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Ausgabe:

1964

Spalte:

768-770

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Magirius, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Baugeschichte des Klosters Altzella 1964

Rezensent:

Lemper, Ernst-Heinz

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 10

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stand so vertrauter Vertreter der Christlichen Archäologie
nunmehr dem Interessierten zu einem tieferen Verständnis
verhelfen will. Die Absicht ist hervorragend gelungen: wir
haben eine verständlich und flüssig geschriebene Einführung
erhalten, deren Lektüre Genuß und Belehrung bringt. Der
Verlag hat das Buch glänzend ausgestattet, die zahlreichen Abbildungen
sind ausgezeichnet. Die Anlage der Arbeit ist geschickt
: zunächst stellt der Verfasser ein „imaginäres Museum"
koptischer Kunst zusammen, das die Vielfalt der Stile vorführt.
Schon hier klingt das Leitthema des Bandes auf: „Koptische"
Kunst ist keine Einheit; es ist streng zu scheiden zwischen der
auslaufenden hellenistischen Kunstübung der Provinzgriechen und
der aufkommenden einheimischen Volkskunst der Kopten.
Unterläßt man diese Scheidung, dann führt das — davon
handelt das zweite Kapitel — zu den Urteilen, etwa von
Strzygowski, die in der als Einheit verstandenen „koptischen"
Kunst lediglich ein Gemisch von Dekadenz und Abstrusität
erblicken müssen (und es kommt zu Fehldatierungen.'). Vergegenwärtigt
man sich aber die geschichtliche Lage Ägyptens in
der römischen und byzantinischen Zeit — das geschieht ausführlich
im dritten Kapitel — dann wird man auch die Kunst
des Landes verständnisvoller betrachten: der Kampf zwischen
dem Koptentum und der griechischen Oberschicht spiegelt sich
in ihr wider, und man kann die Zurückdrängung des griechischen
Einflusses an ihr anschaulich wahrnehmen. In sechs Abschnitten
stellt der Verfasser die verschiedenen Gebiete künstlerischer
Tätigkeit vor: Großplastik, Grabstelen, Provinzialgriechische
Plastik, Anfänge koptischer Plastik, Malerei, Textilkunst, um
mit einem Ausblick auf die Nachwirkungen der koptischen
Kunst zu schließen. Er geht dabei stets von der Betrachtung
einzelner Kunstwerke aus; er beschreibt sie und arbeitet ihre
Eigenart oft fein und treffend heraus, immer im Blick auf die
Frage: wer arbeitet hier? Haben wir ein Werk jener ausklingenden
provinzialgriechischen Kunst vor uns oder ist ein
einheimischer Künstler am Werke, der nie an die griechische
Tradition gebunden war, sondern der ursprüngliche Volkskunst
hervorbringt, wobei er auch altägyptische Überlieferungen
aufgreifen mag? In dieser lebendigen und eindringenden
pädagogischen Darbietung besteht der Wert des schönen Buches
und natürlich in der Fülle der vortrefflichen Abbildungen. Von
einer ins einzelne gehenden Auseinandersetzung mit der
Forschung hat der Verfasser naturgemäß abgesehen: der Text
ist ohne jede Anmerkung geschrieben, doch findet sich am
Schluß des Bandes eine ausführliche Bibliographie; zwei Karten,
schematische Skizzen von Verzierungen koptischer Tuniken,
gute Register von Personennamen, Orten, Museen und Sammlungen
, Ikonographischem und Sachen geben dem Benutzer
weitere Hilfen an die Hand. Alles in allem also ein wohlgelungenes
Werk.

Für den Leserkreis der ThLZ ist die religionsgeschichtliche
Seite von besonderem Interesse. Ein Teil der besprochenen
Kunstwerke ist natürlich profan, aber die sakrale Kunst
heidnischer oder christlicher Herkunft überwiegt (die meist
trümmerhaft erhaltene Architektur wird nur knapp erwähnt).
Im paganen Bereich bemerkt man das eigenartig unverstandene
Weiterleben griechischer Mythologie, das zu fast burlesken, ja
obszönen Darstellungen führen kann; Wessel hat einige derartige
Skulpturen treffend charakterisiert; es handelt sich vorwiegend
um Werke griechischer Künstler. Die Kunst der christlichen
Kopten kennt solche frivole Dekadenz nicht; sie hat einige
Werke von außerordentlich ernster Schönheit und ausdrucksvoller
Ursprünglichkeit hervorgebracht, so etwa die seltsame
Himmelfahrtsdarstellung (eine solche scheint es doch zu sein)
im Recklinghausener Ikonenmuseum (Abb. 49) oder das
Brooklyner Theklarelief (Abb. 52). Auch manche Malerei, etwa
aus dem Apollokloster von Bawit, und manche Ikone berühren
tief. In diesen Bildern ist oft überkommene christliche Ikonographie
aufgenommen und, zuweilen recht selbständig, umgeprägt
, wie Wessel schön darlegt. Es gehört auch zu den Verdiensten
des Buches, daß auf die Kunst einzelner Städte
geachtet wird, etwa von Antinoopolis oder Herakleopolis magna:
wie entwickelt sich dort die pagane und die christliche Kunst

nacheinander und nebeneinander? Bei dem Mangel an datierten
Texten und Monumenten, der das Studium der koptischen
Literatur und Kunst so mühsam macht, ist die Beachtung jeden
topographischen und chronologischen Datums von äußerster
Wichtigkeit; nur so können wir in der Erforschung der ägyptischen
Spätantike weiterkommen.

Manchmal scheint mir Wessel freilich zu schnell mit genauen
Daten zur Hand zu sein: muß etwa das Detroiter Stofffragment mit
dem Frauenkopf unbedingt für den Patriarchen Kyros hergestellt sein
(S. 214)? Der Verfasser urteilt im übrigen über das in die Zukunft
Weisende und Entwicklungsfähige der koptischen Volkskunst meinem
Gefühl nach zu optimistisch; das liebevolle Verständnis für koptisches
Wesen führt ihn wohl hin und wieder zu einer Hochbewertung
, die den eigenartigen Hervorbringungen m. E. nun doch nicht
zukommt. Freilich läßt sich über derartige Gefühlsurteile endlos
rechten. Betrachter und Leser des Buches werden sich jedenfalls darüber
freuen, daß ihnen Klaus Wessel auf so anregende Weise einen
Zugang in eine vergangene Welt eröffnet. Allerdings: mehr dürfen
dürfen sie von dem Buch auch nicht erwarten: die tieferen Probleme
„Koptischer" Kunst werden in ihm doch nur gestreift; sie sind in
vielem schwerer, als die glatte Darstellung Wessels den Laien vermuten
lassen wird.

Einige Bemerkungen: Zu S. 76 ist zu Antinoopolis zu sagen,
daß Alexander von Jerusalem (bei Euseb, Kirchengesch. VI 11) nur
Christen erwähnt, nicht ausdrücklich einen Bischof nennt, was möglicherweise
nicht ohne Grund ist; Theodoret (Kirchengesch. IV 18,
— nicht 15—) erzählt andererseits gerade, daß der Ortsbischof orthodox
war, wenn seine Gemeinde auch klein war. — S. 95 muß es statt
Temuthis Terenuthis heißen. — S. 97 fehlt ein Verweis auf Abb. 72
auf S. 99. — S. 141: der Konsul heißt Clementinus. S. 202: nach dem
Katalog der Essener Ausstellung (Koptische Kunst. Christentum am
Nil, 1963, Nr. 265) befindet sich das Nilmedaillon in Moskau. — Und
zwei Fragen : S. 18 : ob die beiden Nebenpersonen auf dem Wiener
Menasrelief nicht doch eher Pilger darstellen als Kleriker, wie W. annimmt
? Man denke an die Pilgerdarstellungen auf den palästinensischen
Ampullen, die freilich deutlich als Flehende abgebildet sind, während
das Relief starr verharrende Gestalten zeigt. — Ich wüßte gern, worauf
sich die Angabe gründet (S. 243), in Alexandria sei ein Fest des
Patriarchen loseph gefeiert worden, das an die Stelle des heidnisch-
griechischen Adonisfestes getreten sei.

Tübingen Um ns-Dietridi AI t e n cl o r f

Magirius, Heinrich: Die Baugeschichte des Klosters Altzella. Plangestaltung
von J. H e 1 b i g. Berlin: Akademie-Verlag 1962. 231 S.
m. 21 Abb., 155 Abb. a. 57 Taf., 28 Pläne. 4° = Abhandlungen
d. Sächs. Akademie d. Wiss. zu Leipzig, Philol.-hist. Klasse, Bd. 53,
H. 2. Kart. DM 36.50.

Den fruchtbaren baugeschichtlichen Untersuchungen neuerer
Zeit über Zisterzienserbauten fügt Heinrich Magirius eine weitere
hinzu, die dem bedeutendsten Kloster der Mark Meißen während
des Mittelalters gilt. Der Autor konnte dabei in glücklicher
Verbindung zu seiner Berufspraxis am Institut für Denkmalpflege
in Dresden seine Leipziger Dissertation von 1958 ausbauen
. In J. Heibig gewann der Verfasser einen fachkundigen
Mitarbeiter für die zeichnerische Befunddokumentation, die
Lagepläne und die Rekonstruktionen. Mit verschiedenen anderen
Zisterzienseranlagen teilt Altzella das Schicksal, im wesentlichen
nur als Ruine erhalten zu sein, was für die Art und
Methodik der Monographie ausschlaggebend war.

Die Schwerpunkte der Monographie sind abhängig vom
Erhaltungszustand der Baulichkeiten, von der Wertigkeit der
Grabungsbefunde und 'vom baukünstlerischen Gepräge. Die
ebenso umsichtigen wie vorsichtigen Befundanalysen und historisch
-quellenkundlichen Überlegungen lassen von Bauteil zu Bauteil
vorrückend ein Gesamtbild entstehen, in das die zister-
ziensischen Vergleichsbeispiele, die landschaftliche Bautradition
und die historischen Gegebenheiten von Fall zu Fall eingerückt
werden. Eine forschungsgeschichtliche Orientierung läßt den
Gegenstand der Untersuchungen in der unterschiedlichen Bewertung
durch die einzelnen Epochen seit der Reformation erscheinen
. Das ältere zeichnerische Material wird vom Verfasser
als Quelle kritisch geprüft, besonders die Grabungsaufzeichnungen
Joh. Gottfr. Hüblers von 1799—1809. Die bisher einzige
kunsttopographische Arbeit über Altzella ist Cornelius Gurlitts
Inventarisation von 1922 in den Bau- und Kunstdenkmalen
Sachsens, die, ohne auf systematischen Grabungen fußen zu