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Ausgabe:

1964

Spalte:

834

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bardtke, Hans

Titel/Untertitel:

Vom Roten Meer zum See Genezareth 1964

Rezensent:

Jepsen, Alfred

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 11

834

Überhaupt neigt die Arbeit dazu, in allzu knappen Exkursen
weitschichtige Probleme mit kühnen Thesen lösen zu wollen
(zum Teil wird auf geplante ausführlichere Behandlung verwiesen
, wie 153, Anm. 119; 154, Anm. 120). Zu fragen ist, wann
denn die amphiktyonischen Institutionen, wie der Heilige Krieg,
in Geltung gewesen sein sollen, wenn nicht in der Richterzeit3,
und wie die ursprüngliche Beziehung der Rettergestalten zu
ihnen zu denken ist. Diese Frage erwächst besonders an der
Gideon-Gestalt, während die Erkenntnis einer unpolitisch-
tendenzlosen Grundlage etwa in Ri 3 besonders überzeugend gelungen
ist. Zu den zweifelhaften Operationen würde ich auch
die Entfernung der Notiz in 4, 4 f. rechnen, die Debora als Prophetin
und zugleich Richterin bezeichnet (37 ff.); die dafür angeführten
Gründe sind ausgesprochen schwach.

Doch auch wenn der spezielle Beitrag der Arbeit zum Verständnis
des Richterbuches nicht ungeteilte Zustimmung finden
sollte, wäre die zur Herausarbeitung der Einheiten benutzte
Methode der Anerkennung wert. Diese wird am Schluß noch in
einem eigenen Abschnitt (345—383) systematisch behandelt. Ein
wesentliches Anliegen der Arbeit ist es, die Beurteilung der
literarischen Einheiten und Gattungen von rein ästhetisch-intuitiven
und sachfremden historischen Maßstäben, die von außen
herangetragen werden, zu befreien und statt dessen objektive
Kriterien zu finden, die aus der Form selbst heraus gewonnen
werden können. Diese Kriterien findet sie in Syntax und Stilistik.
Syntaktische Komposition in der Darstellung der Handlung und
in der Rede, die Satzarten wie Verbal- und Nominalsatz und
ihre Anwendungsmöglichkeiten bieten die Möglichkeit, die Form
eines Abschnittes von innen heraus zu beurteilen und in ihrer
charakteristischen Darstellungskunst von ihn umgebenden fremden
Bestandteilen abzuheben. Besonders wichtig ist dabei das
vor allem von O. Roeßler erkannte Gesetz der Inversion im
Verbalsatz von yiqtol-x = x-qatal (Inversion) und qatal-x
= x-yiqtol (Inversion), wobei zwischen diesen beiden jeweils
möglichen Stellungen Nuancenunterschiede für den Handlungsfluß
bestehen (354 ff.). Die beiden Paare repräsentieren außerdem
zwei ursprünglich verschiedene Tempusarten des Althebräischen
, die dem akkadischen iprus (nach Roeßler Jjamtu, hebrai-
siert harnet) bzw. iparras (nach Roeßler marü, hebraisiert mare')
entsprechen. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, noch genauer
die Aktionsarten zu unterscheiden, wobei hamtu punktuell,
marü durativ berichtet. Hinzu kommen die verschiedenen Arten
des Nominalsatzes'', die als Zustandssätze oder Umstandssätze
(häl-Sätze) ebenfalls in den Ablauf der Handlung einbezogen
werden. Durch die Anwendung der so gewonnenen Maßstäbe ergeben
sich methodische Möglichkeiten zur Stilkritik, die geeignet
erscheinen, diese zum ersten Mal aus dem Bereich der
rein subjektiven Urteile herauszuführen. Diese werden in weiteren
Gebieten der alttestamentlichen Exegese auf ihre Brauchbarkeit
untersucht werden müssen, ehe über sie ein endgültiges
Urteil abgegeben werden kann. Doch scheinen sie ihr Recht
in diesen erzählenden Abschnitten überzeugend erwiesen zu
haben. Gefragt werden müßte noch, wie weit die Bindung an
vorgegebene Schemata, die von anderen Gesichtspunkten
(institutionell-liturgischer Art) her ihre Prägung empfangen
haben, diese inneren Sprachgesetze durchbrechen und so das
Urteil über die Gattungseinheiten ablenken könnte. Ein Widerspruch
zwischen beiden brauchte nicht zu bestehen. Ein Beispiel
dafür wäre 6, 2 5 f., wo 6 marü-Wendungen aufeinander folgen
(375) — eine Konstruktion, die dann verständlich wird,
wenn man erkennt, daß es sich hier um die typische Formung
des (priesterlichen) Rituals handelt, für das diese Aneinander-

3) Vgl. dazu neuerdings die allerdings stark hypothetische Arbeit
von R. Smend, Jahwe-Krieg und Stämmebund (FRLANT 84). Göttingen
1963.

4) O. Roeßler, Rezension von H. Wagner, Das Verbum in den
Sprachen der britischen Inseln, ZCPh 28, 1960, S. 142 und Anm. 2,
S. 143 und Anm. 3.-Ders., Die Präfixkonjugation Qual der Verba Iao
Nun im Althebräischen und das Problem der sogenannten Tempora,
ZAW 74, 1962, S. 125—141.

5) In Fortführung von K. Oberhuber, Zur Syntax des Richterbuches
. Der einfache Nominalsatz und die sog. nominale Apposition,
VT 3, 1953, S. 2-45.

reihung der Perfekta charakteristisch ist. Die Stilkritik darf die
von den Institutionen her fragende Gattungskritik also nicht
ausschließen. Hierin dürfte auch eine Grenze der Gültigkeit
mancher hier gewonnenen Ergebnisse zu suchen sein.

Hervorzuheben ist die reichliche Literaturverwertung in dieser
überaus fleißigen Arbeit. Leider ist 6ie durch recht zahlreiche Druckfehler
entstellt. Sachlich bedeutsam sind: V. IIb (73, Z. 13 v.o.)
statt richtig 11c; „Ephraim" (326, Anm. 20, 4. Z. v. u.) muß wohl
„Ephrata" heißen; am Schluß des Absatzes auf S. 318 fehlt ein Wort
(„sagen"?). An manchen Stellen macht sich auch Sprachflüchtigkeit,
anscheinend schon im Manuskript, bemerkbar, so S. 265, 9. Z. v. o.,
„ist" statt richtig „sind", S. 278, Z. 9 v. o. muß es wohl „an Sätze"
heißen; ganz unglücklich ist die Wendung „unter Absehung" in
Anm. 26 auf S. 331, wo zumindest ein „von" fehlt. Ein Literaturverzeichnis
fehlt leider (der Hinweis auf ThR 1961, die nicht jedem vorliegt
, S. XIV, genügt nicht). Jedoch ersetzt das kurze Namen- und
Sachregister etwas das Fehlende (407 ff.). Auch ein Stellenverzeichnis
ist beigegeben (403 ff.) sowie ein Abdruck de» mit viel Scharfsinn
wiederhergestellten (69 ff.) Textes de6 Debora-Liedes Kap. 5 (400 ff.).
Die Gattungsbestimmung für dieses Lied als eines „Werbelicdes"
(104) wird vermutlich ebensowenig allgemeine Anerkennung finden
wie andere vorangegangene Deutungen; m. E. dürfte doch ein unmittelbarer
Bezug auf einen echten Sitz im Leben vorliegen, der mit
nicht ganz überzeugenden Argumenten abgelehnt wird.

Im ganzen wird man die Arbeit als einen der eingehendsten
und gründlichsten Beiträge zur Auslegung des Richterbuches
würdigen, die bedeutende neue Einblicke in dieses noch
immer manche ungelöste Frage bergende Buch gewonnen hat.
Jeder künftige Kommentar zum Richterbuch wird dankbar auf
den hier erarbeiteten Stoff zurückgreifen, der eine echte Lücke
füllt.

Kiel Henning Graf R e ve n 11 o w

B a r d t k e, Hans: Vom Roten Meer zum See Genezarcth. Bilder zur
Landes- und Altertumskunde Palästinas nach eigenen Aufnahmen
des Verfassers während einer Studienreise im Sommer 1961. Berlin:
Union Verlag [1962]. 104 S. m. 59 Farbtaf., 1 Kte. gr. 8°. Lw.
DM 24.50.

Dem ersten Band der Palästinabilder (vgl. ThLZ 1960,
Sp. 37) hat B. einen zweiten folgen lassen. Diesmal bot ihm
ein Kongreß die Möglichkeit, den israelitischen Teil Palästinas
zu bereisen, so daß er nun eine Auswahl schöner Farbfotos aus
Israel vorlegen kann. Sie reichen vom Roten Meer und dem
Negeb über das Küstengebiet und Jerusalem bis nach Galiläa
und den Hulesee. (Nur ein an sich sehr instruktives Bild, ein
Teilstück der Madeba-Karte, fällt aus diesem Rahmen heraus.)
Auch in dieser Sammlung legt B. vor allem Gewicht auf Bilder,
die einen guten Eindruck von der Landschaft in ihrer ganzen
Mannigfaltigkeit vermitteln (etwa 2 Drittel der 59 Bilder); daneben
aber auch auf solche, die die Grabungsstätten auf israelischem
Gebiet anschaulich werden lassen, so vor allem aus dem
Negeb, wie aber auch von LachiS, Bethlean, Bethsearim, Ka-
pernaum, Hazor u. a. Damit unterscheidet sich auch dieser Bildband
vorteilhaft von vielen älteren, in denen sich bestimmte
Motive immer wiederholen. Die Wiedergabe der Bilder scheint
durchweg gut gelungen; eine kurze Einführung gibt zu jedem
Bild eine knappe, aber sachgemäße Erklärung. Ein als erste Einführung
sehr brauchbares Literaturverzeichnis und eine Karte
schließen das Buch ab, das seinen Zweck, dem Bibelleser eine
Anschauung von der Landschaft Palästinas zu geben, durchaus
erfüllen wird.

Greifswald Alfred J ep s en

Cross, Frank Moore, Jr.: The Ancient Library of Qumran and
modern Biblical Studies. The Haskell Lectures 1956—1957. Rev. Ed.
New York: Doubleday 1961. XIX, 260 S., 8 Taf. kl. 8° = Anchor
Books A 272. $ 1.25.

Die 1. Auflage dieses Buches wurde bereits ausführlich in
ThLZ 1959, Sp. 100—102 besprochen. In der als Paperback erschienenen
Neuausgabe wurden die ersten 3 Kapitel des Buches
überarbeitet, und die zwischen 1957—1960 veröffentlichte Literatur
verwertet. Wie wir bereits seinerzeit bemerkten, gehört
dieses Buch zu den besten Gesamtdarstellungen der zahlreichen
Probleme der Gemeinde von Qumran.

Basel Ernst Ludwig Ehrl ich