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Ausgabe:

1964

Spalte:

97-110

Autor/Hrsg.:

Peschke, Erhard

Titel/Untertitel:

Zur Hermeneutik A. H. Franckes 1964

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 2

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Staat ablehnen, weil er nicht zuerst mit dem Bau des Tempels sten, die orthodoxen Juden würden die Herrschaft erringen,

begann. Wo sollte er denn, wenn man schon orthodox ist, die Christen töten oder aus dem Lande jagen, ein daraus fol-

anders stehen als auf dem heiligen Berg Zion? Müßte man da gender Krieg würde viele Todesopfer der Juden fordern und

nicht die Omarmoschee, an deren Ostwand sich Mussolini als dann käme der Erlöser wieder auf die Erde, werden von einem

Beschützer des Islam verewigt hat, abreißen oder wieder für Sachkenner wie Walter A. Berendsohn (Das Volk der Bibel im

den Gott der Väter umbauen und neu weihen? Wie sollte das Lande der Väter, S. 210) abgelehnt, obwohl er die Möglichkeit

gehen? Die Spaltung der Stadt hat solche gefährliche Versu- innerer Spannnungen nicht verkennt. Israel will jedenfalls ein

chung verhindert, aber der Friede ist deshalb nicht völlig ge- moderner Kulturstaat sein auf der Basis der Toleranz,
sichert: Israel steht zu den arabischen Staaten in Spannung und Mit diesem kurzen Ausblick auf die Gegenwart sei diese

sichert seinen Staat durch eine moderne Armee, in der sogar Skizze beschlossen. Die ganze Tiefe des Gegensatzes, wie er

Frauen dienen. uns seit Jesu Jerusalemworten in der Leidenswoche eindringlich

Nicht minder wichtig ist das Verhältnis von Orthodoxen vor Augen steht, besteht — trotz aller Toleranz — sachlich noch

und Liberalen im Lande und das Problem der Toleranz gegen- heute, weil bei echter Gläubigkeit keine Seite zugunsten der

über Andersgläubigen. Der Prozentsatz der Orthodoxen ist anderen nachgeben kann und beide schwerlich eine Preisgabe

noch und wächst an, aber die orthodoxen Parteien haben etwa des eigenen Standpunktes zugunsten eines übergeordneten drit-

1/7 der abgegebenen Stimmen und viele Orthodoxe wollen ,.in ten vollziehen werden.

Politischen Dingen nach dem gesunden Menschenverstand ur- Die Situation von Mk. 13 besteht noch. Immer noch warteilen
". Bei aller Toleranz gegen Andersgläubige 6ind Misch- tet die Gemeinde Jesu Christi auf ihres Herrn Wiederkehr,
ehen von den Rabbincn, in deren Hand Eheschließung und Ehe- immer wieder glaubt Israel das Kommen seines Messias nahe.
Scheidung liegt, nicht zugelassen. Wer einen nichtjüdischen Es ist kein Tempel seit 70 wieder in Jerusalem erstanden. Es
Partner heiraten will, muß diesen zum Übertritt bewegen. Daß haben sich alle Messiasse von bar Kochba bis ben Zwi als falsch
die Bibel in Unterricht und Forschung schon als Buch der Ge- erwiesen. Und nun ist die heilige Stadt auf zwei Staaten verSchichte
des eigenen Volkes eine große Rolle spielt, ist nur zu teilt! Der arabische hat die Gedenkstätten Israels und der Chri-
begreiflich. Wie sich der Ausgleich zwischen Bibel und Natur- sten samt seinen eigenen islamischen, aber das Volk der Bibel
Wissenschaft bei wachsender Zahl der Orthodoxen halten lassen hat seine Universität! Wie ganz anders liefen bisher die Dinge,
wird, muß man abwarten. Voraussagen eines frommen Chri- als sie sich die Väter der alten Kirche gedacht hatten!

Zur Hermeneutik A. H. Franckes'

Von Erhard P e s c h k e, Halle/Saale Frnst Sommerlath zum 75. Geburtstag-

Das Bekehrungserlebnis A. H. Franckes im Jahre 1687 hat Den lateinischen Schriften haftet dagegen ein reflektierendes,

seiner Theologie das bleibende Gepräge verliehen". Zu tiefgrei- systematisierendes, kritisch-apologetisches Element an, so daß

fenden Wandlungen seiner Grundgedanken ist es in der Zeit der dieses Anliegen hier weithin konstruktiv überfremdet wird4. Die

hallischen Wirksamkeit nicht mehr gekommen. Jedoch lassen folgende Darstellung trägt diesem Tatbestand Rechnung. Sie

sich im Laufe der Jahre gewisse Akzentverschiebun- geht von den deutschen Schriften aus und wendet sich dann

8en feststellen, die gelegentlich auch einen Strukturwandel im den lateinischen Entwürfen zu5,
systematischen Aufbau und in der Verflechtung der Ideen bewirkt
haben. Sie sind durch Spannungen bedingt, die sich aus t

dem Konflikt zwischen dem traditionell überkommenen luthe- , . ., jcui jj

' i^uiuiiB.i iwisuit.il „■^t.t.„ l. Francke unterscheidet zwischen der Schale und dem

nsch-orthodoxen Lehreut und der stark subjektiv gerichteten, v . . , , i_ i j 7- , .,

ui orrnoaoxen lciu^i , #*_. * p. m.n Kern, der äußeren Gestalt und dem inneren Gehalt der Sehr ft.

von eenun lutherischen, mystischen und reformierten hlemen- -nr „ , c, , , ,. „ .„ .. ...

genuin luuitno , 7_____r„„j,oc. „,„„u.n Wenn er von der Schale spricht, fallen die Begriffe „ausserliche

ten bestimmten Grundtendenz der Gedanken Franckes ergeben. m-.-^^j, f*.« r u- « j cj. i j •■ uL' T

" ' , . , - , .c , .i i „_ Wissenschaft , „Gehirn oder „Schaale der äussern Historie des

Auch im hermeneutischen Schrifttum lassen sich neben d,, j . l j j_ m «e ur j j T^

rvuui im iicuiitiitu ____ _____ Buchstabens und der Worte . Wenn dagegen von dem Kern

einer konstanten Generallinie derartige Akzentverschiebung n dje ^ dje 8 * g

erkennen. In den deutschen T r a kt a ten tritt un, sein JEsu ^ Weiß|£jt, nnd iie Wahrheit / die

eigentliches, persönliches Anliegen am deutlichsten entgegen. yerborgen jn der alldn |tWcSen / Liecht und Leben-

, u i ist. Diese Weisheit wird in der ,,Schule des heiligen Geistes"

iiVortraBj g€, uCn a'w UgUr,L durch Persönliche Erfahrung angeeignet". Man soll den Kern

scnullehrgangs der Luther-Akademie in Ootha. j ... , 3 iTi j j_

^j... K s aer bchnft nicht nur kennen und bekennen, sondern auch su-

CP. UrzUngen' = Catechismus-Predigten, Halle 1726. dlen- finden, essen, schmecken und anwenden8.
Idea = Idea studiosi theologiae, oder Abbildung eines Schale und Kern sind keine Gegensätze. Wie

der Theologie Beflissenen... Halle 17173. Schale und Kern einer Nuß eine organische Einheit bilden, so

LP. I—VII = Lectiones paraeneticae, 7 Teile, Halle 1726 ff.---

Manuductio = Manuductio ad lectionem scripturae sacrae, Schlifft Insonderheit Des Neuen Testaments", 1695, und „CHRISTUS

Halle o. J. (1693). Der Kern heiliger Sdirifft", 1702, zu nennen. In praktisdi erbaulicher

Methodus = Methodus studii theologici ... Halle 1723. Gestalt begegnen uns Franckes hermeneutische Grundsätze audi in den

Observationes = Observationes biblicae, oder Anmerckungen über ..Lectiones paraeneticae", 1726 ff.

einige Oerter H. Sdirifft... Halle 1695. 4) „Manuductio ad lectionem scripturae sacrae", 1693; „Mctho-

PH. = Praelectiones hermeneuticac, Halle 17232. d«s studii theologici...", 1723 (Vorlesungen aus dem Jahre 1706)i

Programmata = Programmata diversis temporibus in Academia ..Praelectiones hermeneuticae", 1717 (Vorlesungen vermutlich aus dem

Hallensi publice proposita, Halle 1714. Jahre 1709), 2. Aufl. 1723.

SFA. I—III = Sonn-, Fest- und Apostel-Tags-Predigten, 3 Teile. ") Sofern Grundgedanken der deutschen Schriften auch in den

Halle 1704. lateinischen Entwürfen erkennbar sind, wird in den Anmerkungen dar-

SFP- = Sonn- und Fest-Tags-Predigten, Welche Theils in auf verwiesen. — E. Hirsch (Geschichte der neuern evangelischen Theo-
Halle, theils an verschiedenen auswärtigen Oer- logie II, 1951, S. 155 ff.) stellt die Hermeneutik Franckes vornehmlich
tem. . . gehalten worden, Halle 1740'1. auf Grund der akademischen Schriften dar. Das Verständnis für die

"WD. I—III (IV) = Oeffentliches Zcugniß vom Werck/Wort und eigentlichen Intentionen Franckes und die in seinem hermeneutischen

Dienst GOttes, 3 Teile, Halle 1702 f. Schrifttum vorhandenen Spannungen wird dadurch erschwert.
*) Vgl. E. Feschke, Zur Struktur der Theologie A. H. Franckes 6) WWD. 11,13, 105; vgl. Manuductio 12; Methodus 136; LP.

ThLZ 1961, Nr. 12, 881 ff. U, 15.

3) Hier sind vor allem die in WWD. II zusammengefaßten Trak- 7) WWD. 11,13, 105.

'ate „Einfältiger Unterricht/ Wie man die H. Sdirifft zu seiner wahren h) WWD. II, 105; vgl. Methodus 133; LP. III, 183 ff., 202.

Erbauung lesen solle", 1694, „Einleitung Zur Lesung Der Heiligen ") WWD. II, 104 f.; vgl. Manuductio 104 f.