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Ausgabe:

1964

Spalte:

842-843

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Die Briefe an Timotheus und Titus 1964

Rezensent:

Michaelis, Wilhelm

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841

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 11

842

Text hinauszugehen. Ein übersichtliches, eingehendes Inhaltsverzeichnis
und zum Schluß eine Tabelle zur Geschichte des neu-
testamentlichen Kanons in einem Schema erleichtern die Benutzung
des groß angelegten und inhaltreichen Werkes.

Die ganze Arbeit ist ein ausgezeichnetes Ergebnis der ausgebreiteten
, profunden Gelehrsamkeit, der nimmermüden Arbeitsfreudigkeit
, wissenschaftlichen Akribie und einer starken
sachlichen Begeisterung. Der Verf, knüpft gern an die gegebene
Überlieferung an, die sich ihm oft bei seiner kritischen Arbeit
bestätigt, so daß er zu .konservativen' Ergebnissen kommt. Die
eigene Leistung setzt voraus und baut auf auf der modernen
neutestamentlichen Einleitungswissenschaft bis zur Schallanalyse
und Qumranforschung, ohne sich im allgemeinen auf eine Diskussion
einzulassen. Er geht eigene, ja eigenwillige Wege, die
er sich auch durch unbekanntes Gelände bahnt. Mit durchdringender
Gestaltungskraft umfaßt er die gesamte Problematik
und zielt bei aller philologichen und historischen Bemühung
kritischer Forschertätigkeit auf das, was sich ihm als der Kern
neutestamentlichcr Botschaft darstellt: das schlichte Evangelium
Jesu von der Liebe Gottes, die alle Menschen umfaßt. Die Predigt
von der Herrschaft Gottes auf Erden kündigt sehr real die
Wandlung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnungen
an, auf die der Mammon sich stützt. Kein Hausherr darf Arbeitslose
arbeitslos lassen. Jeder, auch der Kurzarbeiter, muß sein
tägliches Brot verdienen können; er ist zur Arbeit verpflichtet
aber auch berechtigt. Das Gleichnis Mt 20, 1—14 stammt aus
dem UrMk; RMk und RLk haben es als gefährliche soziale
Utopie gestrichen. Mt hat es durch Zusatz von 20, 16 wohl als
Waffe gegen das Judentum benutzen wollen und damit das echte
Gleichnis verbogen. So erscheint auch die Tempelreinigung als
Angriff gegen die Mammonisten. Das Wort Lk 6, 34 (Q) hat
Mt 5,42 für die mammonistische Gesellschaftsform erträglich
gemacht. „Das Verbergen des gefundenen Schatzes, bis er rechtmäßiges
Eigentum geworden ist, Mt 13, 44, ist doch ein
Kapitalistentrick!" Aus dieser Einstellung heraus soll Mt auch
die Geschichte vom Scherflein der Witwe aus RMk 12,41—44
ausgelassen haben. In dem Exkurs: Die Berichte über das Herrenmahl
trifft Lukas derselbe Vorwurf. Er hat das Wort Jesu vom
Dienen, das eine „die Verantwortung des ganzen Lebens für das
Elend aller Menschen aufrührende, ja aufrührerische Forderung"
enthält, dadurch, daß er es in den Zusammenhang des Herrenmahles
stellte, kultisch gedeutet und durch diese Flucht in den
Kultus die Forderung des Alltags in ihrer angreifenden Schärfe
aufgehoben. Das echte Evangelium ist die soziale Botschaft. Der
Verf. ist überzeugt, „daß ein Gefolgsmann Jesu heutzutage entschiedener
Sozialist nicht nur sein kann, sondern sein muß" und
er möchte „mit philologischer Methode zeigen, daß auch nach
der ältesten Schicht der neutestamentlichen Schriften der Sturz
der Teufelsherrschaft des Mammon und die Aufrichtung des
Reiches der grenzenlosen göttlichen Liebe auf Erden das Herzstück
des Wortes und Werkes Jesu gewesen ist" (S. 3). Von
daher gesehen ist die Geschichte der urchristlichen Parteien die
Geschichte der Verdunkelung der ursprünglichen Botschaft Jesu,
bis sie schlicßlidi in der katholischen Kirche ihre der bestehenden
Gesellschaft entsprechende Form erhielt. Die verschiedenen
Träger dieser Geschichte werden als Persönlichkeiten betrachtet,
in deren Ringen um die Botschaft sich die Überlieferung entfaltet
und gestaltet. Der Verf. hat versucht, ihre Individualität
möglichst deutlich zu erfassen und hat in Sympathie und Antipathie
sich selbst in diesen Kirchenkampf bis zum Sieg der
kirchlichen Einheit über die richtende Schärfe des Evangeliums
hineingestellt. In vielem werden allerdings die wissenschaftlichen
Thesen und die Kombinationen des Verf. begründetem Zweifel
begegnen. In der Überlieferung jedenfalls erscheinen der nackte
Jüngling, der Jünger, den Jesus lieb hat, der Apostel Johannes,
Johannes Markus, Markus, der Alte von Ephesus zunächst je für
sich; ihre Zusammenschau beruht auf Kombination, und wer sie
nicht mitmacht, dem fehlt der Zugang zu dem Aufriß des vorliegenden
Werkes. Das gilt in noch höherem Maße für den
Gegenspieler des Joh Mk, den Juden Barsabbas, oder besser
Barsabas, denn die Form mit dem doppelten b bedeutet wohl
,der am Sabbat geborene', während Bar Sabas ,Sohn des Greises'

oder als Personenname ,des Sabas' heißen kann (Zahn). Der
Judas von Apg 15,22 soll identisch mit dem von Joh 14,22
sein; er soll, wie Joh Mk, bis in die neunziger Jahre gelebt und
dann ebenso still aus der Geschichte verschwunden sein wie
dieser, obwohl er doch ein anderes Schicksal und einen anderen
Charakter hatte; ob er ihn etwa überlebt hat, bleibt undeutlich.
Auch die anderen Personen verdanken ihre lebendige Darstellung
mehr der Phantasie des Verfassers als der geschichtlichen
Überlieferung. Aber von all dem abgesehen, die eingehenden
Untersuchungen des Verfassers behalten ihre Bedeutung
; sie führen an vielen Punkten weiter und tiefer und bieten
auch in methodischer Richtung eine Fülle von Anregungen. Aber
das soziale Evangelium Jesu steht nicht im Gegensatz zu dem
Christusglauben des Neuen Testaments, sondern gehört zu ihm;
das zu zeigen bleibt die Aufgabe der neutestamentlichen Wissenschaft
. In diesem Sinne ist die vom Verf. gebotene Zusammenschau
der Einleitungswissenschaft mit der historischen Untersuchung
zu einem Gesamtbild eine eindrückliche, vorwärtsweisende
Forschungsleistung.

GieOen Georg Bertram

Jeremias, Joachim, u. Hermann Strathmann : Die Briefe an
Timotheus und Titus, Der Brief an die Hebräer übers, u. erklärt.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1963. IV, 163 S. gr. 8n =
Das Neue Testament Deutsch, Neues Göttinger Bibelwerk, hrsg. v.
P. Althaus u. G. Friedrich, Teilbd. 9. 8., durdiges. Aufl. Kart.
DM 7.-.

Während es sich bei der 7. Aufl. des Teilbandes 9 (28.-36.
Tausend), die 1954 erschienen war (in späteren Verlagsanzeigen
und in Katalogen ist zwar 1956 angegeben, aber das Erscheinungsjahr
war nach dem Titelblatt 1954), um einen bloßen Nachdruck
der 1953 erschienenen, ihrerseits als „neu bearbeitet" geltenden
6. Auflage (27. Tausend) gehandelt hat, ist diese 8. Aufl.
nun als „durchgesehene Aufl." bezeichnet. Auch Teilbd. 9 ist
allerdings mit dieser Aufl. (37.-44. Tausend) nach Format,
Satzspiegel und Drucktypen bereits auf die Normen der sog.
neuen Bearbeitung des NTD umgestellt worden. Aber als inhaltlich
neu bearbeitet kann er nicht gelten, obwohl man dem auf
Jeremias zurückgehenden Teil dies Prädikat gern zubilligen wird.
Der auf Strathmann zurückgehende Teil ist jedoch sozusagen
unverändert geblieben, und die Bezeichnung als „durchgesehene
Aufl." will offenbar diesem ungleichen Verhältnis der beiden
Teile Rechnung tragen.

Strathmann hat das Literaturverzeichnis S. 72 f. um die Angabe
neuerer Werke über den Hebr. vermehrt. In Übersetzung und Erklärung
ist die 7. Aufl. einfach übernommen. Winzige Unterschiede,
bei denen es sich mitunter aber um Versehen oder stehengebliebene
Druckfehler handelt, fallen dem aufmerksamen Leser auf, wenn z. B.
auf S. 102, Zeile 1, ein Komma neu gesetzt ist oder wenn es andererseits
z.B. auf S. 83, Zeile 29, jetzt „bestellt" statt „bestellte" heißt.
Versziffern am Rand der Erklärung stehen nicht immer genau in der
richtigen Zeile, z.B. auf S. 87, Zeile 2, von unten. Auf S. 147—158
fehlen diese Versziffern versehentlich gänzlich. Auf S. 128, Zeile 35,
ist der Verweis auf 9, 14 mit der Seitenzahl der vorigen Aufl. übernommen
(statt S. 122 muß es S. 123 heißen). Der erste Absatz des
Nachtrages auf S. 158 der 7. Aufl. steht nunmehr, leicht ergänzt, auf
S. 74 (er wäre eigentlich überhaupt überflüssig, insofern dem Band
jetzt auf S. 159—162 ein „Namen- und Sachweiser" beigegeben ist);
der zweite Absatz ist gestrichen (folgerichtig fehlen auf S. 8 5. 99 auch
die Verweise auf den Nachtrag). Die Belege für die AT-Zitate, bisher
am Schluß der Abschnitte angeführt, sind gestrichen und nur noch aus
der Erklärung zu ersehen.

Ganz anders Jeremias. Als gutes Beispiel kann bereits die „Einleitung
" zu den Past. (S. 1—9) dienen. Auf S. 2 ist ein selbständiger,
allerdings nur kurzer Abschnitt „Die Reihenfolge der Entstehung der
drei Briefe" neu eingefügt worden, der die „Präskriptentwiddung '
auszuwerten versucht. Auf S. 3, Zeile 8 f, bringt ein Hinweis auf
Rom. 15, 31 eine nicht unwichtige Ergänzung. Auf S. 4, Zeile 27—29,
wird dazu, daß die Past in P" „offenbar nicht vorgesehen" waren, bemerkt
, das bedeute aber „nicht notwendig, daß sie unecht sind, denn
die älteste Sammlung der Paulusbriefe könnte sich auf die an Gemeinden
gerichteten Briefe beschränkt haben". Auf S. 5, Zeile 25, ist
„Popular-Philosophie" jetzt „Popularphilosophie" geschrieben. Auf
S. 6, Zeile 34 f., wird, statt nur die „erweiterte Adresse" des l.Kor.
zu nennen, jetzt gesagt, worin die Erweiterung bestand. Auf S. 8,
Zeile 19—25, iet nicht nur ein Hinweis auf l.Petr. 5, 12 eingefügt,
sondern es ist auch auf den Beitrag verwiesen, den die 1960 gefunde-