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Ausgabe:

1965

Spalte:

179-180

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hertzberg, Hans Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Prediger 1965

Rezensent:

Ringgren, Helmer

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 3

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tat verliehen hat, keine Rolle mehr spielt. Aber so sehr auch
hier Wissen und Glaube nicht ganz von einander zu trennen
sind, so darf doch nie vergessen werden, daß, wie die Forschung
überhaupt, so auch die Pentateuchkritik auf eigenen Füßen steht
und als historische Wissenschaft ohne jede Rücksicht darauf betrieben
werden muß, ob sie den Glaubensbesitz zu bedrohen
oder zu fördern scheint.

Daß man bei der Fülle der Fragen aller Art, zu denen das
Dtn Anlaß gibt, die Behandlung dieser und jener vermissen und
daß man auf hier berührte andere Antworten geben kann, versteht
sich ganz von selbst. Einige dieser Fälle seien genannt:
1) S. 44—47 wird der historische Wert der von den Vorbewohnern
Palästinas berichtenden Verse 2, 10—12.20—23 merkwürdig
gering eingeschätzt und weder erwähnt, daß Gen 14 ähnliche
Angaben enthält, noch zu Kaphtor auf das ugaritische kptr verwiesen
; 2) S. 171 bringt manche gute Beobachtung zu 27, 1—8
und stellt diesem Abschnitt auch Ex 20, 25 und Jos 8, 30—35
an die Seite, sagt aber kein Wort darüber, daß die 27, 1—8 und
Jos 8, 30—35 berichtete Verwendung der Steine einerseits zur
Promulgation des Gesetzes, anderseits zum Bau eines Altars
die beiden Abschnitte als Klammern ausweist, die zunächst das
Bundesbuch Ex 20, 23—23, 12 mit der Hexateuch-Erzählung verbinden
sollten und dann zur Verklammerung des Dtn benutzt
worden sind; 3) S. 196 f. werden zu 32,8 die für bt^izr ■»»
und die für •»» sprechenden Argumente sorgfältig vorgelegt
. Die Entscheidung fällt zugunsten von bsOiir 15a aus,
was anfechtbar bleibt. Die S. 197, Anm. 1, zur Stützung dieser
Entscheidung gemachte Bemerkung, die ugaritischen Texte
kennten den Gedanken der Erwählung eines Volkes durch den
obersten Gott nicht, der sei vielmehr spezifisch israelitisch, läßt
sich angesichts der im Keret-Epos dem König von Udum in den
Mund gelegten Äußerung: „Udum ist das Geschenk Eis und die
Gabe des Vaters der Menschen" kaum aufrecht erhalten. 4) Das
von 3 3,25 wird S. 210 wohl richtig mit „Deine Kraft"

wiedergegeben, ohne daß Frank M. Gross, Jr., Ugaritic db't and
Hebrew Cognates (Vetus Testamentum 2, 1952, S. 162—164)
zur Hilfe gerufen wird. Das alles sind Kleinigkeiten. Aufs Ganze
gesehen, ist der vorliegende Kommentar dankbar zu begrüßen.
Leider muß diesem Dank aber die Feststellung hinzugefügt
werden, daß die Wiedergabe hebräischer Wörter mit hebräischen
Buchstaben eine erschreckend hohe Zahl von Fehlern aufweist.
Die auf S. 10 und 11 stehenden sind diese D"Üöpn statt ö^ÜBttSö.
STütM statt fiUfcH. rVniri statt rrnn, D",13"1 statt D^a'j, '»ab«
statt r£t&, "»*« statt 13«. Sab statt 2lb, und andere Seiten

T * ~ • "I — T

bieten eine noch reichere Ausbeute. Sonst sind nur wenig
Druckfehler stehen geblieben. Aber bei den hebräischen Worten
hat sich der Druckfehlerteufel nach Herzenslust austoben können,
und man kann nur hoffen, daß er damit für das ganze Kommentarwerk
sein Soll erfüllt und übererfüllt hat.

Halle/Saale Otto Einfeld!

Hertzberg, Hans Wilhelm: Der Prediger. — Bardtke, Hans: Das
Buch Esther. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn 1963.
419 S. gr. 8° = Kommentar zum Alten Testament, hrsg. von
W.Rudolph, K. Elliger u. F.Hesse, Bd. XVII, 4—5. Lw. DM 75.—.
Von der durch J. Herrmann besorgten Neuauflage des altbewährten
Sellinschen Kommentarwerkes liegt als zweiter Band
die Auslegung der Bücher Prediger und Esther vor. Für das erstgenannte
Buch ist, wie schon in der ersten Auflage, H. W. Hertzberg
verantwortlich, während die Auslegung des Estherbuches
durch H. Bardtke neu ist. Beide Teile sind ausführlich und gründlich
und vertreten im besten Sinne die Traditionen des alten
Sellinschen Werkes.

Leider ist dem Rezensenten die erste Fassung von Hertzbergs
Predigerkommentar im Augenblick nicht zugänglich, weshalb
ein Vergleich mit der Urfassung nicht möglich ist. Übrigens
ist das auch nicht nötig, da die jetzige Auslegung sehr gut für
sich selbst spricht. Aus dem Inhalt sei folgendes hervorgehoben.

H. verteidigt, wie mir scheint mit Recht, die Einheitlichkeit des
Buches (ausgenommen 12, 9 ff.), nimmt für seine Entstehung die
letzte Zeit des 3. Jahrhunderts an, leugnet seine Abhängigkeit
von der griechischen Philosophie, sieht aber stattdessen eine
deutliche Beeinflussung durch die Schöpfungsgeschichte („das
Buch Qoh ist geschrieben mit Gn 1—4 vor den Augen seines
Verfassers; die Lebensanschauung Qoh's ist an der Schöpfungsgeschichte
gebildet", S. 230).

Die abschließende Darstellung der Theologie des Predigers
ist klar und aufschlußreich und hebt besonders drei Hauptgedanken
hervor: die Ausschließlichkeit Gottes (einschl. Prädestination
), die Eitelkeit alles Irdischen, und das passive Entgegennehmen
der Gegenwart so, wie sie ist, d. h. aus Gottes Hand.
Die fatalistischen Züge des Gottesbegriffs werden gut herausgearbeitet
, die Unmöglichkeit, mit einem solchen Gott in Beziehung
zu treten, betont.

Bei der Erörterung der Frage, wie sich Qoheleth zur Weisheitsliteratur
verhält, notiert man mit Befriedigung die Feststellung,
daß Qoheleth Schule gemacht haben muß, da ein Schüler den
Epilog hinzugefügt hat und da Sir. und Sap. auf seine Gedanken
Bezug nehmen. Man vermißt aber einen Hinweis auf die Arbeit
von Gese, Lehre und Wirklichkeit in der alten Weisheit, ein
Werk, das, wie schon Zimmeriis Bemerkung, ATD 16 S. 13 3,
zeigt, wertvolle Gesichtspunkte für die Beurteilung des Predigers
abgeben könnte. Auch wäre es wünschenswert gewesen, daß
der Verfasser sich etwas mehr mit den Fragen der Form und des
Stils beschäftigt hätte. Dies sind aber geringfügige Anmerkungen
im Vergleich mit dem, was er uns tatsächlich bietet.

Die theologische Beurteilung des Buches möge ein paar
Zitate zeigen: „Qoh zeigt uns ein bestimmtes Auslaufen der alt-
testamentlichen Glaubenshaltung... Hier war das Alte Testament
im Begriff, sich totzulaufen. Hinter diesem völligen Nichts
auf der Menschenseite war nur noch die neue Kreatur des NT
als Hilfe möglich. Das Buch Qoh, am Ende des AT stehend, ist
die erschütterndste messianische Weissagung, die das AT aufzuweisen
hat"( S. 237 f.).

Bardtke beginnt seine Auslegung des Estherbuches mit einer
ausführlichen Diskussion des Purimfestes und der damit verbundenen
Fragen. Die verschiedenen Möglichkeiten einer Entlehnung
aus Iran oder Babylon werden sehr umsichtig erörtert.
Die Schlußfolgerungen sind vorsichtig und erwecken Vertrauen.
„Man wird nur so viel aus den .. . Thesen zurückbehalten, daß
das Fest vielleicht einen persischen Ursprung hatte und dann
durch eine babylonisch-mesopotamische Entwicklung hindurchging
, wie der Name Pur-Purim beweist. Von da aus muß es von
den Juden übernommen worden sein" (S. 247). Ich habe den
Eindruck, daß mehrere Beobachtungen Bardtkes geeignet sind,
meine eigene Theorie weiterzuführen, möchte aber hier nicht in
eigener Sache sprechen.

Beachtung verdient die Darstellung der Genesis des Buches:
der Verfasser habe demnach drei selbständige Traditionen vorgefunden
, nämlich die Vasthitradition, die Mardochai-Haman-
Tradition und die Esthertradition. Diese habe er zu seinem
geistigen Eigentum gemacht, fest miteinander verbunden und zur
vorliegenden Geschichte gestaltet. Bedeutsam finde ich auch die
Beobachtung, daß Esther mit dem hellenistischen Roman verwandt
ist.

Die oft so stark betonte Vertrautheit des Verfassers mit
den Verhältnissen in Susa beschränkt sich auf wenige allgemeine
topographische Angaben (S. 249).

Außerbiblisches Vergleichsmaterial wird reichlich herangezogen
. Besonders dankbar ist man dem Verfasser für die
Quellenauszüge für die byzantinischen Jungfrauenaufgebote
(S. 296).

Die theologische Beurteilung ist zurückhaltend und läßt
nicht die Schwierigkeiten außer acht; vor allem weise das Buch
den weltzugewandten, auf Selbsthilfe bedachten Menschen auf
das Kreuz von Golgata.

Äbo/Finnland Helmer Ringgren