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Ausgabe:

1964

Spalte:

744-747

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Thompson, Robert J.

Titel/Untertitel:

Penitence and sacrifice in early Israel outside the levitical law 1964

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 10

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seine Anziehungskraft nicht nur nicht verloren, sondern, wie mir
scheint, eher in den letzten Jahren gesteigert hat. Zweifellos
müssen manche Anschauungen Ottos heute als überholt gelten,
z. B. die Lehre von der Schematisierung (60 ff.), die Idee des
Heiligen als einer Kategorie a priori (S. 137 ff; 165 ff.) sowie
die von Otto angenommene rationale Meßbarkeit der Religionen
(S. 200 f.). Die eigentliche Grundkonzeption deß epochemachenden
Werkes bleibt bestehen: nämlich die geniale Analyse
des von der Wirklichkeit des Heiligen sich bestimmt fühlenden
und wissenden Bewußtseins. Es ist zu hoffen, daß die angehenden
Theologen (unter denen Otto und 6ein Werk in Vergessenheit
zu geraten drohten) angesichts der Tatsache, daß, wie es
den Anschein hat, nach jahrzehntelanger Diskriminierung,
neuerdings die Religion wieder eine Aufwertung erfährt, zu
diesem Buche greifen, das von der Urwirklichkeit handelt, der
in allen Religionen die Menschen in mannigfach verschiedener
Weise begegnen.

Bonn GustaT Men s ch i n g

ALTES TESTAMENT

Boer, P. A. H. de: Gedenken und Gedächtnis in der Welt des Alten
Testaments. Stuttgart: Kohlhammer [1962]. 76 S. gr. 8° = Franz-
Delitzsch-Vorlesungen 1960. Kart. DM 18.—.

Die kleine gehaltvolle Schrift ist der Untersuchung der in
der Gegenwart sich großer wissenschaftlicher Beachtung erfreuenden
hebräischen Wurzel zkr gewidmet. Der Verfasser
nimmt sein Material nicht nur aus dem Alten Testament,
sondern auch aus der altorientalischen Umwelt und dem nach-
biblisch'en Judentum, ja, er beschließt seine Ausführungen mit
einem Ausgriff in die Welt des Neuen Testaments, indem er
eine interessante und belangreiche Ausdeutung des Abendmahlsberichtes
auf Grund der erzielten Bedeutung der Wurzel zkr
gibt. Nach einleitenden Vorerwägungen zum Problem, insbesondere
über die beiden Bedeutungen des Grundstammes „erwähnen
und sich erinnern" (S. 15 f.), wendet sich die Untersuchung
zu den mit zkr parallel gebrauchten Ausdrücken, die
für das Verbum zäkar etwa vierzig Zeitwörter, für die Substantive
weit weniger Belege ergeben. Von diesen letzteren geht
die Untersuchung aus. Das Nomen zeker wird für ein Synonym
von schem = Namen gehalten. Zu zikkärön werden die
Parallelwendungen 'wt „Zeichen", hlk „Beuteanteil" und sdkh
„Verdienst", meschällm „Sprichwörter" beigebracht. Aus der
Reihe der parallel gebrauchten Verben seien schäkah „vergessen
", päkad „sich kümmern um", schämar „beachten",
'älälsjmlheschib 'al leb, bäxak genannt. Aus den Psalmen
werden die Verben hägä und siah beigezogen. Nach weiteren
Parallelbeispielen kommt der Verfasser zum Ergebnis, daß die
die Vergangenheit reproduzierende Erinnerungsfunktion keinen
wesentlichen Bestandteil innerhalb der Bedeutung der parallel gebrauchten
Verben bildet, aber verschiedene dieser Verben auf
ein „laut nennen" im kultischen Zusammenhang hindeuten. In
dem Abschnitt „Außerbiblischer Gebrauch der Wurzel" (S. 24
—28) bietet der Verfasser eine Auswahl seiner Belege, aus denen
als ein gutes Beispiel die aramäische Form der Geschichte vom
weisen Achikar herausragt. In dieser Erzählung ist nicht auf die
Erinnerungsfunktion des Königs angespielt, sondern auf das
Nennen des Namens Achikar durch den König in Zukunft, wenn
er den weisen Rat jenes brauchen würde.

Der fünfte Abschnitt (S. 28—44) beschäftigt sich mit dem
alttestamentlichen Gebrauch der Wurzel zkr. Es ergibt sich als
Bedeutung des Grundstammes „nennen, erwähnen", und zwar
in der Regel! Der Kausativstamm würde die Bedeutung
„machen, daß die Erwähnung geschieht, proklamieren" haben.

Von S. 44—62 breitet der Verfasser ein reiches nachbiblisches
Material, das er den Versionen, dem Buch Jesus Sirach,
den Qumränschriften und den rabbinischen Quellen entnimmt,
aus. Aus den letztgenannten Quellen wird ein Teil der Neujahrsgebete
, zikrönöt im hebräischen Text angeführt. Den Beschluß
dieses Abschnittes bilden aramäische Beispiele aus dem Buch
Esra, aus den Papyri von Elephantine sowie weitere aus
palmyrenischen und phönizischen Inschriften. Im siebenten

Abschnitt faßt der Verfasser sein Ergebnis zusammen. Die
Wurzel zkr hat die einzige Bedeutung „nennen" wie das
akkadische zakaru (S. 63). In den westsemitischen Texten wird
die Bedeutung zu „feierlichem Nennen", wobei sich das Subjekt
an der Person oder der Sache, die es nennt, beteiligt, so daß
geradezu eine besondere Seite an dem Genannten beschworen
wird. In entsprechender Weise werden die zur Wurzel gehörigen
Nomina definiert. Wichtig ist, daß zkr an der magischen Bedeutung
des antiken Wort- und Sachbegriffes Anteil hat und
wohl dem Bereich der Götter, Könige und Priester zugehört.
Hier fehlt ein Hinweis auf ähnliche Ercheinungen in anderen
Sprachen, z. B. daß die deutsche Sprache das Wort „erinnern"
in der Bedeutung von „bemerken, anmerken, erwähnen" kennt.
Zu den verschiedenen Belegen ist Grimms Deutsches Wörterbuch
III, 1862 s.v. zu vergleichen. Freilich bleibt bei diesem
Ergebnis des Verfassers die Aufgabe, die eine Erforschung
der alttestamentlichen Anthropologie noch lösen müßte, bestehen
, nämlich die Untersuchung der Erinnerungsfunktion, die,
wie richtig hervorgehoben wird, gegenwarts- und zukunfts-
bezogen verstanden worden ist. Der alttestamentliche Mensch
hat keinen romantischen Gebrauch von seiner Erinnerungsfunktion
gemacht im Sinn einer Wiederbelebung der Vergangenheit
um der Vergangenheit willen. Das entspricht der starken
Diesseitszugewandtheit des alttestamentlichen Menschen. Der
Verfasser hat also mit seiner semasiologischen und philologischen
Untersuchung einen sehr schätzenswerten Beitrag zum
Menschenbild des Alten Testaments geleistet.

In einem letzten Abschnitt (S. 65—70) behandelt der Verfasser
den Begriff „Anamnesis" mit Bezug auf den neu-
testamentlichen Abendmahlsbericht und den Wiederholungsbefehl
aus 1 Kor 11, 24.25 Luk 22, 19. Gegen die Übersetzung
von J.Jeremias, „Tut dieses, damit Gott meiner gedenke",
kommt der Verfasser auf Grund seines in den vorausgegangenen
Abschnitten dargelegten Materials zu der Übersetzung „Dies
sollt ihr tun zu meiner Erwähnung" oder „Machet dies (Mahl) zu
einem Erwähnungsmahl".

In großer Bescheidenheit hat Verf. zum Schluß seine Darlegungen
zur Wurzel zkr nur als eine bescheidene Vorarbeit
gekennzeichnet, aber es darf wohl gesagt werden, daß hier ein
sicheres und zutreffendes Fundament gelegt worden ist, auf dem
mit Erfolg weitergebaut werden kann.

Leipzig Hans Bardtke

Thompson, R. J.: Penitence and Sacrifice in Early Israel outside
the Levitical Law. An Examination of the Fellowship Theory of
Early Israelite Sacrifice. With a Foreword by H. H. Rowrley. Leiden:
Brill 1963. XIII, 287 S. gr. 8°. Lw. hfl. 32.—.

Angeregt durch eine 1948 von H. H Rowley gemachte Bemerkung
, die im Gange befindliche Auseinandersetzung mit
Wellhausen dürfe sich nicht auf diese oder jene seiner Thesen
beschränken, sondern müsse das von Wellhausen entworfene
Gesamtbild der israelitisch-jüdischen Profan- und Religionsgeschichte
ins Auge fassen, macht sich der Verf. hier an die
Nachprüfung seiner Auffassung von der Entwicklung des
Opfergedankens in Israel, die nach ihm in der Zurückdrängung
des alten fröhlichen Gemeinschaftsopfers durch die Idee der mit
dem stellvertretenden Sterben des Tieres gewirkten Sühne bestanden
hat, und leistet, was bei der dem Opfer in den antiken
Religionen überhaupt und in Israels Religion insbesondere zukommenden
Bedeutsamkeit nicht verwunderlich ist, damit eine
sehr wichtige Vorarbeit für die Lösung jener umfassenderen
Aufgabe. Der von Rowleys „Foreword" (S. IX—X), Thompsons
„Preface" (S. XI-XII) und „Explanatory Notes" (S. XIII) einerseits
, von „Abbreviations" (S. 250—255)), „Bibliography"
(S. 256-272) und „Index" (S. 273-287: Author-, Subject- und
Scripture-Index) anderseits eingerahmte Hauptteil des Buches
(S. 1—249) bringt nach einer „Introduction", die „The Problem",
„Previous Contributions" und „The Present Method" zum
Gegenstand hat (S. 1—20), die in 11 Kapitel gegliederte eigentliche
Darstellung (S. 21—242) und schließt mit „Conclusion"
(S. 243—249), die in „Summary of Results", „Survey of Some
Theories" und „Limits of the Enquiry" gegliedert ist, ab.