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Ausgabe:

1964

Spalte:

68

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Lüthi, Walter

Titel/Untertitel:

Der Erlöser 1964

Rezensent:

Kiesow, Ernst-Rüdiger

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

68

das Ziel, das „Wozu" der Heilung, in der Heiligung, der gehorsamen
Nachfolge Christi.

Im Hinblick auf den „Patienten von heute", dessen
Charakteristik ein besonderer sehr aufschlußreicher Beitrag gewidmet
ist ( H. H u e b s c h m a n n, 44 ff.), werden die „Grundlinien
einer zeitgemäßen Krankenhausseelsorge" (63 ff.) von
H. J ü n g e 1 treffend herausgearbeitet. Die Frage „ Was ist
eigentlich Seelsorge" bestimmt hier wie in einem besonderen
Beitrag des Herausgebers die kritische Auseinandersetzung mit
der bisherigen Form der Seelsorge. Einstimmig wird dabei die
stärkere Beachtung der diagnostischen Aufgabe, wird „Personen-
kundigkeit" (G. Spinner) gefordert in der Erkenntnis, daß
der Mensch als Leib-Seele-Geist-Einheit krank ist und die medizinische
wie seelsorgerliche Hilfe wirksam nur in bezug auf die
individuelle Lebens- und Schicksalslage und damit verbundene
Glaubenshaltung des Patienten erfolgen kann. Darum werden auch
die Einbeziehung psychologischer und tiefenpsychologischer Erfahrungen
und die „Zusammenarbeit Arzt und Seelsorger"
(G. Spinner, 38 ff.) als Aufgabe und als Problem gesehen. Diese
Zusammenarbeit ergibt sich ebenso aus „Segen und Grenzen
der Medizin", die K. Thomas recht interessant auch an Hand
von statistischem Material darstellt (95 ff.).

Der zweite Teil bringt eine psychologisch wie medizinisch
sachkundige Charakteristik der wichtigsten Gruppen von Kranken
und — über die darin liegende Hilfe zum individuellen
Verständnis hinaus — praktische Hinweise für die jeweils notwendige
Behandlung und die richtige Einstellung zu den Kranken
. W. Dicke skizziert das kranke Kind in seinen Phasenhaltungen
und dem alteretypischen Glaubensleben und gibt sehr
konkrete Ratschläge für die Beschäftigung und Verkündigung.
O. Haendler arbeitet in feinfühlender Weise die Wandlungen
im Lebensgefühl des alten Menschen heraus, seine Einsamkeit
im sich verringernden Aufgabenkreis, die Last der Altersbeschwerden
und daraus entstehenden Gefährdungen und zeigt
demgegenüber die positiven Möglichkeiten auf in der wachsenden
Fähigkeit zur Distanz, Gelassenheit und Sammlung und
in der Bereitschaft zum Abschiednehmen. Sie sind zugleich
Ansatzpunkte für die seelsorgerische Hilfe. Ein psychologisch
differenzierter Beitrag orientiert über die Typen der Lungenkranken
und ihre Behandlung (H. Löprich). H. Jüngel weiß
in seiner Darstellung der chronisch Kranken zugleich den Sinn
ihres Leidens deutlich zu machen. Und in ähnlicher Weise
werden in Beiträgen, die in ihrem Wert nicht nachstehen, die
Lage und die Hilfe für die Wöchnerinnen, die Unheilbaren,
Unfallkranken, seelisch Kranken u. a. aufgezeigt.

Der dritte Teil ist Einzelfragen gewidmet, die unmittelbar
aus der Praxis erwachsen und deren theologische Klärung nicht
nur für die Krankenhausseelsorge von Bedeutung ist. Aus
echter Erfahrung sind die Fragen ausgewählt, die den Seelsorger
besonders bewegen. K. Thomas behandelt z. B. die Frage der
Handauflegung, „Die Versuchung zum Selbstmord", „Die Angst
und ihre Überwindung" in sachlich-knapper, zugleich kritischer
Weise und bringt wertvolle Literaturhinweise dazu. Mehrfach
wird vom Segen der Beichte und des Abendmahls gesprochen,
nicht nur in den eigens hierfür bestimmten Aufsätzen von
O. Planck und G. Nagel. Zu den zentralen Themen:
„Die Geduld des Seelsorgers" und „Die Geduld des Patienten"
und dem Problem des „ Hernach (nach der Entlassung)"
(F. Bosch) werden bis in letzte Tiefen reichende seelsorgerliche
Hinweise gegeben. Das gleiche gilt für die Betrachtung
der Wirklichkeiten Schmerz, Tod, Sterben. Wenn es hierbei wie
auch bei den grundsätzlichen Fragen des ersten Teiles zu
Wiederholungen und Überschneidungen kommt, so empfindet
man das nicht als Mangel, sondern als einen Ausdruck der
Einheitlichkeit der theologisch-seelsorgerlichen Auffassung in
Beiträgen, die sich in der erfreulichsten Weise ergänzen.

Den Abschluß bilden drei kürzere, aber unentbehrliche
Teile: „Der Kreis der Helfer", der über die Krankenfürsorgerin
und den St. Lukas-Orden orientiert, „Begegnung mit Nichtevangelischen
" und „Praktisches und Methodisches". Dankbar
wird jeder heute in seelsorgerlicher Arbeit Stehende die hierher
gehörigen von reicher Erfahrung zeugenden Beiträge lesen.

Denn wem wäre nicht schon „Das Verhältnis des Pfarrers zu
Andersgläubigen" (G. Nagel), „Die Begegnung mit Sektierern
" (W. Oberdieck) und „Die Seelsorge an Indifferenten
" zur beunruhigenden Frage geworden. Hier werden Hilfen
und Antworten gegeben, ebenso in den sehr guten methodischen
Hinweisen zum Besuchsdienst (W. Pressel) und zur
„Öffentlichen Wortverkündigung im Krankenhaus" (E. B e i s e 1).

Die anfangs gekennzeichnete Aufgabe, die sich der Herausgeber
gestellt hat, darf als erfüllt gelten. Ohne die theologische
Grundlegung zu übergehen, bleiben die Beiträge nicht in theoretischen
Erörterungen stecken. In sachlich knapper auf das
Wesentliche konzentrierter Form orientieren sie vielseitig in
den wichtigsten Sachgebieten der Krankenseelsorge — auch die
juristische Seite ist nicht vergessen — und beantworten viele Fragen
seelsorgerlicher Praxis in Richtung der Verkündigungsinhalte
, der Behandlungs-, Besuchs- und Gesprächsmethode und
der Haltung des Helfers. Die Grundhaltung, die durchgängig
vom Betreuer gefordert wird, ist das Ernstnehmen des Leidenden
als Person, d. h. als Kind Gottes und als Bruder.

Etwas mehr als dies schon geschehen ist, könnten psychologische
und psychotherapeutische Erfahrungen — evtl. in einer
Neuauflage — aufgenommen werden und mehr Ärzte und Therapeuten
zu Wort kommen. Aber auch in der vorliegenden Form
ist die Sammlung ein wertvolles kleines Handbuch, das jeder
Seelsorger und alle, die sich zu seelsorgerlichem Dienst am
Kranken gerufen sehen, besitzen sollte.

Leipzig Adelheid Rensch

Lüthi, Walter, u. Eduard Thurneysen: Der Erlöser. Dreißig
Predigten. Basel: F. Reinhardt o. J. 234 S. 8°. Kart. DM 8.80; Lw.
DM 11.80.

Die gemeinsame Herausgabe dieser Predigten (wie auch
schon früherer) entspricht einer großen Verwandtschaft der
Theologie und des homiletischen Stils ihrer Verfasser. Der Versuch
, den jeweiligen Verf. ohne Beachtung der Namensangaben
im Inhaltsverzeichnis aus dem Gelesenen selbst zu ermitteln, ist
dem Rez. nur bei ungefähr der Hälfte der Fälle gelungen; erst
nach näherem Vergleich wirken L.s Beiträge im Durchschnitt
noch etwas eindrücklicher und anregender als die von Th.
Beide Prediger wissen die Hörer ganz positiv in das Gespräch
mit der biblischen Botschaft hineinzunehmen; sie bieten — in
lockereT Auswahl aus dem Kirchenjahr — zentrale Verkündigung
, die tiefgründig durchdacht, plastisch gestaltet und treffend
formuliert sowie an vielen realistischen Beispielen und Hinweisen
konkretisiert ist (bes. gut etwa Th., S. 25 u. 32, oder L.,
S. 46 u. 68 ).

Vom Standpunkt der jüngeren Theologengeneration aus
fällt uns allerdings des öfteren ein gewisser theologischer
Positivismus auf, der die Texte zu weitgehend bejaht und zugunsten
der dogmatischen oder homiletischen Intention auf
Erkenntnisse kritischer Exegese verzichtet. Einflüsse der herme-
neutischen Debatte oder der Auseinandersetzung mit moderner
Religionskritik spürt man hier wenig, so sehr sonst das Zeit-
und Lokalkolorit der Gegenwart — von der „unbewältigten"
schweizerischen ( ! ) Vergangenheit bis hin zur Atombombe und
zu den Sekten — eindeutig hervortritt. Kleine polemische Bemerkungen
wie die zu den Gesundbetern (189 f.) oder zur keimfreien
Mondrakete (192) stimmen nicht ganz mit der wissenschaftlichen
Einsicht in die Phänomene überein — und auch
nicht mit dem insgesamt hohen Niveau des Buches, das im
übrigen zweifellos sowohl unter den predigenden wie unter den
hörenden Christen dankbare Leser finden wird.

Berlin-Pankow Ernst-Rüdiger Kiesow

Blumhardt, Christoph: Hausandachten für alle Tage des Jahres.
4. Aufl. der von E. Jäckh hrsg. Ausg., nochmals durchges. Zürich-
Stuttgart: Zwingli [1963]. 411 S. 8°. Lw. sfr. 13.80.

Lüthi, Walter: Der Versuchte. Wohltäter? Kirchenfüret? Religionsstifter
? Bibelarbeit und Predigt, gehalten am Deutschen Evangelischen
Kirdientae 1963 in Dortmund. Basel: F. Reinhardt [1963]. 80 S.
kl. 8°. Kart. sfr./DM 4.80.

Weeber, Rudolf: Lehrgewalt und Lehrzucht. Ein Beitrag aus der
Sicht der kirchenleitenden Praxis (ZevKR 9, 1963 S. 384—404).