Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1964

Spalte:

937-938

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Stürmer, Karl

Titel/Untertitel:

Konzilien und ökumenische Kirchenversammlungen 1964

Rezensent:

Steck, Karl Gerhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

937

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 12

938

Zweifel noch schreiben können. — P. Krüger, wie Hammerschmidt
, seit längerer Zeit als Kenner des „Oriens christianus"
und als Darsteller seines Forschungsgebietes für weitere Kreise
bestens bekannt, eröffnet den II. Teil mit der „Symbolik der
syrischen Kirchen" (S. 123—165). Er unterscheidet dabei die
„autonomen" von den „mit Rom unierten syrischen Kirchen".
Nicht aus einem protestantischen Ressentiment, sondern um der
Arbeitsmethode willen wird ihm hierfür mancher Leser dankbar
sein. Überdies versteht es Krüger wieder einmal, klar und knapp
auch die wichtigsten historischen Daten beider Gruppen auseinanderzuhalten
, wofür ihm nicht zuletzt der Rezensent Dank
weiß. Der Herausgeber, E. Hammerschmidt, hat sich die „Kultsymbolik
der koptischen und der äthiopischen Kirche (S. 166
—233) sowie, mit Julius As6falg, den „Abriß der armenischen
Kultsymbolik" (S. 235—25 3) reserviert.

Nicht nur die Register (S. 256—280), auch der Aufbau des
Gesamtwerkes erlauben e6 dem Benutzer, die gleichen Gegenstände
mit einem Griff in allen zur Diskussion stehenden Kirchen
zu vergleichen. Die Literatur entspricht dem neuesten Stand. Die
Art der Beherrschung des Stoffes ist eindrucksvoll. Daß die
russisch-orthodoxe Kirche nur in den Abschnitten von Ous-
pensky und Hauptmann zu Worte kommt, ist eine Schwäche des
Gesamtwerkes, weil diese Kirche keineswegs nur ein Absenker
der byzantinischen Orthodoxie ist, sondern eine Erscheinung
mit durchaus eigener historischer und frömmigkeitsgeschichtlicher
Problematik. Zugleich muß diese Kritik aber auch eingeschränkt
werden, da e6 eine Gesamtdarstellung der russischen
Kirche unter konfessionskundlichen Aspekten nicht gibt und
in absehbarer Zeit auch nicht geben wird.

Halle/Saale Konrad O n a ic h

Stürmer, Karl: Konzilien und ökumenische Kirchenreriammlungen.

Abriß ihrer Gesdiidite. Göttingen: Vandenhoeck St Ruprecht [1962].
516 S. gr. 8° = Kirche und Konfession, Veröff. d. Konfessions-
kundl. Instituts d. Evang. Bundes, Bd. 3. Kart. DM 19.80; Lw.
DM 26.-.

Das Buch Karl Stürmers konnte in meinem Sammelbericht
zur Idee und Geschichte der christlichen Konzilien (ThLZ 87,
1962, Sp. 721 ff.) noch nicht besprochen werden. Es ist erst
danach erschienen. Es soll hier wenigstens in Kürze noch nachgebracht
werden. Offensichtlich ist es schon vor der Ankündigung
und vor dem Beginn des derzeitigen römischen Konzils
entstanden und abgeschlossen worden. An keiner Stelle wird
darauf verwiesen. In der Gegenüberstellung, wie allmählich
Idee und Wirklichkeit der Konzilien im Katholizismus konsequent
unmöglich und undenkbar werden und wie andererseits
in der nichtrömischen Ökumene die Idee und Wirklichkeit des
Konzils immer mehr Gestalt gewinnt, hat das Buch seinen Antrieb
und das Prinzip seines Aufbaus. Insofern ist der Vorwurf,
das Buch habe keine leitenden Gesichtspunkte, wie er (im
Spiegel Nr. 18 vom l.Mai 1963) erhoben wird, nicht ganz berechtigt
. Eher könnte man sagen, das Buch sei im Augenblick
6eines Erscheinens durch die Ereignisse der Gegenwart schon
überholt.

Dennoch ist es keineswegs unverdienstlich, auch wenn es
in der übrigen Konzilsliteratur schon manche Konkurrenz hat.
Am ehesten wäre ihm noch die Gesamtdarstellung von Peter
Meinhold zur Seite zu stellen. Stürmer stellt die Konzilsgeschichte
in einer recht nüchternen Weise dar. Er vermittelt
sehr viel Stoff und bringt gerade auch solche Konzilsbeschlüsse
im Detail, die weniger theologiegeschichtlich1 als etwa kulturgeschichtlich
bezeichnend und von Interesse sind. Ich denke
dabei z.B. an die S. 211 mitgeteilten Beschlüsse des 5. Lateranense
(1512—1517) über Leihhäuser, über die Zensur angesichts
des neu aufgekommenen Buchdrucks, über die Erfordernisse
der Predigt u. a. m. Auch die Zeittafeln, die der Verfasser
den einzelnen Kapiteln beigibt, sind von Wert, wenngleich
manchmal etwas überraschend.

Der Aufbau des Buches ergibt 6ich aus dem geschichtlichen
Ablauf, an den sich die Darstellung engstens anschließt. Es wird
zuerst die Geschichte der allgemeinen, dann der mittelalterlichen
, dann der beiden neu-katholischen Konzilien berichtet.

Daran schließt sich eine knappe Geschichte der ökumenischen
Bewegung und ihrer wichtigsten Versammlungen an. Jeweils —
und das ist die Besonderheit dieser Darstellung — faßt Stürmer
die Ergebnisse und sein Urteil in knappe Thesen zusammen, die
man am Ende des betreffenden Kapitels findet. Diese Thesen
sind eine beachtliche didaktische Leistung, aber sie sind doch
wohl etwas zu handfest.

So wird zusammenfassend von den Konzilien der alten
Kirche behauptet, ihre Thematik sei durch die Fragestellung der
Ostkirche bestimmt. Für sie sei typisch, daß auf Seins- und
Wesensbestimmungen ein Gewicht gelegt wurde, das ihnen in
den biblischen Aussagen nicht zukomme. Die westliche Stellungnahme
hätte dabei die Fronten aufgelockert. Die Dogmenbildung
habe ihr Ergebnis in Paradoxien gefunden, die ihrerseits
im Grund die hergebrachte Denkform sprengt. Die biblischen
Aussagen hätten sich als stärker erwiesen, als das an sie
herangetragene Denkschema. So allein konnten die dogmatischen
Entscheidungen der alten Kirche für die christliche Kirche
grundlegend werden (S. 84 f.). Das ist in heutiger Form die
Kritik Adolf Harnacks am altkirchlichen Dogma. Bei näherem
Zusehen kann keine Rede davon sein, daß die bleibende Autorität
des altkirchlichen Dogmas gleichsam nur in einer Überwindung
seiner Denkform begründet 6ei.

Bemerkenswert erscheinen mir die Thesen zur Eigenart der
Reformkonzilien des Mittelalters. Stürmer sieht den Antagonismus
der Professoren und der Bischöfe als für das Ergebnis bestimmend
an. Die Bischöfe suchen wieder Schutz bei der Kurie
und ermöglichen so die Zurückdrängung des Konziliarismus,
während umgekehrt die anderen Träger der Konzilsbewegung,
die Professoren und Theologen, ihre Stütze bei den weltlichen
Mächten suchen müssen. Ein grundsätzlicher Neuansatz beim
Neuen Testament sei in den Reformkonzilien nicht zu finden.
Es bleibt undeutlich, was man unter einem solchen Neuansatz
zu verstehen hat.

Nicht weniger handfest und dann doch undeutlich und unergiebig
ist etwa die These 7 in der Zusammenfassung des Tridentinums
: „So wichtig die Glaubengbegriffe waren, Trient
leitete nicht den Siegeszug einer neuen Lehre ein, sondern eine
gründliche Einübung im kirchlichen Gehorsam" (S. 302 ff.).
Hier wird doch die Aufgabe und die mögliche Absicht des
Tridentinums in eine falsche Alternative gerückt. Um eine neue
Lehre hat es sich weder für die Reformatoren noch erst recht
für die Konzilsväter des Tridentinums gehandelt. Umgekehrt
war der kirchliche Gehorsam auch die Voraussetzung des älteren
Katholizismus. Ähnlich massiv geht der Verf. mit der ersten
Konstitution des Vaticanum von 1869/70 um: „Mit dem
Axiom, daß die Vernunft als Gabe Gottes niemals der geoffenbarten
Glaubenswahrheit widersprechen dürfe, erhob das kirchliche
Lehramt den Anspruch, auch wissenschaftlicher Erkenntnis
vorschreiben zu können, was falsch sei, wie es beispielhaft
praktiziert wurde, als Galilei das kopernikani6che Weltsystem
widerrufen mußte" (S. 343 f.). Man kann die Konstitution
(Denz. 1797 f.) natürlich so interpretieren; denn sie ist auch so
gehandhabt worden. Aber es steckt doch vielmehr in ihr. Der
Satz, daß Glaube und Wissenschaft, daß Offenbarung und Vernunft
einander nicht widersprechen könnten — es heißt nicht:
„dürfen" — hat doch eine größere Tiefe und einen weiteren
Horizont als die Manipulationen des Lehramt vor und nach
1870.

Auch sonst ist die theologische Verarbeitung der Fragen,
die sich aus der Konzilsgeschichte ergeben, nicht immer zureichend
. Am peinlichsten fällt das auf im Einleitungskapitel
über die Reformation und das Tridentinum (S. 214 f.), wo sich
der Verfasser auf die vulgären Formen des heutigen protestantischen
Denkens beschränkt.

Ich breche hier ab. Das Buch hat seine Stärke und seine
große Verdienstlichkeit im Stofflichen, in der theologischen
Verarbeitung und Aktualisierung der Konzilsgeschichte läßt es
manches zu wünschen übrig.

Frankfurt/Main Karl Gerhard SI e ck