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Ausgabe:

1964

Spalte:

57-62

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Der Mensch und die Gnade 1964

Rezensent:

Schmidt, Erik

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

58

Mayr, Fr. K.: Ernst Bloch — Eine Frage an die Christenheit (TPh
25, 1963 S. 295—340).

Miano, Vincenzo: Deila conoscenza della realtä (Salcsianum XXV,
1963 S. 231-262).

Oertzen, Rudolf von: Weltbild und zeitgenössische Musik (Mensch
und Menschensohn — Festschrift für Bischof D. Karl Witte. Hamburg
1963 S. 119—136).

Pannenberg, W.: Typen des Atheismus und ihre theologische Bedeutung
(ZW XXXIV, 1963 S. 597-608).

Pinborg, Jan: Das Sprachdenken der Stoa und Augustins Dialektik
(Classica et Mediaevalia XXIII, 1963 S. 148-177).

Robinson, Charles K.: Biblical Thcism and Modern Science (JR
43, 1963 S. 118—138).

Roos, Heinrich: Das Sophisma des Boetius von Dacien „Omnis homo
de necessitate est animal" in doppelter Redaktion (Classica et
Mediaevalia XXIII, 1963 S. 178—197).

Ruhbach, Gerhard: Atheismus heute (DtPfrBl 63, 1963 S. 397
-399).

Spranger, Eduard: Vom metaphysischen Leid (Universitas 18,

1963 S. 561—574).
V a n s i n a, D.: Schets, orientatic en betekenis van Paul Ricoe urs

wijsgerige onderneming (TPh 25, 1963 S. 109—182).
Verhaak, C.: Zin van de Studie der Middeleeuwse wijsbegeerte

(TPh 25, 1963 S. 37-58).
Wenke, Hans: Hilft Wissenschaft erziehen? (Universitas 18, 1963

S. 481—490).

Wiese, Leopold von: Die gesellschaftlichen und die zwischenmenschlichen
Beziehungen — Eine Auseinandersetzung mit Ortega y Gasset
(Universitas 18, 1963 S. 637—643).

Z a m a y o n, Pelayo de: La persona humana como sujeto de derecho
(Naturaleza y gracia 8, 1961 S. 243—262).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Buri, Fritz, Prof. Dr. theol.: Dogmatik als Selbstverständnis des
christlichen Glaubens. IL Teil: Der Mensch und die Gnade. Bern:
Haupt; Tübingen: Katzmann - Verlag [1962]. 514 S. gr. 8°. Lw.
sfr. 27.—.

Nach fast sechs Jahren ist nun auch der 2. Band der Dogmatik
von Fritz Buri erschienen, dessen Prolegomena wir 1957
anzeigen konnten. Die großen Erwartungen, die der 1. Band
dieser Dogmatik mit seinen ausführlichen Erörterungen über
die hermeneutische Methode erweckten, werden durch den
2. Band nicht enttäuscht. Buris Lehre vom Menschen und der
Gnade ist eine eingehende und konsequente Anwendung und
Durchführung des in den Prolegomena entwickelten formalen
und materialen Prinzips der Dogmatik. Der 2. Band bietet die
Anthropologie, die Hamartiologie, die Christologie und einen
Teil der Soteriologie. Da die Dogmatik nach B. das Selbstverständnis
des christlichen Glaubens darzustellen hat, ist es
nur folgerichtig, daß sie nicht, wie dies sonst oft der Fall ist,
mit der Lehre von Gott, der Theologie, oder gar mit der
Trinitätslehre, beginnt, sondern mit der Lehre vom Menschen
(2, 19). B. behandelt ßomit zuerst das Problem der Gottebenbildlichkeit
des Menschen (2, 45 ff.), wobei er dies sogleich in
Verbindung mit der Lehre von der Person Christi tut, weil
nach seiner theologischen Sicht die Christologie sachlich in die
Anthropologie hineingehört (2, 114 ff.). Dieser Lehrentwicklung
läßt B. die Lehre von der Sünde (2, 145 ff.) und vom Satan folgen
(2, 261 ff.). Es schließt 6ich an die Lehre von der Versöhnung
durch Christus und vom Heil in Jesus Christus (2, 302 ff.).
Den Abschluß des 2. Bandes bildet die Lehre vom neuen Sein,
welche die Lehren von der Rechtfertigung (2, 442 ff.) und von
der Prädestination (2, 464 ff.) umfaßt.

Im einzelnen geht B. so vor, daß er jeweils bei den dogmatischen
loci die biblischen Grundlagen der Lehrentwicklung
darstellt, dann die katholischen, reformatorischen, alt- und neuprotestantischen
Lehrentscheidungen entwickelt, um zwischendurch
den theologischen Lehren die philosophischen Anschauungen
bzw. Umdeutungen gegenüberzustellen, und so zu seinen
eigenen theologischen Thesen zu gelangen. Die eigenen, positiv-
thetischen Abschnitte sind dabei relativ kurz geraten. Diese
Methode der Lehrentwicklung B.s bringt es mit sich, daß sowohl
der lernende Student als auch der geschulte Fachmann das
dogmen- und theologiegeschichtliche Material und die religionsphilosophischen
Gegenthesen samt den entsprechenden Begriffen
und Formeln in ziemlicher Ausführlichkeit vorgeführt bekommen
. Dadurch eignet sich diese Dogmatik, und das unterscheidet
sie z. B. von der neuesten Systematischen Theologie
P. Tillichs, in hohem Maße als Lehrbuch der Dogmatik.
Diese Dogmatik hat darum auch für diejenigen Studierenden
einen hohen Wert, die sein hermeneutisches Prinzip weder
formal noch material zu teilen vermögen. Sie orientiert in großzügiger
Weise und nötigt zum Nachdenken über die letzten
Prinzipien der Theologie und zur Stellungnahme.

Damit kommen wir aber auch zur kritischen Beurteilung
dieses neuesten Versuchs eines Systems der Dogmatik. Der
kritische Leser muß sich beim Studium dieser „liberalen" Dogmatik
die doppelte Frage stellen: Ist es B. gelungen, sein
hermeneutisches Prinzip, das er im 2. Bande noch einmal verteidigt
(2, 7 ff.) und dann zu begründen versucht, unter Beweis
zu stellen und bei der Lösung der einzelnen dogmatischen Probleme
in befriedigender Weise durchzuführen?

Um es gleich vorwegzunehmen: B.s hermeneutisches Prinzip
wird nur dem Leser einleuchten, der auf B.s erkenntnistheoretischem
Standpunkt steht, wer also B.s Philosophie
teilt. Denn dies Eine geht aus seiner ganzen Dogmatik klar
hervor: Nicht eine theologische, sondern eine philosophische
Grundanschauung beherrsdvt B.s Theologie, und zwar die
philosophische Grundanschauung der modernen kritizistischen
Existentialphilosophie. Wer diese Philosophie aus erkenntnistheoretischen
und ontologischen Gründen nicht zu bejahen vermag
, wird audi B.s Dogmatik kritisch gegenüberstehen. Daß
wir mit dieser Feststellung B. kein Unrecht tun, sondern seine
eigene Anschauung wiedergeben, zeigen Stellen wie 2, 317, wo
B. deutlich die philosophische Grundlage seines theologischen
Prinzips zugibt.

Es ist bei dieser Sachlage nicht zu vermeiden, daß wir uns
noch einmal, und zwar etwas ausführlicher, als dies in unserer
ersten Rezension möglich war, B.s hermeneutische Methode
vergegenwärtigen. Nur so können wir zu einer objektiven
Wertung seines 2. Bandes gelangen. B.s hermeneutische Thesen
lauten wie folgt: Der Glaube als fides qua creditur, d. h. als
persönlicher Glaubens-Vollzug, ist nicht objektivierbar, nicht
gegenständlich faßbar, weil er in der Subjektivität des Glaubens
besteht (l, 18). Der Glaube vollzieht sich in der Form des
Selbstverständnisses und gehört eben damit nicht in den Bereich
der Gegenständlichkeit (1,22). Zwar ist die überlieferte
Botschaft von der Offenbarung Gottes in Christus für den
Glauben etwas Gegenständliches, Objektives (l, 20); alle Aussagen
über Offenbarung für Glauben geschehen in der Gegenständlichkeit
des Wissens (1,270); aber der Glaube selbst ist
etwas Nichtobjektivierbares (1,267). Das Objektivierbare des
Glaubens ist etwas anderes als sein Vollzug (l, 89). Darum ist
der Glaube objektiv unbeweisbar (1,24). Ein Glaube, der bewiesen
werden soll, ist gar kein echter Glaube (l, 62). Obwohl
aber nicht objektivierbar und darum nicht beweisbar, ist der
Glaube doch unbedingt, und zwar in seinem Transzendenz
bezuge (1,91). Als fides qua creditur ist aber der
Glaube Selb6tverständni6, und zwar das auf Transzendenz
bezogene Selbstverständnis (1, 138).

Das sind Gedanken, die ähnlich in der sog. Glaubenstheologie
älterer und neuester Zeit öfter begegnen. B. aber hat
das Verdienst, sie so klar und scharf formuliert zu haben, daß
man sich ihren Konsequenzen stellen muß! Wer B.s Erkenntnistheorie
nicht teilt, wird aber fragen: Wieso ist der Glaube
nur ein Selbstverständnis des Gläubigen und wie reimt sich
dies mit seinem Transzendenzbezuge? Gewiß ist der Glaube
als fides qua creditur oder als subjektiver Glaubensvollzug
etwas nicht Gegenständliches. Gewiß kann der Glaube nicht
wie ein Rechenexcmpel bewiesen werden. Aber ist darum eine
objektive Begründung des Glaubens ausgeschlossen? Wie
stellt 6ich B. zu dem augustinisch-anselmschen Satz: Credo ut
intelligam? Fordert nicht der Glaube eine Begründung durch
die Theologie, wenn diese die Wahrheit des Glaubens erweisen
soll? Und führt nicht jeder lebendige Glaube zu einem Nachdenken
über seine objektiven Grundlagen? Die Unklarheit des