit Öl und ihre
Bedeutung" vorangestellt (S. 1—15), der die mit dem Rechtsakt
des Salbens verbundenen Gedanken auf die Grundzwecke zurückführt
, denen der Gebrauch von Salböl im Orient diente.
Der erste Abschnitt A. „Der Sinn des Salbens" (S. 1—6) stellt
vor allem zwei solcher Zwecke heraus: das Salben mit Öl dient
im täglichen Leben der Heilung und Kräftigung, daneben
(und auch in magischen Riten) der Reinigung. Diese beiden
Begriffe bilden auch den Ausgangspunkt für die Verwendung
des Öls im übertragenen Gebrauch der Rechtsakte symbolischen
Charakters (weniger bedeutsam ist der dritte, die erfreuende
Wirkung, die zu beiden Bereichen, der Reinigung und
Kräftigung, mit dazugehört). Bevor dieser jedoch entfaltet
wird, werden in einem zweiten kurzen Abschnitt B. „Der
Sprachgebrauch im Hebräischen" die fünf Ausdrücke für „salben
", die das Hebräische kennt (TpD; nsia psr, bba, ]ui"i) in
ihrem Vorkommen untersucht, wobei auch das Aramäische und
Ugaritische zum Vergleich herangezogen werden. Die besonders
bei dem wichtigsten Verbum dieser Gruppe, vorliegende
Grundbedeutung „fett machen" bildet den Ausgangspunkt für
die beiden abgeleiteten „stark machen" und (glänzend) „rein
machen".

Der zweite Teil „Salbung als Rechtsakt" gliedert die entsprechenden
Salbungsvorgänge danach in die zwei Gruppen A.
„Salbung als .Reinigung' = .Freimachung'" (S. 16—33) und
B. „Salbung als .Mitteilung von Kraft, Macht, Ehre'" (S. 33
—70). Zur ersten Gruppe gehört die Urkunde RS 8208 aus
Ugarit über die Freilassung einer Sklavin zum Zwecke der Eheschließung
mit verwandten Texten, aus denen hervorgeht, daß
ein Ritus, bei dem Öl über den Kopf eines Sklaven ausgegossen
wird, ihn von Rechtsansprüchen Dritter frei macht. Entsprechend
bedeutet die Salbung der Partner von Kaufverträgen
(Beispiel: eine Urkunde aus dem Sin-Tempel in Chafadschah)
und der Teilnehmer an einem Bundesmahl (in Mari, ARM
VIII, Nr. 13) eine Freistellung von gegenseitigen Ansprüchen.
Ausschluß von Rechtsansprüchen Dritter bedeutet auch die
Salbung eines Mädchens bei der „Antrauung" (Brautkauf durch
den Vater des Ehemannes) (Beispiele aus dem Mittelassyr. Gesetz
und ägyptischen Texten), während ein entsprechender Akt
für die Freilassung Höriger auch im hethitischen Raum bekannt
ist (KUB XIII, 8). Interessant ist, daß in diesen Bereich der
..Reinigung" = Freistellung für den Kult auch die Salbung des
jüdischen Hohenpriesters gestellt wird, die dadurch von der
Königssalbung strikt getrennt wird (S. 25).

Die zweite Gruppe: Salbung als „Mitteilung von Kraft,
Macht, Ehre" führt uns dagegen in das Gebiet der Königssalbung
. Auch hier wird wieder eine Weiche dadurch gestellt,
daß von der gelegentlich erwähnten Salbung hoher Beamter in
Ägypten durch den Pharao ausgegangen wird, der die in
einem Amarna-Brief (EA 51) berichtete Salbung eines syrischen
Vasallenfürsten durch den ägyptischen König an die Seite gestellt
wird. Aus diesem Bericht wird besonders die Einzelheit
hervorgehoben, daß der Vasall sich auf eine bereits an seinem
Großvater geschehene Salbung (= Amtseinsetzung) für ein gegenwärtiges
Hilfsersuchen beruft, die also bei den Nachfolgern
des Vasallen nicht wiederholt worden, sondern auch gegenüber
diesen gültig geblieben sei. Direkte Parallelen zu einer
Königs Salbung finden sich dagegen weder in Mesopotamien
noch in Ägypten (hierfür sind keine Belege zu finden), sondern

nur im Hethiterreich, wo die Salbung des Königs als Machtzuwendung
zu verstehen ist, als deren ursprünglicher Träger
der Adel vermutet wird (S. 36 ff.).

Von daher wird dann auch die Königssalbung in Juda und
Israel beurteilt (S. 52 ff.). Hier lassen sich nach Kutsch zwei
verschiedene Vorstellungen nachweisen: nach der einen ist
das Volk Subjekt der Salbung, nach der anderen geht sie
von Jahwe aus. In der ersten sieht der Verf. die Form der
Salbung, wie sie sich in Wirklichkeit abgespielt hat, und zwar,
mit David beginnend, bei den davidischen Königen des Süd-
Teiches. Durch sie wird dem König vom Volke aus Macht
(pondus) verliehen (1123). Wenn daneben bei David konkurrierend
(1. Sam 16), bei anderen Königen, mit Saul angefangen
(l. Sam 9—11.15), ausschließlich von einer Salbung durch
einen Propheten im Auftrag Jahwes berichtet wird, ist das
historisch unwahrscheinlich. Schon die Doppelung des Salbungsberichtes
bei David (l. Sam 16,13 gegen 2. Sam 2,4; 5,3)
spricht dagegen; solche Berichte begegnen zudem ausschließlich
im Zusammenhang von Prophetenlegenden und sind deshalb
historisch weniger glaubwürdig. 2. Samuel 12, 7 (David ist von
Jahwe gesalbt) ist eine theologische, keine historische Aussage
(S. 58). Lediglich die Salbung Jehus durch einen Prophetenschüler
(2. Kön 9, 3.6.12; 2. Chron 22, 7) ist historisch möglich
, aber nicht als dauernde Institution, sondern nur als einmaliger
Akt (S. 59). Überhaupt ist die Salbung von Königen
des Nordreiches, da es vielfach Usurpatoren waren, wenig
wahrscheinlich. Diese Institution gab es nur im Südreich.

Wenn aber die Existenz eines prophetischen Salbungsritus
für die Könige im Auftrage Jahwes unwahrscheinlich ist,
wie kommt es dann zu der festen Bezeichnung rtirT rrti72
„Gesalbter Jahwes" für Saul und die Davididen? Nach Kutsch
liegt hier ein übertragener, theologischer terminus technicus
vor, wie besonders bei Kyros (Jes 45, 1) deutlich: der, dem
Jahwe Macht verliehen hat, sein „Bevollmächtigter". Dies sei
aber schon bei Saul, David und den Davididen der Königszeit
der Fall gewesen; schon hier setzt der Titel „Messias" „nicht
den als Akt der Einsetzung gedachten Salbritus voraus, sondern
hat allein das aus einem solchen resultierende Verhältnis des
Königs zu Jahwe im Blick" (S. 62). Die Erzählungen von der
Salbungs Sauls und Davids durch Samuel bilden den hieros
logos des so bezeichneten Verhältnisses.

An diesem Punkt wird wohl die Kritik der Arbeit ansetzen
müssen, denn hier scheint sie die Beweiskraft ihrer
Schlüsse allzusehr überzogen haben. Überzeugend ist vor
allem ihr erster Teil mit der sorgfältigen Grundlegung der
Begriffe. In der Bestimmung der doppelten Grundbedeutung
des Salbens als Kräftigung und Reinigung wird man dem Verf.
gern folgen, und die Ausführungen über den Sprachgebrauch
im Hebräischen enthalten feine Beobachtungen (vgl. z. B. über
den Sinn von fOl in Ps 20, 4 (S. 11 ff.), dazu der Exkurs über
Ps 45,8 (S. 63 ff.)). Der Hinweis auf mögliche hethitische
Vorbilder der Königssalbung, der Blick auf Ägypten mit seiner
Beamten- und Vasallensalbung, überhaupf der weite Ausblick
auf den gesamten Bereich der altorientalischen Umwelt ist sehr
aufschlußreich, und der Uneingeweihte wird staunen, wie wenig
verbreitet die Salbung als Einsetzungsritus für das Königtum
in Wirklichkeit ist. Aber das Bild, das über die Verhältnisse
im Alten Testament gezeichnet wird, erweckt doch Fragen.
Gewiß: 1. Sam 16 und etwa 1. Sam 9, 1—10, 16 sind legendäre
Berichte und in dieser Form gewiß nicht „historisch". Andererseits
geht die Legende von Institutionen aus, die in späterer
Zeit bekannt waren (als sich die Überlieferung fixierte), und
die Salbung der beiden Könige durch einen Propheten wäre
nicht in dieser Form erzählt worden, wenn nicht eine prophetische
Salbung nötig gewesen wäre, einen König als von Jahwe
beauftragt zu legitimieren. Der Schluß geht weiter: die Salbung
Jehus durch einen Prophetenschüler aus dem Kreise Elisas
wäre nicht von den Anhängern des Königs berichtet worden,
wenn nicht ein solcher Akt zur Legitimation eines Königs,
noch dazu eines Usurpators, nötig gewesen wäre; zumindest
kann er im Nordreich nicht unbekannt gewesen sein. Und der
Bericht steht den Ereignissen recht nahe (vgl. die Kommentare).