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Ausgabe:

1964

Spalte:

748-750

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Scholem, Gershom

Titel/Untertitel:

Zur Kabbala und ihrer Symbolik 1964

Rezensent:

Meyer, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 10

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damit weithin von der israelitschen Religion überhaupt, und
diese Nachprüfung wird in ihrem Ergebnis vielfach mit dem
hier gewonnenen übereinstimmen, vor allem darin, daß man
sich den Unterschied zwischen dem, was Israel bis ins 8. oder
7. Jahrhundert v. Chr. gewesen und was es dann geworden ist,
bei weitem nicht so tiefgehend denken darf, wie man das bis
in die Anfänge unseres Jahrhunderts zu tun pflegte. Thompson
hat schon recht, wenn er auf S. 21 zustimmend an dieses 1954
von S. H. Hooke geschriebene Wort erinnert, „that whereas
twenty years earlier he would have regarded the eighth Century
prophets as the true founders of Israels religion he had
come to see in the tradition of the double call and choice of
Israel in Abraham and Moses an authentic tradition", und wenn
er S. 4 f. kritisch von Robertson Smiths und Wellhausens These
berichtet, erst im 8. oder 7. Jahrhundert v. Chr. sei als Folge
der über Israel hereingebrochenen Katastrophen der Sünden-
und Sühne-Gedanke in Israels Kultus eingedrungen. Daß aber
die diese Katastrophen androhende Verkündigung der Propheten
des 8. Jahrhunderts und ihr tatsächlicher Eintritt Israels Religion
und Opferwesen tiefgreifend umgestaltet haben, behält dennoch
seine Gültigkeit. Man braucht, um das bestätigt zu sehen,
nur an den gewaltigen Unterschied zwischen den vorhin genannten
Stellen l.Sam 1, 1—18 und Jes 53, 12—53, 13 zu
denken. Diesen Einschnitt erkannt und in glänzender Weise
dargestellt zu haben, bleibt Wellhausens Verdienst. Das dem
Buche vorangestellte und es mit Recht nachdrücklich lobende
Vorwort H. H. Rowleys enthält diese Sätze: ,,At the beginning
of the present Century the influence of Wellhausen on all
critical scholars was immense, and while in many respects his
views have had to be modified it is still considerable and likely
to remain so . . . On many questions I too have been compelled
to abandon Wellhausen's ideas on the religious history of the
Israelite people. Yet I have retained a greater respect for Wellhausen
than Dr. Thompson expresses, and have acknowledged
with gratitude my debt to him. No man can attain all the truth,
and the utmost any can hope to do is to make some contribution
here and there to its füll attainment"; sie treffen den Nagel
auf den Kopf.

Halle/Saale Otto EiB fei d t

B i c, Milos: Das Buch Sacharja. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1962],
182 S. 8°. Hlw. DM 9.80.

Das ist das Buch eines Außenseiters, was sich schon daran
zeigen könnte, daß es in keiner Kommentar- oder sonstigen
Reihe erschienen ist. Die Originalität der hier gegebenen
Auslegung wird an zwei Punkten besonders deutlich. 1) Das
Buch ist ganz einseitig eine Erklärung des masoretischen
Textes. Nie, von zwei — sicher richtig gedeuteten — Wahllesarten
abgesehen (10, 6; 14, 6), wird eine Änderung am MT
zugelassen. Die zahlreichen textkritischen Versuche der Ausleger
werden mehrfach durch Abdruck oder Gegenüberstellung ad absurdum
geführt oder sonst als Verwirrung stiftend abgetan. Für
den Wunsch des Verfs., den MT zu konservieren, sind gute Beispiele
2, 10 (S. 35); 5, 6 (hier wird das törichte ,,ihr Auge"
beibehalten, S. 69); 6, 14 (die Abweichung Chelem gegen Cheldaj
gilt als sinnvoll, S. 82); 10, 10 (das entscheidende Wort „Raum"
wird in Klammern zugesetzt, um einen Sinn zu bekommen,
S. 126 130); 10, 11 (sara wird mit „Bedrängnis!" wiedergegeben
, S. 130); 11,7.11 (hier bleiben ,,die Armen der Schafe"
bestehen, was einen ganz verqueren Sinn gibt, S. 133 f.). 2) In
allen Teilen und immer wieder wird der Versuch einer „Historiri-
kation" abgelehnt, und zwar nicht nur faktisch, sondern auch
grundsätzlich. Der eindeutig eschatologische Charakter des Ganzen
verbiete jede „historisierende Auffassung". Das betrifft auch
die Wiedergabe in den Versionen, besonders der LXX (S. 36
u. ö.). Daher hält B. es für unmöglich, etwa die Ölsöhne in 4, 14
mit Josua und Serubabel zu identifizieren. So ist in 3, 8 „der
jetzt angeredete Hohepriester Josua von dem des Nachtgesichtes
scharf zu unterscheiden" (S. 50). Die messianische Krone in
6,11.14 (der Plural wird von B. als „Stockwerkkrone" interpretiert
; „Kronen" könnte ja die Zwei-Messias-These stützen)
wird dem Josua nur symbolisch aufgesetzt; „denn sie war für

einen anderen Josua bestimmt" (S. 8 5). Für geradezu „grundverfehlt
" hält er es, „den messianischen Sproß mit Serubabel
gleichzusetzen" (S. 84). Immerhin ist B. nicht ganz konsequent.
Das für ihn schwierige Wort jawan 9, 13 möchte er, wie in
Joel 4, als jawen punktieren und die „Söhne des Schlammes" für
die Ägypter halten, als wenn das keine Historifikation wäre!
Auch wenn zu 10, 6 f. gesagt wird: „Juda ist wieder in seinem
Land, Joseph dagegen ist aus seiner Verbannung noch nicht
zurückgekehrt" (S. 129), sollte man das ja als historifizierend
bezeichnen können!

Auf diese Weise kommt es oft zu kuriosen Erklärungen. So
wird die Dreizahl der Pferde in 1,8 b „auf die drei Weltsphären"
gedeutet: „Meerestiefe, Erdscheibe und Himmelswölbung" (S. 23).
Daß es sich auch hier um die vier Himmelsrichtungen handelt,
wie in Kap. 6, 1 ff., wird nicht zugelassen, da es im jetzigen
MT ja anders steht. In 2, 4 fehlt zwischen „Juda" und
„Israel" das Waw. In LXX steht es, was aber als eine
„historisierende Auffassung des Textes" hingestellt wird. Die
asyndetische Zusammenstellung der beiden Worte will B. im
Sinne des prophetischen Anliegens deuten, „Juda als das wahre
Israel darzustellen" (S. 28). Die Olivenbäume in 4, 12—14, bei
denen die messianische Erklärung abgelehnt wird, werden auf
Mose und Elia bezogen; dabei wird „Jerusalem als die Gemeinde
durch den Leuchter versinnbildlicht" (S. 58 f.). Derartige
Symbolismen kommen häufiger vor. Das ist begreiflich. Denn
wenn der Text unantastbar ist, muß der Sinn angetastet
werden. In 6, 6 meinen die „schwarzen Rosse . . . das Gericht
über den Feind. Aber auch die weißen dürfen nicht fehlen.
Hat denn Jahwe nicht auch im Nordland treue Diener, die er
erretten will? So wird es verständlich, daß zwei Gespanne denselben
Weg gehen müssen und vom zweiten im Perfekt berichtet
wird" (S. 77). Bei solchen und ähnlichen Stellen liegt eine
offenbare Verkennung des hebräischen Sprachempfindens und der
daraus sich ergebenden Sachverhalte vor. Der Hinweis auf
historische Fakten braucht doch für alttestamentliches Verständnis
keine Hinderung zu sein, eschatologische Aussagen
zu machen.

Daß spätere Zusätze nicht angenommen werden, versteht
sich bei dieser Auffassung von selbst. Die Schlußkapitel 9—14
werden als „Anhänge" zu Kap. 1—8 gewertet. Genauer stellen
sie mit Maleachi drei anonyme Orakelsammlungen dar, von
denen die beiden ersten dem Buche Sacharja angehängt wurden
wegen der eschatologischen Einstellung. B. möchte ihre Abfassung
in die gleiche Zeit legen wie die des eigentlichen
Prophetenbuches. Als positiv würde ich betrachten, daß der Verf.
immer wieder' die Linien zu anderen Teilen des AT und vor
allem auch des NT zieht, wenn das auf der anderen Seite auch
zu manchen Künstlichkeiten führt. Als positiv würde ich aber
auch ansehen, daß der Verf. sich mit dem Text abzufinden sucht,
so wie er jetzt dasteht. Aber das sollte ja im Grunde die
Absicht jedes Auslegers sein. Es ist nur bedauerlich, daß der
Verf. hierbei der Sklave seiner eigenen Methode wird und dazu
das, was der Text nicht hergibt, mit Hilfe seiner Phantasie
sinnvoll zu machen versucht. (Dazu nur ein Beispiel: „Es ist
nicht ausgeschlossen, daß der Prophet mit der Quelle — 13, 1 —
die Wunden des Durchbohrten meinte"! S. 154.) So steht wirklich
zu befürchten, daß er im wissenschaftlichen Gespräch ein
Außenseiter bleibt.

Kiel Hans Wilhelm He r tzb e rg

1UDAICA

Sc ho lein, Gershom : Zur Kahbala und ihrer Symbolik. Züridi:
Rhein-Verlag [i960], 303 S. 8°. Lw. sfr./DM 19.80.

G. Scholem, gegenwärtig zweifelsohne der bedeutendste
Forscher auf dem Gebiete der jüdischen Mystik, faßt in dem
vorliegenden, geschmackvoll ausgestatteten Bande fünf ursprünglich
gesondert erschienene Aufsätze zusammen, die folgenden
Themen gewidmet sind: „Religiöse Autorität und
Mystik" (S. 11-48), „Kabbala und Mythos" (S. 117-158),
„Tradition und Neuschöpfung im Ritus der Kabbalisten" (S. 159
—207), „Die Vorstellung vom Golem in ihren tellurischcn und