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Ausgabe:

1964

Spalte:

762-763

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Anselmus Cantuariensis, Proslogion 1964

Rezensent:

Beintker, Horst

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 10

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man von Mystik im strengen Sinne sprechen. Schon gleich nach
Erscheinen der Dissertation wurde von bekannten Augustinusforschern
auf das Unmögliche dieser Position hingewiesen.
Friedrich Heiler, einer der besten Kenner der Mystik, meldete
in seiner Zeitschrift „Eine heilige Kirche" (1938) seinen Widerspruch
an. Ich selber hielt dem Verfasser in einer längeren Besprechung
u. a. entgegen, wenn sein Begriff der Mystik richtig
wäre, dann wäre der größte deutsche Mystiker, Eckhart, — kein
Mystiker. Der englische Benediktinerabt Butler, ein Forscher
von internationalem Rang, behandelt in seinem Werk „Western
mysticism" (2. Aufl. London 1927) an erster Stelle Augustinus,
den er als „Fürsten der Mystik" bezeichnet. Es ist sehr schade,
daß Verfasser diese ausgezeichnete Darstellung der Mystik
Augustins nicht in deutscher Übersetzung in sein Werk aufgenommen
hat. (Ich selber habe darüber referiert in meinem
Werk „Augustins Metaphysik der Erkenntnis" [2. Aufl. Leiden
19601, dessen zweites Buch der „mystischen Gottesschau" Augustins
gewidmet ist.)

Es wäre überhaupt sehr zu begrüßen, wenn Verfasser bei
einer Neuauflage die in breitem Strom durch die Jahrhunderte
fließende katholische Augustinusforschung stärker heranziehen
würde. In ihr herrschte seit der Scholastik weithin der Grundsatz
: Augustinus eget Thoma interprete. Diese Maxime führte
naturgemäß zu einer harmonisierenden Methode in der Augustinusforschung
. Von ihr hat sich aber die katholische Augustinusforschung
seit Jahrzehnten freigemacht. An die Stelle der
harmonisierenden ist auch in ihr die streng historische Methode
getreten. (Vgl. dazu meinen vom Verfasser leider übersehenen
Aufsatz „Die Methode der Augustinusforschung", in: Miscel-
lanea Augustiniana [Holland.Augustinusfestschrift 1930].) Dieser
entscheidende Wandel in der katholischen Augustinusforschung
gehört eigentlich in ein „Augustinus-Gespräch der Gegenwart"
hinein.

Andresen fügt seiner Sammlung eine „Bibliographia augu-
stiniana" bei, die, soweit ich sehe, die umfassendste Augustin-
Bibliographie ist, die es heute im deutschen Sprachraum gibt.
Dafür wird ihm jeder Augustinusforscher dankbar sein.

Auf ein paar Versehen, die ja bei einer so umfassenden Zusammenstellung
von Buchtiteln fast unvermeidlich sind, darf ich den
Verfasser wohl hinweisen: S. 500 statt Falkenhayn muß es heißen
Falkenhahn, S. 573 statt Geyer: Geyser, S. 525 ist der Titel meines
Werkes falsch angegeben; er lautet nicht: „Piatonismus und
Hellenismus", sondern „Piatonismus und Prophetismus".

Köln Johannes Hessen

Winkelmann, Friedhelm: Die Textbezeugung der Vita Constan-
tini des Eusebius von Caesarea. Berlin: Akademie-Verlag 1962. XIII,
182 S. gr. 8° = Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen
Literatur, Bd. 84. DM 28.—.

Gegen Heikels Edition der Vita Constantini (VC) wurden
bereits bald nach ihrem Erscheinen 1902, besonders von Mancini
und Pasquali, begründete Einwände erhoben, denen aber, von
einer Erwiderung Heikels abgesehen, nicht weiter nachgegangen
wurde. Das neu erwachte Interesse an der Echtheit der VC, ausgelöst
durch einen Aufsatz Gregoires1, führte auch zu einer
vertieften Beschäftigung mit den Überlieferungsfragen. Winkelmann
, der 6ich bereits in seiner Dissertation mit der VC befaßt
hatte2, legt mit Bd 84 der TU eine überaus gründliche Untersuchung
zur Textüberlicferung der VC vor3. Für diese Arbeit
ergab sich eine vollständige Nachkollationierung der Handschriften
, da Heikel einige Handschriften damals noch unbekannt
waren und ihm im Text, im Apparat und Register z. T. gravierende
Fehler unterlaufen waren.

Die Untersuchung zerfällt in die Beschreibung und die Bewertung
der Textzeugen. Die Beschreibung bezieht sich a) auf

') Gregoire, Byzantion 13, 1938.

2) Winkclmann, F.: die Vita Constantini des Eusebius, Diss.
Halle, 19 59.

3) vgl. dazu audi Winkclmanns kürzere Aufsätze zum gleichen
Problem in Studi Classici 3, 1961, S. 405 ff.; Klio 40, 1962, S. 187 ff.

die Handschriften, b) auf den Papyrus Londiniensis 878 und c)
auf die indirekte Überlieferung.

ad a) Die Handschriften, die bereits Heikel verwendet
hatte, wurden erneut verglichen und dessen Kollationen an
vielen Stellen ergänzt und verbessert. Besonders der Cod. Mosq.
gr. 50 (J), der 1957 in Kiew auf Mikrofilm aufgenommen wurde,
ergab eine große Zahl von Nachträgen zu Heikels Edition. Besonderes
Interesse beanspruchen natürlich die neugefundenen
Handschriften4, die allerdings keine Überraschungen zutage
bringen.

ad b) der Pap. Lond. 878, der wahrscheinlich aus der Zeit
um 320 stammt, enthält eine Abschrift des Ediktes, das in
VC II. 24—42 ebenfalls aufgenommen worden ist, und bietet
damit eine gute Überprüfungsmöglichkeit für die Überlieferung
der VC-Handschriften. Eine Anzahl von Konjekturen Heikels,
der den Papyrus nicht benutzt hatte, erweist 6ich dadurch als
unbegründet.

ad c) Die indirekten Textzeugen hatte Heikel so gut wie
gar nicht verwertet. Winkelmann überprüfte die für die VC-
Überlieferung in Frage kommenden Schriftsteller der Reihe nach"
und zieht neben den hagiographischen Vitae Constantini aus dem
Frühmittelalter auch die echten Schriften Eusebs6 heran.

Die abschließende Auswertung des Materials ergibt, daß
Heikel in der Beurteilung der Handschriften im wesentlichen
zuzustimmen ist, obwohl des öfteren anderen Lesarten, z. B. J
vor V, der Vorzug zu geben ist. Ebenso wirkt sich für den Text
nicht aus, daß Heikel auf die indirekte Überlieferung verzichtet
hatte. Trotzdem legen die Untersuchungen Winkelmanns eine
Neuedition der VC unmittelbar nahe. Die Forschung ist durch
seine Bemühungen einem gesicherten VC-Text erheblich näher
gekommen und kann inzwischen auch die verschlungenen Wege
der Textüberlieferung besser überblicken. Die Tatsache, daß
Winkelmann am Schluß seiner Arbeit ein Stemma vorlegt, auf
das Heikel noch ausdrücklich verzichtet hatte, markiert den Fortschritt
deutlich. Dennoch sei nicht verschwiegen, daß auch
dieses Stemma noch viele Fragen über die Abhängigkeiten der
einzelnen Zeugen voneinander offen läßt.

Es liegt auf der Hand, daß ein wirklich begründetes Urteil
über Winkelmanns Untersuchungen schwer möglich ist, ohne das
benutzte Handschriftenmaterial vergleichen zu können. Dennoch,
das Vorgehen des Verfassers wirkt methodisch sauber und sorgfältig
, sein Urteil begründet, das Register zuverlässig und seine
Konjekturen, so geringfügig sie auch sind, einleuchtend. Somit
ist eine erfreuliche Vorarbeit zu einer Neuauflage von G CS 7
geleistet, als deren Editor sich Winkelmann bestens empfohlen
hat.

Heidelberg Gerhard Ruhbach

*) Cod. Vatic. gr. 2205 für die ganze VC, Cod. Sinait. gr. 1183
Und Cod. Dresd. A 135 für Teile der VC.

5) Socrates, Theodoret, die beiden wichtigsten Zeugen für die VC,
Sozomenus, Gelasius von Cycicus, Philostorgius, Gelasius von Caesarea
und Nicephorus Callistus.

°) besonders natürlich die h. e. und die LC.

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Anselm von Canterbury: Proslogion. Untersuchungen. Lateinischdeutsche
Ausgabe von F.S.Schmitt, O.S.B. Stuttgart: Frommann
[1962]. 159 S. 8°. Kart. DM 12.80.

Neben die lateinisch-deutsche Ausgabe von „Cur Deus
homo" stellt der Herausgeber der Gesamtausgabe der Werke
und Briefe Anselms das „Proslogion", die „Perle unter den
anselmianischen Schriften" (7). Er nimmt in einer straffen
Kommentierung und Gesamtwürdigung dieser Schrift in der
„Einführung" (9—65) Anlaß zur Auseinandersetzung vor allem
mit der „rein theologischen Auffassung des Gottesbeweises
durch Karl Barth und der rein mystischen durch A. Stolz" (7).

Leben und Werk, Charakter der Werke des Anselm, Entstehung
und Geschichte des Proslogion werden knapp behandelt.
Dabei kommt der Verf. schon kurz zu seinen beiden wichtigsten