Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1964

Spalte:

847-848

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Dictionnaire de Spiritualité ; Tome III: Dabert - Duvergier de Hauranne 1964

Rezensent:

Völker, Walther

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

847

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 11

848

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES

Dictionnairc de Spiritualitc, ascetique et mystique, doc-
trine et histoire, fonde par M. V i 11 e r, F. C a v a 1 1 e r a, J. de
G u i b e r t, S. }., continue au nom de la Faculte de Theologie
d'Enghien (Belgique) sous la direction de Charles Baumgartner
, S. ]., assiste de M. Olphe-Galliard, S. ]., avec le concours
d'un grand nombre de collaborateurs. Tome III: Dabert—Duvergier
de Hauranne. Paris: Beauchesne 1957, 18 84 Sp. 4°.

Langsam, aber stetig wächst dieses umfassende Lexikon,
das in 6teigendem Maße ein imposantes Denkmal unermüdlichen
Gelehrtenfleißes darstellt. Ich habe bereits des öfteren in dieser
Zeitschrift auf es hingewiesen (1935, Sp. 382 —384; 1936,
Sp. 423-425; 1938, Sp. 51-52; 1939, Sp. 86; 1957, Sp. 362
bis 364) und möchte jetzt dessen III. Band anzeigen, der die Artikel
mit dem Anfangsbuchstaben D enthält. Mehr als 150 Mitarbeiter
haben sich an ihm beteiligt, ausnahmslos die anerkanntesten
Spezialisten für die jeweiligen Themen, in der Hauptsache
Franzosen, daneben Belgier und Italiener, während die
Zahl der deutschen Forscher wie im vorigen Band nur 4 beträgt.

Im Mittelpunkt des Interesses stehen natürlich die großen
Beiträge, allen voran der über Denys l'Areopagite (Le Pseudo-),
der den Umfang eines Buches erreicht (Sp. 244—429). Seine Bedeutung
liegt in einem Doppelten. Zunächst erörtert Rene
Roques ausführlich die dionysische Frage, indem er eine instruktive
Übersicht über die verschiedenen Lösungen bringt, der sich
Angaben über die areopagitischen Schriften und deren Ausgaben
anschließen. Da Roques bereits im Contemplation-Artikel des
II. Bandes Wesentliches zur Lehre des Dionys ausgeführt hat,
beschränkt er sich jetzt darauf, nur zu behandeln l'univers dio-
nysien, was ein knapper Auszug aus 6einem gleichnamigen
Werke ist. Ganz neuartig ist der Versuch, eine Übersicht über
die Dionys-Interpretation von den Anfängen bis in die neuere
Zeit zu bieten. Mehr als 20 Mitarbeiter haben sich an diesem
riesigen Unterfangen beteiligt, was freilich den Nachteil hat,
daß trotz aller Gelehrsamkeit die einzelnen Beiträge unterschiedlich
abgefaßt und von der bloßen Materialsammlung bis zur
selbständigen geistigen Durchdringung der Materie alle Spielarten
vertreten sind. Man gewinnt bei der Lektüre auch den
Eindruck, daß man lauter in sich abgeschlossene Aufsätze vor
ßich hat, die aneinandergereiht werden, ohne daß ein verbindender
, die Fülle des Materials zusammenfassender Gedanke
sichtbar würde. Bedenkt man aber, daß ein ähnliches Unternehmen
noch nie versucht ist, so bewundert man trotz aller Beanstandungen
im einzelnen (die Ausführungen über Thomas
Gallus hätten m. E. vertieft werden können) die geleistete Arbeit.

Sehr instruktiv ist der Artikel Demon (Sp. 142—238),
dessen patristische Abschnitte ebenso gelungen wie ausführlich
sind. Die Entwicklung bis Origenes hat Danielou mit gewohnter
Sachkenntnis behandelt. Sorgsam geht er den Quellen nach,
weist auf die platonische (bzw. neuplatonische) Dämonologie hin,
auf die alttestamentlichen Apokryphen, berücksichtigt auch bei
Erörterung der beiden Wege und der mit ihnen verbundenen
Geister den manuel de discipline vom Toten Meer, führt Philo
und die Pseudo - Clementinischen Homilien an und läßt alles
gipfeln in ausführlichen Darlegungen über die Einstellung Ter-
tullians und Origenes' zu diesen Mächten und ihrem Kampf
gegen sie. Guillaumont spinnt den Faden weiter und behandelt
die folgenden Jahrhunderte, wobei mir der Abschnitt über
Evagrius Ponticus besonders gelungen zu sein scheint.

Leider verbietet es der Raum dieser Zeitschrift in weitere
Einzelheiten einzugehen. Ich möchte nur noch den Artikel
Direction spirituelle hervorheben (Sp. 1002 —1214),
dessen wesentlichstes Stück der Beitrag von Ir. Hausherr ist
(Sp. 1008 — 1060), ein Exzerpt aus seinem gleichnamigen Buch
(195 5). Erwähnenswert wäre noch die Berücksichtigung der protestantischen
Haltung zu dieser Frage, wobei vorwiegend französische
Verhältnisse erörtert werden (Sp. 1202—1210).

Der Artikel über die Devotio moderna (Sp. 727
bis 747) ist gewiß sorgfältig gearbeitet, durch reiche Literaturangaben
ausgezeichnet, im ganzen aber zu katalogartig ausgefallen
(in den früheren Lieferungen begegnete uns dies Verfahren
des öfteren). Manche Autoren beschränken sich auch nur
auf Teilaspekte (etwa Artikel Dulcedo, Sp. 1778) oder begnügen
sich mit skizzenhaften Ausführungen, weil die Materie
zu umfangreich oder zu wenig erforscht ist.

Aus der Fülle der kleinleren Artikel möchte ich den über
Diadochus v. Photice hervorheben (Sp. 817—834), den
Des Places verfaßt hat. Als ausgewiesener Sachkenner geht er
bei Besprechung der Zenturien auf die Handschriften zurück
und stellt die Grundsätze für das Gewinnen eines kritischen
Textes auf; er erörtert umsichtig die geistliche Lehre des Diadochus
und zieht auch die seit 1952 bekannte Katechese in den
Kreis seiner Betrachtungen, deren Echtheit freilich bestritten ist
und die Krivocheine für ein Werk Symeons des neuen Theologen
hält. Wenn der Autor meint, daß Diadochus entscheidend
auf Maximus Confessor eingewirkt habe (Sp. 8 3 3), so dürfte
dies übertrieben sein, denn die ein e, über Villers Angaben
hinausgehende Stelle, auf die sich der Verfasser beruft, ist ein
zu schwaches Fundament für eine so schwerwiegende These.

Wie bereits diese wenigen Proben zeigen, sind die patristi-
schen Partien des Lexikons mit besonderer Sorgfalt behandelt,
man hat ihnen auch einen größeren Umfang eingeräumt als in
den Lieferungen des I. Bandes. Allen Artikeln sind ausführliche
Literaturangaben beigefügt, die besonders die neuen Titel zu
erfassen suchen.

So kann ich im Grunde nur das zusammenfassende Urteil
wiederholen, mit dem ich s. Zt. meine Besprechung des II. Bandes
abgeschlossen habe. Auch in dem neuen ist ein Werk vorbildlichen
Fleißes und bewunderungswürdiger Einfühlungskraft
in die geheimen Bezirke des mystischen Lebens geschaffen, ein
Werk, das zu weiteren Forschungen anregen und zugleich eine
zuverlässige Orientierung über alle in diesen Bereich fallende
Fragen bieten dürfte.

Mainz Walther Vö 1 k e r

Campenhausen, Axel Freiherr ron, Dr. jur.: Staat und Kirche
in Frankreich. Göttingen: Schwartz 1962. XV, 172 S. gr. 8° = Göttinger
reditswissenschaftl. Studien, Bd. 41.

Axel von Campenhausen hat mit seiner Arbeit eine in
Frankreich seit alten Zeiten stets wieder aufkommende Frage
angepackt. Allerdings beschränkt er seine Untersuchung auf die
Zeit vom 9. Dezember 1905 bis heute. Seine These weist nach,
wie zwar die damals gesetzlich proklamierte Trennung von
Staat und Kirche faktisch nie ganz konsequent durchgeführt
wurde, nicht so durchgeführt werden konnte. Vielmehr fand,
trotz juristischem Trennungsspruch, eine bis heute stets stärker
betonte Annäherung der Partner statt. In einer solchen erblickt
der Verfasser — so lautet sein Schlußurteil — einen sachbedingten
Normalzustand.

Der Verlauf dieses Annäherungsprozesses in verschiedenen
Gebieten und unter den verschiedenen politischen Regimes in
Frankreich wird in der Abhandlung nun mit aller Akribie dargetan
. Sehr richtig wird von vornherein auch gezeigt, daß im
Gegensatz zum französischen römischen Katholizismus, der das
Trennungsgesetz grundsätzlich bekämpfte, dagegen an der späteren
Annäherung alles Interesse zeigte und sie zu seinen Gunsten
fördert, der französische Protestantismus diese rückläufige
Bewegung für sich nur befürchten kann.

Der Protestant Louis Mejan hat als Chef des persönlichen
Kabinetts von Ministerpräsident Briand das Trennungsgesetz
weitgehend gestaltet. Sein Inhalt, seine Einführung und der damit
verbundene Widerstand werden im I. Teil des Buches eingehend
geschildert. Denn nach dem ersten Weltkrieg wird
das Trennungsgesetz für das wiedereingegliederte Elsaß-Lothringen
, wie schon für gewisse überseeische Territorien, nicht angewandt
. (II. Teil.) Die Annäherung von Staat und Kirche macht
nun aber auch im Mutterland Fortschritte durch die Wiederaufnahme
diplomatischer Beziehungen zur Kurie durch Zulassung
eines apostolischen Nuntius (1920) als Gesandter zunächst, der
aber immer mehr die kanonische Auffassung seiner Sendung
geltend macht (III. Teil.) Ein Musterbeispiel, wie unter Wahrung
der Fassade das Trennungsgesetz umgangen wird, bietet
das Problem der freien, d.h. römisch-katholischen Schulen. Die