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Ausgabe:

1964

Spalte:

930-931

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Russell, Odo

Titel/Untertitel:

The Roman question 1964

Rezensent:

Delius, Walter

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Seite 1, Seite 2

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929

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 12

930

12. Juni 1411 in Cambrais; Verzeichnis der Irrtümer häretischer
Begarden und Beginen vom J. 1399 aus Cham/Oberpfalz) vergleicht
der Verfasser mit anderen Versionen, um dann deren
Inhalt zu prüfen und festzustellen, ob die Auffindung dieser
Akten auf dem böhmisch-mährischen Boden als ein Beleg für
die Verbreitung der beiden Bewegungen in Böhmen und Mähren
zu verwerten sei. Seine bejahende Antwort unterstützt der
Autor mit einer breiten Übersicht der bisherigen, auch tschechischen
, Literatur, die er zugleich kritisch analysiert, bis zu den
unlängst erschienenen Arbeiten von Marketa Machovcovä und
Robert Kalivoda. (Er konnte noch Amedeo Molnärs Abhandlung
Les vaudois et la Reforme tcheque in Bollettino della
Societä di studi valdesi, n. 103, 1958, 37—51, heranziehen.) Mit
Kalivoda stimmt er im Urteil über eine sozial konservative und
eine radikale Richtung unter den Waldensern überein, 60wie
auch in der Annahme, daß die Waldenser in Böhmen und Mähren
nicht auf die deutschen Kolonisten beschränkt geblieben
sind und daß das Waldensertum auf die Taboriten einen starken
Einfluß ausgeübt hat; jedoch dürfe man das Taboritentum nicht
einfach als ,,eine Addition von Wiclifismus + Waldensertum +
tschechischer Reformismus" betrachten (249).

Neben einem nützlichen Quellen- und Literaturverzeichnis (282
—284) ergänzt das Heft ein ziemlich umfangreicher Quellenanhang
(265—281) mit dem Abdruck der vier erwähnten Dokumente (Abweichungen
der anderen Versionen und Editionen sind in den Anmerkungen
angeführt), von denen einige Proben zum Schluß auf sechi
Tafeln beigefügt sind. Schon der Vergleich der abgedruckten Texte mit
diesen Fotokopien zeigt leider, daß die lateinischen Beilagen (und auch
manche Auszüge und Zitate aus denselben in der Abhandlung, wie
z. B. in der Anm. 64 auf der S. 232) mit zu geringer Sorgfalt veröffentlicht
und im Drucksatz korrigiert worden 6ind. Auch der Vergleich
des abgedruckten Olmützer Textes mit der Herausgabe von
Döllinger weist viele Mängel auf. Die Zahl der entweder durch unrichtige
Lesung der Handschrift oder durch Druckfehler entstandenen
> ersehen ist groß und stört den Leser, obgleich der des Lateinischen
Kundige die meisten Stellen selbst zu verbessern vermag. So ist z. B.
auf der S. 265, Z. 3, 4 und 6, des lat. Textes cuiusdam statt cui6dam,
Z. 9 ieiunant statt ieunant, Z. 13 videtur statt videbit zu lesen; in der
Anm. g (nach Döllinger) lanifex quidam Johannes statt carnifex
quondam Johannes; auf der S. 266, Z. 3, lies proficiuntur statt praefi-
ciuntur; Z. 4 Quando statt Quod; 13 6unt statt 6int; 15 aliquid statt
aliquo; 16 quaerit statt quaeritur; credat statt credit; 26 quibus-
cunque statt qualibuscumque; 29 per statt pro; S. 272, Z. 3, lies ad
te statt a te; S. 273 Anm. ao religionibus statt religiosibus; novas
missas statt nonas, missas; S. 275, Art, 8, pro statt per; im Art. 9 ist
nach tunc noch solum, im Art. 12 nach Apostolorum noch persecu-
tores beizufügen; im Art. 22 lies omne statt omnem, promittes statt
permittes; im Art. 30 (S. 276) non oportet statt oportet usw. Audi
viele tschechische Namen und Titel sind zu verbessern, von denen
freilich manche dann im Literaturverzeichnis richtig angeführt werden.
S. 219, Z. 15, ist Petr von Klatovy (nicht Kladov) zu lesen.

Unsere textkritische Bemerkungen wollen die Bedeutung
des Beitrages nicht verkleinern, den Werners Abhandlung für
die Erforschung dieses wichtigen Themas darstellt.

Prag Rudolf ftlcin

C 1 a s e n, Sophronius: Franziskus, der Gottes Absicht noch nicht erkannte
(Wissenschaft und Weisheit 27, 1964 S. 117-128).

E p p i n g, Adelhard: Zu Bonaventuras Schrift De reductione artium
ad theologiam (Wissenschaft und Weisheit 27, 1964 S. 100—116).

G e r k e n, Alexander: Der johanneische Ansatz in der Christologie
Bonaventuras (Wissenschaft und Weisheit 27, 1964 S. 80—100).

Haendler, Gert: Kaisertum und Papsttum bis zu Nikolaus I. ausgewählt
und eingeleitet. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1964. 122 S.
kl. 8° = Quellen. Ausgewählte Texte a. d. Geschichte d. christl.
Kirche, hrsg. v. H. Ristow u. W.Schultz, H. 18. DM 3.50.

H ö d 1, Ludwig: Die neuen Quästionen der Gnadentheologie des Johannes
von Rupella OM (+ 1245) in Cod. lat. Paris. 14726. München
: Hueber 1964. 91 S. gr. 8° = Mitteilungen d. Grabmann-
Instituts d. Univ. München, hrsg. v. M. Schmaus, H. 8. Kart.
DM. 15.-.

Karpp, Heinrich: Die Bibel in der mittelalterlichen Kirche (ThR 29,

1963 S. 301—334).
Mainka, Rudolf: Das Unionsgespräch einiger Franziskaner aus

Dorpat mit orthodoxen Priestern aus Pleskau/Pskov im Jahre 1491

(FS 46, 1964 S. 102-118).

R e b e r, Ortrud: Die Gestaltung des Kultus weiblicher Heiliger im
Spätmittelalter. Die Verehrung der Heiligen Elisabeth, Klara, Hedwig
und Birgitta. Hersbruck: Karl Pfeiffer i. Komm. 1963. XII,
288 S., 1 Taf. 8°. Kart. DM 18.-.

Roggen, Heribert: Die Lebensform des hl. Franziskus von Assisi
in ihrem Verhältnis zur feudalen und bürgerlichen Gesellschaft Italiens
(FS 46, 1964 S. 1—57).

Trapp, Damasus: Notes on John Klenkok O. S. A. (f 1374)
Augustinianum 4, 1964 S. 3 58—104).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

B I a k i ■ t o n, Noel: The Roman Quection. Extracts from the
despatches of Odo Russell from Rome 1858 — 1870 ed. London:
Chapman and Hall [1962]. XLL 474 S., 1 Ktn.-Skizze, 1 Titelb.,
30 Taf. 8°. Lw. 63».

Das erste Vatikanum i6t durch die gegenwärtige Tagung
des Konzils wieder in das Licht der Geschichte gerückt worden.
Neben der Darstellung, welche als Teilnehmer des ersten Vatikanum
der englische Erzbischof von Westminster H. E. Manning:
in 6einem Buch „The true Story of the Vatican Council",
London 1877, deutsch 1877 niedergelegt hat, hat nunmehr
Noel Blakiston die vertraulichen und geheimen Berichte des
englischen Agenten Odo Russell aus den Jahren 1858 — 1870
veröffentlicht. Fj6 ist hier nicht möglich, alle 536 Berichte, die
meist im Auszug wiedergegeben sind, zu besprechen. Es wäre
dann nötig, auch auf die verschiedenen politischen und kirchlichen
Ereignisse einzugehen, welche Gegenstand der Erörterungen
Russells sind. Die interessantesten Berichte haben das erste
Vatikanische Konzil zum Inhalt. Sie umfassen die Nr. 404—536.

Die Berichte, die zum Teil in den Sessional Papers des
House of Commons und des Hou6e of Lords, ferner in den
vertraulichen Drucken des Foreign Office veröffentlicht sind,
stammen aus dem Foreign Office und zwei von ihnen aus der
Bodleian Library in Oxford.

Der Veröffentlichung der Berichte schickt der Herausgeber
eine umfangreiche Darstellung der persönlichen Verhältnisse
Odo Russells voraus, bei der er private Papiere der Familie benutzen
durfte.

Odo Russell, geboren am 20. Februar 1829 in Florenz,
trat wie sein Vater Lord William Russell frühzeitig in den
diplomatischen Dienst und war bereits mit 20 Jahren Attache
an der englischen Botschaft in Wien. Unter den Prime Ministers
Palmerston und Granville war er im Auswärtigen Amt in London
und dann anschließend in Paris, Konstantinopel, Washington
und Rom diplomatisch tätig. Im November 1870 wurde er
in einer Spezialmission zu Bismarck nach Versailles geschickt.
Am 16. Oktober 1871 wurde er Gesandter in Berlin, wo er am
25. August 1884 starb.

Eine umfassende Bildung machte ihn geistig zum Kosmopoliten
mit einer bestimmten Neigung zum deutschen Kulturgut,
die ihn immer wieder deutsche Worte in seine Briefe einschließen
ließ. Als er Ende 1858 nach Rom kam, brachte er, obwohl
noch nicht 30 Jahre alt, eine zehnjährige diplomatische Erfahrung
mit. Er erlebte hier Rom, die Kurie, das diplomatische
Korps und die dramatische Periode des italienischen Risorgi-
mento in den Jahren 1859/60. Den Höhepunkt seiner Tätigkeit
bildete das erste Vatikanum 1869/70.

Für die Bedeutung der Berichte über das Konzil ist die
Tatsache wichtig, daß der Kardinalstaatssekretär Antonelli und
durch ihn Papst Pius IX. ein gewisses Vertrauensverhältnis zu
Russell hatten. Bereits bei der Vorbereitung des Konzils wird
Russell klar, daß eine Opposition der auswärtigen Bischöfe
kaum zum Zuge kommen wird. „Sie werden unangenehm überrascht
sein, sich zu Beschlüssen genötigt zu sehen, welche sie
zu verwerfen beabsichtigten" (Nr. 404). Russell irrte allerdings,
wenn er überhaupt mit keiner Gegnerschaft der Bischöfe gegen
die vom Hlg. Stuhl gewünschte Infallibilität gerechnet hatte
(Nr. 408). Ausschlaggebend für diese irrige Annahme war ihm
wohl die Erklärung Antonellis, daß die ex cathedra Infallibilität
des Papstes ein Artikel des Glaubens und darum keine Diskussion
über sie gestattet sei. Als Russell bei diesem Gespräch
seiner Überraschung Ausdruck gab, sagte Antonelli, daß der