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1964

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Religionspädagogik, Katechetik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 10

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bildende Macht erkennbar und ein Unterricht kommt in den
Blick, der durch seinen „Stoff" einwurzeln läßt in der Gemeinde.

„Ein Wesensmerkmal des Unterrichts besteht im Dialog"
(141), der Fragen und Opposition aufnimmt. Dialog aus Anlaß
dieses „Stoffes" hat aber mit Bezeugung und Besinnung zu tun
und kann in Andacht und Gebet sein Ziel erreichen, ohne daß
dies methodisch gesichert werden könnte. In alle dem gilt es, die
heilige Kondeszendenz zu vollziehen, die die Liebe gebietet
(10). Sind schon die Erwachsenen mit ihrem Vorbild Bildungsmacht
, wieviel mehr die Kirche in all ihren Lebensäußerungen
(24), wieviel mehr das Evangelium, das mit der Auferstehung
nicht ein Prinzip der Liebe, sondern eine „lebendige Person"
auf den Thron setzt (nach einem Gedicht von Kähler, S. 21).
Im Durchdenken der bildenden Mächte könnte man von Formung
sprechen. Aber es geht um mehr: „Stoff wird geformt.
Geist wird erweckt" (26). „Kinder wollen über sich und ihre
Lebenswelt hinausgeführt werden" (147). Das erweckt den
pädagogischen Eros. Liebe zeigt darüber hinaus den biblischkirchlichen
Grund für den Erziehungsauftrag der Kirche.

Der letzte Teil des Buches, die Katechetik im engeren Sinne,
geht nach Erörterung der Problemlage, des Unterrichtsgespräches
und der Grenzen der Arbeitsschulmethode ein auf die Gestaltungsmittel
des Unterrichts und bietet dann außerordentlich
instruktive Hinweise zur Technik des Unterrichts. „Der Unterricht
findet im Element der Begegnung von Personen statt." Der
Dialog braucht Ordnung und Gestalt, die Unterrichtsstunde also
eine „Geschäftsordnung" (172). Knapp, an Praxis erprobt und
ergiebig werden die klassischen Unterrichtsmethoden erörtert
als heuristische Prinzipien und Denkanweisungen, die man
kennen und in großer Freiheit verwenden sollte. Der Ton liegt
ihm auf dem Wachsenlassen, da der Lehrer nichts tun dürfe, was
der Schüler selbst finden, leisten, entdecken kann (179). Hilfen,
die Selbsttätigkeit des Schülers zu erwecken, werden unvergeßlich
gezeigt, die Kunst des Erzählens und Fragens besprochen.
Sehr, lehrt Goethes Satz verstehen: „Mach dich zum Organ und
warte!" (192). Das entbindet nicht bei der vorbereitenden
Meditation von der Frage: was wird in der Schülerschaft vorgehen
, wenn sie das vernimmt, was in der geplanten Darbietung
auf sie zukommt? (194). Es geht also nicht nur um Meditation
der Stoffe, sondern darum, Widerstand und Zustimmung, Trägheit
, Stumpfheit, Not und Begehren der Jugendlichen vorher zu
bedenken, um sich bereit zu stellen für den Unterricht und
priesterlich zu hören für Schüler: „Auf welche Weise wird ihr
Leben eine Bewegung zu meinem Leben?" (181).

Was hier geboten wird, ist wenig schulgerecht, obwohl
nichts einfach unbekannt sein dürfte. Aber es ist durch lebendige
Erfahrung hindurchgegangen und erweist, wie sehr Theologie
Praxis fördert und wie sehr Praxis eine wache Theologie auf
Spuren bringt, die zu Entdeckungen führen. Noch einmal: gerade
daß Schrs. Katechetik nicht auf dem Wege der heutigen fachlichen
Diskussion mit ihren Einzelaspekten untergebracht werden
kann, macht sie geeignet zu einem vorzüglichen Hilfsmittel für
die Hand junger Theologen und Pädagogen, die ihre Praxis
nicht besinnungslos — dies wäre gewissenlos — gewinnen und
belassen wollen.

Berlin Martin F i s ch c r

Otto, Gert: Schule, Religionsunterricht, Kirche. Stellung und Aufgabe
des Religionsunterrichts in Volksschule, Gymnasium und Berufsschule
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1961. 186 S. 8°. Kart.
DM 9.50.

Die Hamburger Habilitationsschrift stellt sich die Aufgabe
, das Selbstverständnis des Religionsunterrichts an den
öffentlichen Schulen der Bundesrepublik neu zu erarbeiten.
Sie ßetzt sich dabei schon im 1. Kapitel kritisch ab von
der Konzeption, die durch die Entwicklung von Bohne bis
Kittel charakterisiert ist. Im 2. Kapitel wird dann das
Verständnis des Religionsunterrichts aus dem Wesen der heutigen
Schule abgeleitet, in deutscher Anlehnung an die Gedankengänge
, die Stallmann in seinem Buch „Christentum und
Schule", 1958, vorgelegt hat. Die Schule stößt von ihrem eigenen
Bildungsauftrag her auf das Christentum als „Bildungsmacht"

und kann darum den Religionsunterricht nicht willkürlich ausklammern
. Das Verhältnis dieses Unterrichts zur Kirche wird im
4. Kapitel erörtert. Um die Bevormundung des Lehrers durch die
Kirche zu vermeiden, soll auf jede institutionelle Bindung verzichtet
und alles auf die personale Begegnung mit dem Wort abgestellt
werden. Das 4. Kapitel behandelt die hermeneutische
Struktur des Religionsunterrichts: Er hat die Aufgabe, biblische
Texte zu interpretieren, analog der Interpretation eines lyrischen
Gedichtes im Deutschunterricht. Diese allgemeinen Grundsätze
werden dann im 5. Kapitel auf die einzelnen Schultypen angewandt
. Zuletzt behandelt Kapitel 6 die Ordnungen der kirchlichen
Unterweisung: Predigt, Kindergottesdienst usw. Sie unterscheiden
sich vom Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen
grundsätzlich dadurch, daß sie eindeutig auf die Kirche als
Lebensgemeinschaft bezogen sind.

Die kritischen Anfragen, die wir an dieses Buch zu stellen
haben, beziehen sich zunächst auf die Darstellung der historischen
Entwicklung. Ist es wirklich möglich, das Verständnis der
Evangelischen Unterweisung, wie es von Bohne bis Kittel entwickelt
wurde, als eine Folgeerscheinung der durch den Nationalsozialismus
aufgezwungenen Kampfsituation darzustellen, die
heute nichts mehr bedeutet? Es ist aber ebenso auch vom Grundsätzlichen
her zu fragen: Kann das Selbstverständnis des Religionsunterrichts
so ausschließlich vom Wesen der modernen Schule
abgeleitet werden, ohne zu berücksichtigen, daß diese Schule,
gleichviel welcher Schulart, noch immer in einem bestimmten
Verhältnis der Partnerschaft und Kooperation zur Kirche steht,
deren getaufte Kinder sie unterrichtet? Verträgt gerade der
hermeneutische Auftrag dieses Unterrichts eine Beschränkung auf
einen bloßen „Auslegungsauftrag", der mit dem „Verkündigungsauftrag
" nichts zu tun hat? Wenn Otto vorschlägt, zwischen
Verkündigung als „Ereignis" und Verkündigung als „Auftrag" zu
unterscheiden (114), so wird jedenfalls nicht klar, was dabei
unter Verkündigung als Oberbegriff für beide Vorgänge verstanden
werden soll. Wenn man wirklich vom Selbstverständnis
der modernen Schule ausgehen will, so stößt man in der gegenwärtigen
pädagogischen Diskussion sehr bald auf die Feststellung
, daß die Schüler in der modernen Schule der Wirklichkeit
des gegenwärtigen Lebens begegnen sollen1. Das bedeutet aber,
daß sie gerade auch im Religionsunterricht der heute lebenden
Gemeinde und der Kirche als Lebensgemeinschaft gegenübertreten
. Dann kann es aber keinen abgestuften Lehrauftrag für
die Unterweisung in der Kirche und in der Schule geben. Im
ganzen hat man den Eindruck, daß hier grundsätzliche Fragen
der kirchlichen Unterweisung angeschnitten sind, die dringend
weiter diskutiert werden müssen, auf die aber die vorliegende
Arbeit noch keine befriedigende Antwort zu geben vermag.

Erlangen Kurt Fror

') Wie die Zusammenhänge von der modernen Didaktik gesehen
werden, zeigt am deutlichsten eine Bemerkung von W. Klafki: „Sie
(die Schule) kann sich dann nicht mehr als relativ geschlossener ,Schon-
raum', als Jugendenklave in der wirtschaftlich-gesellschaftlich-politischen
Wirklichkeit und damit ausschließlich als Raum . . . der religiösen
Unterweisung — zentriert um .Hören' und .Auslegen' — verstehen. Sie
muß die Dimension des Handelns und der handlungsbezogenen Besinnung
— Engagement und Reflexion — in ihren bisherigen Aufgabenzusammenhang
integrieren. Über die Ermöglichung eines Schullebens
hinaus muß sie den jungen Menschen zeitweilig in die Erfahrung
elementaren Mit-Handelns, Sich-Engagierens, Verantwortung-Übernehmens
in der außerschulischen Wirklichkeit hineinführen und eine
Didaktik und Methodik der reflexiven Erhellung, Vertiefung und
Transposition des Erfahrenen entwickeln." — „Die Schule muß sich in
ihrem Bemühen, Kindern und Jugendlichen Bildung ... zu ermöglichen,
konsequent auf das außerschulische Leben bezogen verstehen" (Studien
zur Bildungstheorie und Didaktik, 1963, S. 71; 95). Hier wird ein
Selbstverständnis der modernen Schule erkennbar, von dem aus gesehen
Ottos ganzer Entwurf nicht nur problematisch, sondern geradezu
überholt erscheint. '_

Dreher, Bruno: Ganzheitlicher Religionsunterricht im biblischen
Raum (Anzeiger für die katholische Geistlichkeit 72, 1963 S. 506
—514).

Padberg, Rudolf: Kirche und Erziehung im Blickfeld evangelischer
und katholischer Pädagogen (ThGl 54, 1964 S. 9—14).