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Ausgabe:

1964

Spalte:

920-921

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Antike und Christentum ; 1961 1964

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 12

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Annahme und schließt eine andere Beurteilung keineswegs aus, sodaß
man alles in allem doch fragen muß, ob der Verf. bei Joh. und Syn.
nicht andere Möglichkeiten der Erklärung, bei denen es nicht nötig
wäre, die Eintagechronologie aufzugeben (Parallelberichte, Verdoppelungen
, Weiterbildungen), zu wenig berücksichtigt hat, wenn er seinerseits
immer entschiedener auf eine Mchrtagechronologie zusteuert.

Dies geschieht in dem Unterabschnitt „Die Mehrtagechronologie
" (S. 50—5 5). Dabei ist klar, daß der Umstand, daß es bei
Annahme einer Mehrtagechronologie möglich ist, die verschiedenen
Ereignisse in dieser Zeitspanne sozusagen bequem unterzubringen
, an sich noch kein zwingender Beweis dafür sein kann,
daß diese Annahme auch zu Recht gemacht wird. Das Gleiche gilt
von den Beobachtungen, die im Abschnitt 6 „Die Mehrtagechronologie
in der christlichen Überlieferung" (S. 55—67) zusammengetragen
sind, wobei den breitesten Raum die sehr beachtliche
Untersuchung der Syr. Didaskalie einnimmt (S. 5 5—63).

Wenn der Verf. unter Umgehung der Möglichkeit einer
Zweitagechronologie sogleich eine Mehrtagechronolgie annimmt
(S. 55: „von Dienstagnacht/Mittwochmorgen bis gegen Freitagabend
"), so ist für ihn hierbei weniger die Syr. Didaskalie maßgebend
als vielmehr der Umstand, daß er damit Anschluß an den
Qumran-Kalender gewinnt, in dem Jahresbeginn und Pascha an
einem Mittwoch gelegen haben. Denn das ist nun seine Hauptthese
, daß Jesu Letztes Mahl ein Paschamahl nach dem essenischen
Qumrankalender, gefeiert am Dienstagabend, gewesen sei.
Diese These ist eingebettet in eine sehr umfängliche und in ihrer
Weise durchaus verdienstliche Darstellung der Geschichte dieses
Kalenders (in Weiterführung der Untersuchungen von A. Jaubert,
denen der Verf. schon früher sekundiert hat). Im Abschnitt 7
„Der Beitrag des Schrifttums von Qumran" (S. 67—120) werden
zunächst „A. Der Kalender der Jubiläen" (S. 68—73), sodann
„B. Der Kalender von Qumran" (S. 73—75) und darauf „C. Die
Geschichte dieses Kalenders" (S. 75—99) behandelt. Ein Angelpunkt
füT die Beweisführung des Verf. ist hierbei seine Verwertung
von Josephus, Ant. 18, 19. Er versteht diese Stelle dahin
, daß die Essener in herodianischer Zeit „im Tempel einen abgesonderten
Bezirk und eine eigene Opferstätte hatten" (S. 89).
Ist er mit dieser Auslegung im Recht?

Nach S. 89 soll die Stelle (sie sei „ziemlich klar") „kaum anders
verstanden werden" können. Demgegenüber bedeutet es eine
kleine Abschwächung, wenn es nach S. 105. 112. 118 nur als „sehr
wahrscheinlich" (nach S. 123 als „höchstwahrscheinlich") gilt, daß die
Essener in der fraglichen Zeit einen eigenen Opferbezirk im Jerusalemer
Tempel gehabt haben sollen. Diese Abschwächung ist durchaus
begreiflich, denn als eindeutiges Zeugnis wird man die genannte Jos.-
Stelle nun wirklich nicht nehmen können (sie weist m. E. eher in die
Richtung eines Fernbleibens der Essener vom Tempel). Selbst wenn die
Stelle aber doch das besagen sollte, was der Verf. ihr entnimmt, wäre
es einmal eine bloße Vermutung, daß die Essener auch noch
während der Wirksamkeit Jesu diesen abgesonderten Bezirk im Tempel
besessen haben müßten, in einer Zeit also, als längst „unter
Archelaus ein Teil der Qumranmönche wieder nach Qumran zurückgekehrt
war" (S. 106; vgl. S. 123), und zum anderen müßte es doch
mehr als fraglich sein, ob Nicht-Essener wie die Jünger Jesu 6ich an
der Schlachtung der Paschalämmer im essenischen Tempelbezirk am
Dienstagnachmittag hätten beteiligen dürfen, wie der Verf. S. 106
voraussetzt. Wenn er übrigens anschließend für den Fall, daß die
Essener ihre Paschalämmer in dieser Zeit doch nicht mehr zum Tempel
hätten bringen können, erwägt, daß sie sich eventuell auch mit in
Jerusalem hausgeschlachteten Paschalämmern begnügt haben könnten,
6o beruft er sidi für die Möglichkeit von solchen Hausschlachtungen
zu Unrecht auf Philo, Spec. Leg. II 148 (S. 106 f.), insofern diese Stelle
diese Deutung nicht zuläßt.

Wie aus dem Vorstehenden bereits zu ersehen ist, nimmt
der Verf. an, daß Jesus den Essenern sehr nahegestanden hat,
„auch wenn er nicht Essener im Vollsinn war" (S. 107). Der
ganze Teil D „Altpriesterlicher Kalender und Chronologie des
Leidens Jesu" (S. 94—120) trägt Material für diese These zusammen
, daß Jesu Letztes Mahl ein essenisches Paschamahl gewesen
sei. Besonderes Gewicht kommt dem (wiederum Anregungen
von A. Jaubert weiterführenden) Unterabschnitt „Jesus und
die essenischen Kreise" (S. 107—112) zu. Gerade hier aber häufen
sich die Bedenken. Etwa zu S. 111: „Wie kam es, daß Jesus ehelos
blieb? Sollen wir das nur chri6tologisdi erklären und nicht
auch aus seiner Umwelt heraus? Warum wollte «eine Mutter

jungfräulich bleiben? Spielten hier nicht von Anfang an Verbindungen
mit dem Essenismus eine Rolle?" Oder: wenn Lazarus.
Maria und Martha ehelos gelebt hätten, so lasse sich das „kaum
anders verständlich machen als durch die Zugehörigkeit dieser
drei Menschen zu einer essenischen Gemeinde" (S. 112). Es überrascht
daher nicht, daß das völlige Schweigen der Evangelien über
die Essener gar als „eine gewisse Anerkennung ihrer Einstellung
Jesu gegenüber" aufgefaßt wird (S. 110).

Einen völligen Ausgleich zwischen der syn. und der joh.
Chronologie der Passionswoche kann auch der Verf. freilich
nicht erreichen. Schließlich vermag auch er nicht zu behaupten,
das Letzte Mahl Jesu habe nach Joh. am Dienstagabend stattgefunden
. Aber im letzten Abschnitt „Einwände und Antworten
", mit dem der Zweite Teil schließt (S. 113—120), versucht
er wenigstens noch, einige Schwierigkeiten zu beseitigen
(von seiner Sicht aus natürlich), um seine Untersuchung dann mit
einer „Übersicht über die Ergebnisse" (S. 120—124) zu beenden.

Es ist kein Zweifel, daß es sich um eine sehr kenntnisreiche
Untersuchung handelt, wie auch anzuerkennen ist, mit welchem
Geschick der Verf. seine Leser durch das Dickicht der Prob-ieme
zu führen versteht. Daß es ihm jedoch gelungen sei, seine Konzeption
als die beste der möglichen Lösungen zu erweisen, das
freilich wird man nicht sagen können.

Bern • Wilhelm M ich a e 1 i s

Bomann, Thorleif: Paulus abortivus (1. Kor. 15,8) (StTh 18, 1964
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Braun, Herbert: Vom Verstehen des Neuen Testaments (ZdZ 18,
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Ell wein, Eduard: Heilsgegenwart und Heilszukunft im Neuen Testament
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Grumm, M. H: Motivation in Paul's Epistles (Concordia Theological
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Linton, Olof: St. Matthew 5,43 (StTh 18, 1964 S. 66—79).

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Noack, Bent: lacobus wider die Reichen (StTh 18, 1964 S. 10—25).

Rottmann, Hans: Der Apostolat Pauli nach Apg. 15 und Gal. 1
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KIRCHEN GESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Jahrbuch für Antike und Christentum. Hrsg. v. Franz-Josep'i-
Dölger-Institut a. d. Universität Bonn. Schriftleitung: Th. Klauser,
A. Stuiber, A.Hermann. Jg. 4, 1961. Münster: Aschendorff [1962].
198 S. m. 18 Abb., 12 Taf. 4°. Kart. DM 25.-; Lw. DM 28.—.

Das neue Jahrbuch steht den früheren in der Anlage und
auch nach inhaltlicher Bedeutung gleich. Neben einer größeren
Anzahl kluger Besprechungen von in den Bereich des RAC gehörigen
Büchern bringt es wieder zwei wertvolle Ergänzungsartikel
(„Aeneas" und Ilona O p e 11 und „Arator" von
T h r a e d e). Die Aufsätze betreffen sowohl die Archäologie
wie die Literatur- und Geistesgeschichte und zeigen auf diesem
Gebiet eine gewisse thematische Gruppierung: die politische
Theologie, die Bedeutung der literarischen Topoi und die Bildersprache
stehen im Vordergrund.

Den Band eröffnet wieder ein neuer (IV.) Beitrag von Frz. Jos.
Dölger „Zur Geschichte des Kreuzeszeichens". Er weist auf literarischem
Wege die Sitte nach, sich beim Beginn des Aufsagens des Credo
zu bekreuzigen, führt sie auf die Bekreuzigung der Katechumenen bei
der Aufnahme zurück und möchte sie — nicht ganz zwingend — an
die apostolische Zeit „sehr nahe" heranrücken. Auf Grund ausschließlich
monumentaler Dokumente behandelt O. Nussbaum eingehend
das „Problem der runden und sigmaförmigen Altarplatten", für die er