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Ausgabe:

1964

Spalte:

133-135

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Eckhardt, Karl August

Titel/Untertitel:

Der Tod des Johannes als Schlüssel zum Verständnis der Johanneischen Schriften 1964

Rezensent:

Michaelis, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 2

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nicht nur von neuem durchgearbeitet, sondern auch wesentlich
erweitert. Den Namen der Tannai'ten wurden chronologische
Angaben im Anschluß an H. L. Strack, Einleitung in Talmud
und Michas1. 5. Aufl. 1921, S. 117 ff., hinzugefügt; außerdem
wurde das Verzeichnis der Rabbinen durch die Namen aller
Personen ergänzt, die in der Mischna erwähnt sind.

Als wertvolle Erweiterung gegenüber der Erstauflage
kommt jetzt ein geographischer Index hinzu. Letzterer geht
zwar ebenfalls auf den Nachlaß von E. Schürer zurück, ist aber
durch handschriftliches und aus Editionen stammendes Material
, das K. H. Rengstorf aus den Beständen in Münster
dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, auf den gegenwärtigen
Stand der Forschung gebracht.

Somit wird man in dem Büchlein einen wertvollen lexikographischen
Beitrag zur Mischna erblicken dürfen, der moderne
wissenschaftliche Ansprüche erfüllt und der es rechtfertigt, daß
die Deutsche Forschungsgemeinschaft seine Drucklegung durch
einen entsprechenden Zuschuß ermöglicht hat.

Zur Sache selbst seien zwei kleine Bemerkungen gestattet.
Auf S. 41 wird unter Hinweis auf 2. Chr. 32, 30 der gihön
Iha'aelyön] in Pesahim 4,9 erwähnt, und gleichzeitig fügt
Verf. erläuternd hinzu: „Als Fluß bezeichnet Gen. Apocr. col.
XXI lin. 15 und 18 f. S. auch Jubil. VIII 22". Hierzu wäre zunächst
zu bemerken, daß Pesahim 4, 9 handschriftlich nicht genügend
als primär zur Mischna gehörig gesichert ist; wahrscheinlich
handelt es sich hierbei ursprünglich um eine Baraita, wie
aus babyl. Pesahim 56 a hervorgeht. Des weiteren bezieht sich
der Flußname in Pesahim 4, 9 ebenso wie in 2. Chr. 32, 30 auf
die Quelle 'ain sitti maiyam in Jerusalem, während das sogenannte
„Genesis-Apokryphon" in Kolumne 21, 15. 18 f.2 und
Jubil. 8, 22 unter gihön eindeutig den Nil verstehen.

Beachtung verdient außerdem die Schreibung QPDWQY'H
qappedöqi'ä für „Kappadokien" in Ketubbot 13, 11. Verf.
führt hierzu auf S. 49 mit Recht die Schreibung KPTWK zum
Vergleich an, wie sie im „Genesis-Apokryphon", Kolumne 21,23,
geboten wird. Ergänzend sei angemerkt, daß der orthographische
Unterschied lautgeschichtlich bedingt ist. Die lQ-Lesart KPTWK
setzt mit ihrer Verwendung von Kaf für griechisches Kappa
offensichtlich die ältere Aussprache des Kaf als k voraus; in
der Mischna dagegen ist Kappa durch Qof wiedergegeben, da
Kaf in tannaltischer Zeit in der Regel als k gesprochen wurde
und damit griechischem Chi entsprach. Der gleiche Sachverhalt
läßt sich in den verschiedenen Schichten der Transliterationen
innerhalb der Septuaginta beobachten. Hierfür sei neuerding6
auf P. E. Kahle, Die Kairoer Genisa, Untersuchungen zur Geschichte
des hebräischen Bibeltextes und seiner Übersetzungen,
Berlin 1962, S. 190 f,*, hingewiesen.

Jona Rudolf Meyer

*) So der genaue Titel, nicht: „Einleitung in den Talmud"

(S. 7)!

') Vgl. N. Avigad and Y. Yadin, A Genesis Apocryphon. A
Scroll from the Wilderness of ludaea. Jerusalem 1956, S. 32; R.
Meyer, Da6 Gebet des Nabonid. Eine in den Qumrän-Handschriften
wiederentdeckte Weisheitserzählung. Berlin 1962, S. 76 ff. = SAL,
Phil.-hist. Klasse Bd. 107, Heft 3.

*) Vgl. bereits ders., The Cairo Geniza. London 1947, S. 103

— The Schweich Lectures of the British Academy 1941.

NEUES TESTAMENT

Eckhardt, Karl August: Der Tod des Johannes als Schlüssel zum
Verständnis der Johanneischen Schriften. Berlin: de Gruyter 1961.
VII, 184 S. 8° = Studien zur Rechts- und Religionsgeschichte, III.
Lw. DM 32.—.

Man wird seinen Respekt nicht versagen, wenn ein Nicht-
theologe, Rechtshistoriker von Rang seit Jahrzehnten, sich in
das weite Gebiet der nt Wissenschaft einarbeitet und nunmehr

— nach langjährigen Vorbereitungen (vgl. S. 22) — eine Spezialuntersuchung
wie die vorliegende veröffentlicht, und man wird
mit einiger Spannung an einen solchen Beitrag eines Außenseiters
herantreten. In dieser wird man insofern nicht enttäuscht,
a's sich sehr bald zeigt, daß der Verfasser sich mit der einschlägigen
Literatur in beträchtlichem Ausmaß vertraut gemacht

hat und zugleich sich seinen Weg durch das Dickicht der verschiedenen
Probleme selbständig zu bahnen versteht, wobei er
vielverhandelte Schwierigkeiten durch eigene Beobachtungen
und überraschende Kombinationen oftmals in neues Licht rückt.
Jedoch: bei aller Bereitschaft, auch ungewohnte Argumentationen
zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft zu prüfen, steht der
Leser in zunehmendem Maße unter dem Eindruck, es an den
entscheidenden Stellen mit teils gewaltsamen, teils undisziplinierten
Hypothesen zu tun zu haben, die auch der günstigen
Beurteilung des übrigen Inhalts schließlich nur schaden. Ich
möchte, dem Gang der Arbeit folgend und damit zugleich über
ihren Aufbau berichtend, kurz einige besonders auffällige
Thesen erwähnen (mit dem Vorbehalt, daß diese ohne nähere
Begründung vielleicht frappierender wirken, als wenn sie ausführlich
in ihrem Zusammenhang aufgezeigt werden könnten).

Der erste Teil der Arbeit „Der Lieblingsjünger" (S. 1—90) geht
nach einem einleitenden Abschnitt „Ziel und Weg" (S. 3—ll) unter
dem Titel „Jener Jünger stirbt nicht" (S. 11—28) zunächst auf Joh. 21,
20 ff. und 21, 24 ein und zieht den Schluß, daß an der Existenz de«
Lieblingsjüngers, der alsbald mit dem Evangelisten (S. 16) und mit
dem Zebedaiden (S. 21 f.) gleichgesetzt wird, nicht zu zweifeln
(S. 13 f.), seine Gestalt also „keine Konstruktion" sei (S. 15). Auf
die Frage, ob Jesus je eine 21, 23 entsprediende Äußerung getan
habe, wird geantwortet, dafür könne nur 11, 23 (nebst 11, 25 f.) in
Betracht kommen (S. 17 f.): mithin also seien Lazarus und der Licb-
lingsjünger identisch (S. 20), wofür auch die Formulierungen in 11,

3. 15 usw. geltend gemacht werden (S. 19 f.). Die Schwierigkeit, daß
in diesem Fall Lazarus in Kap. 11 f. elf Mal mit seinem Namen genannt
und dies 6päter durch eine „kryptographische Umschreibung"
ersetzt wäre, wird dahin aufgelöst, daß der Name Lazarus in Kap. 11 f.
erst nachträglich eingefügt worden sei (S. 23), und zwar unter dem
Einfluß von Lk. 16, 19 ff. Der folgende Abschnitt „Wer war der
Lieblingsjünger?" (S. 28—37) wertet in der Hauptsache 18, 15 f. aus:
„der andere Jünger" sei dem Lieblingsjünger gleichzusetzen, wofür
vor allem das Verhältnis zu Petrus geltend gemacht wird (S. 31).
Dann aber müsse das Verhalten dieses Jüngers in Kap. 18 auch an
der Notiz 12, 10 f. gemessen werden und lege in diesem Fall ein sehr
rühmliches Zeugnis für ihn ab (S. 33). Auch 1, 41 wird in diesem
Zusammenhang berücksichtigt (S. 34 f.). Im folgenden Abschnitt „Was
bedeutet Xieblingsjünger'?" (S. 3 8—45) chockiert den Leser die Behauptung
(S. 43), in den 3 Tagen, die Lazarus in Bethanien im Grabe
gelegen habe, habe er die Gesichte Apk. 4, 1 ff. gesehen. Der Ab-'
schnitt „Die Salbung in Bethanien" (S. 45—51) läuft darauf hinaus,
daß die Frau, die Jesus gesalbt habe, Maria Magdalena gewesen sein
müsse und diese also die Schwester der Zebedaiden gewesen 6ei
(S. 47. 51). Im Absdinitt „Verhältnis zu den Synoptikern" (S. 51
—58) wird einleitend unterstrichen, daß das 4. Evangelium „eine
stilistisch durchaus homogene Masse" und Auflösung in Quellen daher
nicht angebracht sei (S. 52; vgl. auch S. 114), und hierbei fällt
die erstaunliche Bemerkung, die „vermeintliche joh. Färbung" sei „in
Wahrheit die Redeweise Jesu" (S. 52): „Jesus spricht überall im

4. Evangelium, auch wo ihm die Sätze nicht ausdrücklich zugeschrieben
werden", so in 1, 1—5. 9—14. 16—18; 3, 31—36 (diese Bemerkung
ist so erstaunlich, daß man sie mehrmals liest, weil man zunächst
meint, man habe nicht recht gelesen — wie will der Verfasser das
wohl begründen?). Auf die Frage, warum die Syn. die Erweckung des
Lazarus bzw. des Lieblingsjüngers nicht berichten (S. 53; Lk. 7, 11
—17 soll nach S. 54 allerdings eine „literarische Umformung der joh.
Auferweckung" sein), wird die Antwort gegeben, sie hätten keine
komplizierten Probleme (Auferstehung/Auferweckung) aufrühren
wollen, und in diesem Zusammenhang tritt auch die These auf, der
Zebedaide Johannes müsse vor der Fixierung des synoptischen
Stoffes bereits gestorben sein (S. 56). Der Abschnitt „Die Apocalypse"
(S. 58—73) — nach S. 63. 81 ist dies Buch durchsetzt mit persönlichen
Erinnerungen 6eines Verfassers: er war selbst an Bord eines Schiffes
auf dem Tiber, als der neronische Brand wütete — führt zum Ergebnis
, die Apk. müsse zwischen März 68 und Dezember 69 geschrieben
8e'n (s- 72). In der gleichen Linie liegt es, wenn Johannes nach dem
Abschnitt „Rom — Patmos — Jerusalem" (S. 72—90) am 14. Nisan
70 in Jerusalem den Märtyrertod gestorben sein und sein Evangelium
zwischen 57 und 68 geschrieben haben soll.

Der zweite Teil „Die Fortsetzer" (S. 91—151) zerfällt in die
3 Abschnitte „Der Bearbeiter" (S. 93—112), „Der Übersetzer" (S. 113
—126) und „Der Interpolator" (S. 126—151). Auch hier finden sich
gute oder wenigstens erwägenswerte Beobachtungen und höchst gewagte
Behauptungen nebeneinander. Etwas fruchtlos verläuft S. 97 ff.
in Verbindung mit den Beziehungen zwischen Joh. und Lk. die erneute
Erörterung des Kleopas-Klopas-Problems. Das Verhältnis des
Ignatius zu Joh. (S. 106 ff.) führt auf die These, eben Ignatius sei der
Uberarbeiter des 4. Evangeliums (S. 108). Dies wird dadurch gestützt,