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Ausgabe:

1964

Spalte:

129-130

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lieb, Fritz

Titel/Untertitel:

Sophia und Historie 1964

Rezensent:

Müller, Ludolf

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Seite 1

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129

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 2

130

Lieb, Fritz: Sophia und Historie. Aufsätze zur östlichen und west- geschrieben hat, und die man ungern mißt, hätten dann noch

liehen Geistes- und Theologiegeschichte, hr6g. v. M. Rohkrämer. mit aufgenommen werden können. Aber freilich ist dieser

Zürich: EVZ-Verlag [1962]. 380 S., 1 Titelb. gr. 8°. Lw. DM 29.70. Wunsch diktiert von dem wissenschaftlichen Ressortegoismus

Zu Fritz Liebs 70. Geburtstag (am 10. Juni 1962) erschien dessen, der in seinem Arbeitsbereich nicht die universale Weite

dieser Band, der seine wichtigsten Aufsätze zur Geistes- und hat, die das Werk Liebs auszeichnet.

Theologiegeschichte enthält, aber (was im Titel nicht gesagt Tübingen Ludolf Muller

wird) auch systematische Arbeiten, die der Auseinandersetzung TI7QT AMKMT

mit dem Marxismus und mit Bultmann gewidmet sind. Hinzu AL lBö I liö J AM B/ i

kommen: ein Bild des Verfassers, ein vollständiges Verzeichnis Kuhn, Karl Georg: Konkordanz zu den Qumräntexten. In Ver-

der Schriften von ihm und über ihn, ein Vorwort des Her-us- bindung mit P. A.-M. Denis, O. P., R. Deichgräber, W. Eiss, G.

gebers und ein schöner Aufsatz über den Jubilar von bugene Jeremias u. H.-W. Kuhn hrsg. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht

Porret unter dem Titel: „L'homme le plus extraordinaire que 1960 Xi[f 2J7 s 4o Lw DM 72 _

je connaisse". Der Herausgeber, aus dessen Forschungsstelle dieses Buch
Bei der Auswahl der Aufsätze ist der östliche (d. h. ost- hervorgegangen ist, hat sich schon ein bedeutendes Verdienst
kirchliche und russische) Problemkreis im Schaffen Liebs am durcJl die Herausgabe eines rückläufigen hebräischen Wörterstärksten
berücksichtigt (196 Seiten); „Christentum und Marxis- erworL,en, <jas zu £en unentbehrlichen Hilfen des Qumrän-
nws" nimmt 68, Hamann 42 und die Auseinandersetzung mit forschers geworden ist. Der Gedanke, ein solches rückläufiges
Bultmann 34 Seiten ein. Wörterbuch herauszugeben, hatte sich nahegelegt durch die
Der „östliche" Problemkreis wird durch zwei Aufsätze lückenhaften Qumräntexte, deren Lakunen, soweit ihre Aus-
autobiographischen Charakters eingeleitet — kein Zufall bei füllung überhaupt möglich erscheinen konnte, geschlossen wer-
einem Mann, für den Wissenschaft und Biographie so eng zu- den mußten.

sammengehören wie für Fritz Lieb. Der erste dieser Aufsätze Private Konkordanzen haben 6icher vielerorts, wo die For-

berichtet unter dem etwas mißverständlichen Titel „Geschichte scnung an den Qumräntexten betrieben wurde, bestanden, aber

und Lehre der Ostkirche" über Liebs Baseler Lehrtätigkeit auf es waren Karteien, die schwerfällig zu handhaben waren. Daß

dem Gebiet der Ostkirche, der zweite über die Entstehung und nunmehr diese Konkordanz wenigstens zu einem Teil der

die Bestände der berühmten „Russisch-slawischen Bibliothek Qumräntexte vorliegt, darf aufrichtig begrüßt werden. Es sind

Lieb", einer reichen Sammlung zur russischen Kirchen- und insgesamt 2019 Voces, die in diesem Band dargeboten werden.

Geistesgeschichte, die Lieb der Universitätsbibliothek Basel und rjazu jj^^jj nocn 99 Eigennamen, die in der hebräischen

damit der internationalen Fachwelt geschenkt hat. Es folgen die Literatur von Qumrän feststellbar sind. Ein Ergänzungsheft für

bekannten älteren Aufsätze über das Verhältnis von Staat und jie ^ Zukunft zu erwartenden Qumräntexte, deren Publikation

Kirche in Byzanz, über Orthodoxie und Protestantismus, über n0(Ji jange ^ ^ warten fc^en wirfj> stent der Herausgeber

die Slavophilen, über Dostojevskij, über Solovjev und über jn Aussicht. Die bisher erarbeitete Konkordanz wird also auf

Berdjajev, und dazu eine bisher noch nicht veröffentlichte ver- (jem Laufencjen gehalten und ergänzt werden. In dieses Ergän-

ständnisvolle und warmherzige Darstellung K. Leontjevs, des zungsheft sollen auch die aramäischen Texte übernommen wct-

Propheten des Zorns ohne Hoffnung". den. Das ist sehr erfreulich und befreit dann von der Not-

Die älteren Aufsätze sind zumeist unverändert abgedruckt, einige wendigkeit, in den Wörterverzeichnissen der verschiedenen

sind geringfügig überarbeitet Man bedauert eigentlich da«i eine w> publik tj nachzusehen, wenn man jetzt etwa ein bestimm-

das andere Man hätte die alten ^^a^^^ffZ tes aramäisches oder hebräisches Wort sucht1.
Form (möglichst mit genauen Hinweisen aul die alte raginierung;, m , . _
der Form, in der sie seinerzeit eine so starke Wirkung ausgeübt Es ist gut, sich zu verdeutlichen, welche Texte diese Konhaben
. Andererseits aber möchte man doch gern über das zum Teil kordanz in sich vereint: lQS, lQSa, lQSb, 1QM, 4QMp,
Jahrzehnte zurückliegende Entstehungsdatum der einzelnen Aufsätze lQH, lQpH, ferner aus der Originalpublikation DJD I die
hinausgeführt werden. Das gilt schon für die Literaturangaben. Man Stücke 14-19 (20.21 sind aramäisch), 22, (23. 24 aramäisch),
sollte denken, daß es dem Besitzer der Bibliothek Lieb ein leichtes 2<)_^ ararnäisch)> 33_62 (63-68 aramäisch), 69
gewesen wäre, sie bis zur Gegenwart weiterzuführen. Uas gilt aoer Q 4r)nHl1,,.b 40r,N'ah 40dPs 37 40PR
vor allem für den Inhalt der Aufsätze. Manches in ihnen erscheint * •• J« •>'•>* • ^H°t. ^UpNah, 4CJpFe 37 4QFB.
von der jeweiligen polemischen Situation aus überspitzt formuliert 4QF1, 4QT 6QD und CD Das ist ein sehr erfreulicher Be-
(etwa das Urteil über den Stundismus auf S. 51 f.), manches ge- stand, der hier zugrundegelegt ist. Besonders zu begrüßen ist
schichtliche Urteil müßte aufgrund neuerer Literatur überprüft wer- die Einarbeitung nicht nuT der neuen, sondern auch der bisher
den. So ist etwa über Tschaadajev in der letzten Zeit viel und bekannten Texte der Damaskusschrift. Freilich stellt man sich
Wesentliches geschrieben worden: oder über Solovjev hat der Unter- sofort die Frage, ob für das in Aussicht genommene Ergänzungs-
zeichnete manches Kritische zu Liebs Auffassung gesagt1 Es wäre neft nicht auch die Texte vom wädi murabbaat und aus den
interessant zu hören, wie Lieb heute zu den Fragen steht, deren Uis- Höhlen der Wüste Juda israelischen Territoriums Aufnahme
kussion er vor Jahrzehnten in so temperamentvoller und anregender m„ selbstverständlich unter Fortlassung der Bibel-
Weise in Gang gebracht hat. Ich meine, beide Desiderata — der wunsen __~T j o> - u-ui u -j j.»- Lina
* dem ursprünglichen Text und das Interesse für den heutigen texte, die auch aus den Qumranhohlen unberücksichtigt gebl.e-
Stand der Diskussion - wären zu erfüllen gewesen, wenn der Ver- Den sind, selbst in den Zitaten innerhalb der Peschanm.
fasscr den ursprünglichen Text unverändert hätte abdrucken lassen, Begrüßenswert ist ferner die Anordnung der Konkordanz,
wenn er aber gleichzeitig jedem Aufsatz einen bibliographischen und Es werden nur selbständige Wörter aufgeführt, also ohne
sachlichen Nachtrag mitgegeben hätte. Berücksichtigung der Verbindungen mit Copula, Partikeln oder
Die Aufsätze aus den anderen Problemkreisen (Marxis- Präpositionen. Letztere sind nur dann aufgenommen, wenn sie
mus, Hamann, Bultmann) zeigen die Weite des Wissenschaft- selbständige Wörter 6ind oder solche durch Suffixe bilden. Freilichen
Interesses und des existentiellen Engagements Liebs, ljch wir(j nier aucn em /vlangel bemerkbar, der aber getragen
aber sie zeigen sie doch nicht ganz: die geologischen Arbeiten werden mußte, sollte die Konkordanz nicht allzu sehr im Um-
auf deT einen und die Festtagsbetrachtungen für die Baseler fang und auch im Preis anschwellen. S. v. a praep. cum suff
..Arbeiter-Zeitung" auf der anderen Seite blieben außerhalb. werden zwar alle feststellbaren Fundorte angegeben, aber diese
Darum ergibt erst das Schriftenverzeichnis einen Überblick über mcnt nadl jen verschiedenen Suffixen gegliedert. Ein Kontext
den ganzen LImfang der geistigen Welt des Siebzigjährigen. wjr(j ebenfalls nicht geboten. Man gewinnt also auf den ersten
Aber gerade darum konnte ich den Wunsch nicht unterdrücken, Blick nicht gleich eine Übersicht über die wenig oder öfter
daß nicht nur knappe zwei Drittel des Bandes, sondern der or]er am meisten verwendeten Suffixe. Das gilt auch für die
ganze zur Verfügung stehende Raum der Ostproblematik ge- Verbformen, die nicht nach den verschiedenen Formen geordnet
widmet wären. Viele der gehaltvollen Rezensionen, die Lieb----

über Arbeiten zur russischen Geistes- und Kirchengeschichte ) Eine solche Ergänzung liegt dankenswerterweise schon vor in

—-- Revue de Qumrän Nr. 14, Tome 4, Fase. 2, Mai 1963, S. 163—234,

*) Vgl. Ludolf Müller, Das religionsphilosophische System ebenfalls von K. G. Kuhn unter Mitarbeit von U. Müller, W. Schmücker.

Vladimir Solovjevs, Berlin 1956. S. 6, S. 21 ff.. S. 69 ff. H. Stegemann.