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1964

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Altes Testament

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911

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 12

912

Ausgehend von der These, daß das Gottesbild das Bild
dessen ist, „was uns unbedingt angeht", und vom Selbstverständnis
des Menschen zu unterscheiden sei, kommt der Verfasser
zu der Meinung, daß auch das alttestamentliche Gottesbild
ursprünglich einmal eine gleichberechtigte Syzygie des
Männlichen und Weiblichen, des Bewußten und Unbewußten aufgewiesen
habe. Dabei erscheint ihm die Lade als Symbol des
Weiblichen, und er versucht mit ausgezeichneter Bibelkenntnis
und einer ausgebreiteten Beherrschung der einschlägigen Literatur
bis hin zum Talmud diese seine These zu untermauern. Dabei
geht er allerdings mit der geschichtlichen Situation sehr
kühn um und vermischt Heterogenes. Immerhin gibt seine reiche
Materialsammlung mancherlei Anregung und läßt vor allem das
Problem, für das er unverständlicherweise die Elephantinepapyri
nicht heranzieht, klar hervortreten, ob nicht den religionsgeschichtlichen
Nebenfiguren im Alten Testament und den Volkskulten
mehr Beachtung geschenkt werden müßte, um von da aus
die jahwistische Reaktion besser zu deuten. Ärgerlich sind einige
lapsus calami wie: „membrum virilis", „zaba haschamajim (Heer
des Himmels), zaba hajahve (Heer des Jahve)", „die kabod"
usw., so wie unmögliche Etymologien wie der auf S. 25 stehende
Satz: „Gleich dem deutschen Verb bergen zu Berg steht im
Hebräischen harah zu har (= Berg) in der Bedeutung von
empfangen, schwanger werden, und die Substantivform horeh
heißt Mutter."

Erlangen Leonhard Rost

Gronbaeck, Jakob: Juda und Amalek. Überlieferungsgeschichtliche
Erwägungen zu Exodus 17,8—16 (StTh 18, 1964 S. 26—45).

Mattill, A. J.: Representative Universalism and the Conquest of
Canaan (Concordia Theological Monthly 3 5, 1964 S. 8—17).

Rainey, A. F.: A Study of Ecclesiastes (Concordia Theological
Monthly 35, 1964 S. 148—157).

NEUES TESTAMENT

Becker, Ulrich: Jesus und die Ehebrecherin. Untersuchungen zur
Text- und Überlieferungsgeschichte von Joh. 7, 53 — 8, 11. Berlin:
Töpelmann 1963. XII, 203 S. gr. 8° = Beihefte z. Zeitschrift f. d.
neutestamentl. Wissenschaft u. d. Kunde d. älteren Kirche, hrsg. v.
W. Eltester, Beiheft 28. DM 28.—.

L

In seiner für den Druck erweiterten und überarbeiteten
Erlanger Dissertation behandelt der Verf. in einer ebenso
methodisch gründlichen wie quellenmäßig und literaturgeschichtlich
umfassenden Weise die Text- und Überlieferungsgeschichte
dieses seltsamen Fremdkörpers im 4. Evangelium. Er
verweist eingangs auf die 1641 von H. Grotius ausgesprochene
Vermutung, daß Joh 7, 53—8, 11 nicht ins 4. Evangelium
gehöre, sondern aus mündlicher apostolischer Überlieferung
stamme und von Papias oder anderen Johannesjüngern dem
4. Evangelium eingefügt worden sei, nachdem ihm mit vorsichtig
formuliertem Zweifel Erasmus und Theodor Beza vorangegangen
waren. 1831 konnte Lachmann, gestützt auf textgeschichtliche
Befunde, diese Perikope dem Johannesevangelium
absprechen und sie aus dem Haupttext entfernen. Heute gilt
die „Unechtheit" im 4. Evangelium als communis opinio, die
z. B. in den Kommentaren von A. Schlatter, R. Bultmann und
C. H. Dodd in einer kurzen Notiz unter Verzicht auf eine Auslegung
zum Ausdruck kommt. Mit Recht hebt B. hervor, daß
dieses eine negative Ergebnis keineswegs die Fülle weiterer Probleme
löst, welche diese Perikope darbietet und die sich etwa
in Fragen ausdrücken wie diesen: „Ist die Geschichte kein ursprünglicher
Bestandteil des Johannesevangeliums, wo gehört
sie dann hin? Stammt sie aus mündlicher oder schriftlicher
Überlieferung? Ist die Heimat im synoptischen oder johanne-
ischen Überlieferungskreis zu suchen? Bietet sie wirklich alte
Überlieferung, vielleicht nachweislich apostolischen Ursprungs,
oder ist sie ein apokryphes Stück, in nachapostolischer Zeit entstanden
, vielleicht tendenziöse Erdichtung? Und wer erfand siedann,
wann, warum? Und wie ist es zu erklären, daß sie nachträglich
ein Bestandteil des vierten Evangeliums geworden ist?" (S. 2).

Mit gleichem Recht schließt B. seine Einleitung mit der
Erkenntnis ab (S. 7), daß die Beantwortung dieser Fragen zur
Text- und Überlieferungsgeschichte über die Echtheit dieser
Erzählung noch gar nichts aussagen kann, da ein solches Urteil
nur vom Inhalt der Perikope her zu fällen sei. Und daß sie bei
historisch kritisch festgestellter Unechtheit ihrem Inhalt nach
ein ausgezeichnetes Zeugnis „christlichen Bewußtseins" darstellt
oder „eine verlorene Perle alter Überlieferung" sei,
haben Gelehrte wie F. C. Baur, W. Heitmüller, W. Bousset, aber
auch H. Strathmann bezeugt. Wie soll nun bei dieser Diskrepanz
zwischen innerer Qualität und äußerer Bezeugung eine
Erklärung gefunden werden? Alle Möglichkeiten von mündlicher
Überlieferung über einen Urmarkus, Urmatthäu6 oder Ur-
lukas, zu Papias, oder einem apokryphen Evangelium (Hebr.
Petrusevg.?) sind im Lauf der 1 % Jahrhunderte seit de Wette
erwogen worden.

Theodor Zahn stellte mit Vorbehalt eine doppelte Traditionslinie
auf: aus der mündlichen Tradition der jüdischen
Christenheit Palästinas ins Hebräerevangelium oder aus der
mündlichen Erzählung kleinasiati6cher Jünger des Herrn in das
Werk des Papias. Da seit Zahn dieses Problem nur am Rande
behandelt wurde, stehen wir praktisch, wie Becker S. 6 anmerkt
, noch bei der Fragestellung des Hugo Grotius.

B. baut seine Untersuchung nun so auf, daß er 3 Hauptteile
macht: Die Perikope 1.) in der kanonischen, 2.) der außerkanonischen
Überlieferung und 3.) das Ergebnis. Der erste
Hauptteil zerfällt wieder in eine Darstellung des textgeschichtlichen
und sprachlich stilistischen Befundes.

Ersterer S. 8—42 einschließlich einer Auswertung, letzterer
S. 43—73 mit einem Anhang (III) über die Stellung der PE
(= ständige Abkürzung für „Perikope von der Ehebrecherin")
im Zusammenhang der Kapitel Joh 7 und 8 und die Stilform
(IV). Als Ergebnis stelle ich zusammenfassend heraus:

1. ) Die ältesten griechischen Zeugen (n, B, C al 33al) einschließlich
p66 bieten Joh 7, 53 ff. nicht. In der zahlenmäßig
größeren Zeugenreihe D, E, F, G al ist die Perikope häufig als
zweifelhaft gekennzeichnet. Wichtige Handschriften wie L, T,
Z, A, S, W,33 u. a. kennen diese Perikope nicht.

Die bisher kaum beachtete Notiz in min 1006, daß diese
Perikope dem Thomasevangelium angehöre (S. 11), veranlaßt
Becker S. 145 ff. zur Nachprüfung dieser Angabe. Trotzdem PE
unter den 114 Logien des in Nag Hammadi aufgefundenen Thomasevangeliums
fehlt, ist das kein schlüssiger Gegenbeweis, da
es mehrere Bearbeitungen dieses Evg gegeben hat und somit die
Fassung von Nag Hammadi weder die erste noch die endgültige
gewesen sein wird (H. C. Puech).

B. meint, man müsse sich die Nacherzählung der PE in
einem Thomasevangelium ähnlich verändert (im Verhältnis zu
Joh 7, 53 ff.) denken wie die Zinsgroschengeschichte Mk 12,
13 ff. im Verhältnis zum Logion 100 des Thomasevg (S. 149,
Anm. 16).

Die alte These von Grotius erfährt also durch diese neuen
Funde eine Bestätigung. Da es keine einen überlieferten Text
überwachende Instanz gab, konnte jeder Abschreiber und jede
kirchliche Gruppe je nach Geschmack und Tendenz die Texte
ändern (149).

2. ) Die alten syrischen Übersetzungen Sinaiticus Curetonianus
und Peschitta kennen die PE nicht. Jüngere Formen
dieser Übersetzungen — deren Gwynn 3 ermittelt hat — weisen
in die erste Hälfte des 7. Jhdts, wenn sie mit der Notiz recht
haben, ein „Abt Mar Paulus" habe PE in alexandrinischen
Texten gefunden und übersetzt (ob Paulus von Telia (+ 616)
oder Abt Paulus, der u. a. Werke des Gregor von Nazianz ins
Syrische übersetzte, in Frage kommt, ist unklar). In der
2. Gruppe steht eine leicht veränderte Form dieser Übrsetzung,
in der 3. eine Form, die bis in eine anonyme Weltchronik des
Jahres 569 zurück verfolgt werden kann; d.h. erst im 6. Jhdt.
taucht PE in syrischen Übersetzungen auf.

Hätten wir Tatians Diatessaron, wäre rasch Klarheit zu
schaffen. So muß aber östlich morgenländische Überlieferung
nach Zitaten überprüft werden (Ephrem, Afrahat u. a.), ebenso