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Ausgabe:

1964

Spalte:

125-128

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Die Religion in Geschichte und Gegenwart ; Band 6: Sh - Z 1964

Rezensent:

Wingren, Gustaf

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 2

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Das Wort ist als Aussprache zugleich Ansprache und also Wir verstehen jetzt, weshalb Origenes die Theologie als

immer an irgendwen gerichtet. Das theologische Wort, in dem Lobgesang bezeichnen konnte. Ist theologische Rede nämlich

<he Gotteserkenntnis sprachlich formuliert ist, kann die ver- bekenntnishafte Rede, dann ist sie zugleich Anbetung, Dank

schiedensten Menschen ansprechen: diejenigen, die ebenfalls und Lobpreis. Ebenso wird der altkirchliche, heute wieder neu

Theologie treiben und so theologisch belehrt werden; in abge- entdeckte Sinn der Liturgie als gebetetes Dogma verständlich;

wandelter Form die Christen, die keine professionellen Theolo- solche Sinngebung ist dort möglich, wo ein Verständnis von

gen sind; wiederum in abgewandeltem Sinne die Nichtchristen. Theologie und Dogma lebendig ist, das den Schritt in die

Solche Ansprache, die zugleich Anspruch ist, gehört zur Ver- Liturgie, in das Gebet und in den Lobgesang deshalb schlecht-

anwortung der Theologie, zu ihrem Dienst an Kirche und Welt, hin notwendig macht, weil Theologie und Dogma als solche

sie gehört mit hinein in den gottesdienstlichen Charakter der schon im Bereich der Anbetung und des Bekenntnisses stehen.

Theologie: die Theologie verrichtet den Dienst Gottes an den Und es liegt ein verkümmerter Begriff von Theologie vor, wo

Menschen. Es ist aber in solcher Ausrichtung auf die Menschen eine solche Kontinuität ihrer Gedanken und Ergebnisse zu

immer zugleich noch eine andere Ausrichtung theologischer Gebet und Liturgie als unsachgemäß erscheint. Als Beispiel für

Rede da von der vor allem die Theologen der alten Kirche ge- das, was gemeint ist, sei nur auf das nicänische Glaubens-

sprochen' haben und die nur zum ernsten Schaden der Theolo- bekenntnis verwiesen mit seiner streng theologischen Diktion,

Sie übersehen wird: Theologie ist Aussprache vor Gott und zu das bis zum heutigen Tag Bestandteil unserer Liturgie ist. Und

Gott hin28 In der theologischen Rede kommt die Bewegung daß die Reformation noch ganz auf demselben Boden steht,

zwischen Gott und Mensch, die sich in der Theologie überhaupt zeigen alle die reformatorischen Lieder, in die in oft verblüffend

ereignet, gleichsam zum Abschluß. Insofern eignet der theolo- lehrhafter Weise die Gedanken der Rechtfertigungslehre ein-

gischen Rede nicht nur besondere Verantwortung und beson- gegangen sind - als Lob, das Gott darzubringen ist: Theologie

derer Ernst, sie ist auch mehr als bloße Mitteilung und An- ist Lobgesang.

spräche: theologische Rede ist Bekenntnis vor Gott. Wo immer rechte Theologie getrieben wird, da wird sie

Daß theologische Rede Bekenntnischarakter hat, ergibt sich auch als Aussprache vor dem Angesichte Gottes verstehen,

sich auch von ihrem Gegenstand her; denn dieser Gegenstand Und das gibt der theologischen Rede nicht nur einzigartige

ist Gott selbst Gottes Verhältnis zu Welt und Menschen und Verantwortung und einzigartigen Ernst, sondern zugleich eine

der Welt und des Menschen Verhältnis zu Gott. Gottes Wirk- sonst nicht gekannte Freude - eben die Freude, die die Kinder

lichkeit ist aber für uns wie wir schon betont haben, im Unter- Gottes beseelt, wenn sie vor dem Angesicht ihres Vaters singen,

schied zu anderen Gegenständen unserer Erkenntnis und Rede spielen - und reden dürfen.

nur im Glauben, d. h. eben im innersten Bekennen zu Gott. „Theologie als Gottesdienst" - damit sollte gesagt und

wahrnehmbar. Wie sollten wir also überhaupt und speziell umschrieben sein, daß sich im theologischen Tun Begegnung

theologisch von Gott reden können, wenn diese Rede nicht Gottes mit dem Menschen und des Menschen mit Gott ereignet:

selbst Ausdruck solchen Bekenntnisses, formuliertes Bekennt- im Glauben, im rationalen Erkenntnisvollzug 6elbst, in der

nis des Glaubens ist? Dazu bedarf es nicht notwendig eines be- Aussprache vor Gott. Natürlich ist damit die Theologie nicht

sonderen bekenntnishaft'n Stils, das kann sich in aller Sach- umfassend und allseitig umschrieben. Daß das nicht der Fall ist,

lichkeit vollziehen. Eher ist das eine Frage der inneren Haltung, darauf deuten schon die Dimensionen hin, die durch die ein-

die sich freilich auch irgendwie in der theologischen Rede Aus- gangs aufgeführten verschiedenen Wesensbestimmungen der

druck verschafft511. Theologie angesprochen sind. Auch das Thema „Theologie als

------ - - , Gottesdienst" selbst wäre noch nach einer ganz anderen Rich-

*») Vgl. G.Ebeling: Art. Theologie 1[..a.a.O. Sp. 756: tung auszuführen: dahingehend nämlich, daß Theologie auch

von Cäsarea und dann in,ganzen 4 ^Jg™^ wZJy* eine besondere Verantwortung als Dienst Gottes an der Welt
spezifisch christlichen Gebrauch der nomologiscne sinn ivEvurysiT ■>

oft J^riStZ*) bestimmend: entgegen der Kreaturvergöttc- hat Es konnte darauf an einer Stelle lediglich lcurz verwiesen

rang Gott den Schöpfer und den Logos als Gott bekennen". werden. Immerhin ist wohl die Annahme nicht unbegründet,

**) Es sei an dieser Stelle mit Freude und Zustimmung auf die daß wir in der Dimension, die wir ein wenig zu entfalten ver-

Habilitationsvorlesung von H.Ott: Theologie als Gebet und Wissen- sucht haben, an einem besonders zentralen Punkt in allem

schaff, ThZ 14. 1958, S. 120—132, verwiesen, eus der folgende Sätze theologischen Tun stehen. An diesem Punkt ist auch die christzitiert
seien: „Das Gebet bildet nicht nur die Grundlage, auf der sich g]äubjge Existenz des Theologen angesprochen, die schon

Theologie aufbaut, sondern die Theologie als Wissenschart hat um ^ The0, k 6e]bst wjjlen dringend auf den pian gerufen

in ihrem Vollzuge den Charakter des Gebets So ist denn Theo- ^ ^ ^ ^ Mut und reAte

te',n'^.vo,,.?0,tt^ n'fVS;Änt!ri.S « Freude haben sollen bei dem großen Werk, das uns an der
^ott. Dann liegt ihre Einzigartigkeit: daß sie im Unterscnieae zu ™ &

jeder andern Wissenschaft ein Du zu ihrem .Gegenstande' hat" (S. 124). Theologischen Fakultät aufgetragen ist.
..Damit ist die Theologie gerade nicht, wie es heute von manchen -

Seiten offenbar behauptet und gefordert wird, ein existentiell bzw. wesentliche Äußerung des Glaubens wäre. Theologie kann in ihrer

glaubensmäßig neutrales, abseits stehendes Betrachten des Glaubens Weise streng wissenschaftlich sein, ohne einen neutralen Standort

aus der Distanz, ein Reden über den Glauben, das nicht selber eine außerhalb des Glaubens einzunehmen" (S. 128 f.).

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 3„ völlig neu
bearb. Aufl. in Gemeinschaft m. Hans Frhr. v. Campcnhausen,
Erich D i n k 1 e r, Gerhard G 1 o e g e und Knud E. L 0 g 6 t r u p
hrsg. v. Kurt Galling. Band 6: Sh —Z. Tübingen: Mohr 1962.
XXXVI S., 1970 Sp., 2 Taf., 3 Ktn. 4°.

Der sechste Band von RGG ist umfangreicher als die fünf
anderen, und doch kam er ebenso pünktlich, noch vor Ende des
Jahres 1962 heraus. Die fünf Herausgeber bringen im Vorwort
zum ganzen Werk ihre Freude darüber zum Ausdruck, und man
versteht sie. Es ist erstaunlich, daß diese Leistung in dem geteilten
Europa gelungen ist.

Ein umfassender Artikel (34 Spalten und dazu 2 Karten)
ist „Vereinigte Staaten von Amerika" (mit Unterabteilungen).
Professor Ahlstrom (New Häven) behandelt die protestantische

Theologie in USA und betont stark die Neuansätze, die sich
nach dem ersten und dem zweiten Weltkrieg geltend gemacht
haben. Es wäre keine Überraschung, wenn bald Amerika der
europäischen Theologie gegenüber gebend statt empfangend
wird. Eine gute Übersicht über die theologischen Ausbildungsstätten
auf dem nordamerikanischen Kontinent gibt uns Professor
G. H. Williams (Cambridge, USA). Auch der Artikel „Social
Gospel" von Professor H-H. Schrey (Tübingen) führt uns nach
den Vereinigten Staaten (l Spalte).

Dagegen beschränkt sich der Artikel „Sozialdemokratie"
(7 Spalten) fast ganz auf Deutschland. Verfasser ist Professor
Lutz (Dortmund). Es ist natürlich schwer, ein solches Thema mit
internationalem Ausblick zu behandeln. Man fühlt aber hier die
Begrenzung ungewöhnlich stark, da sich ja auch der Artikel
„Arbeiterbewegung" (nebst angrenzenden Artikeln über „Arbeiter
" usw.) im ersten Band bewußt auf deutsche Verhältnisse