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Ausgabe:

1964

Spalte:

741-742

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Appasamy, Aiyadurai Jesudason

Titel/Untertitel:

Sundar Singh 1964

Rezensent:

Gäbler, Paul

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Seite 1

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741

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 10

742

Appasamy, A. }., D.Phil., D.D.: Sundar Singh. A Biography.
London: Lutterworth Press [1958]. 248 S., 1 Titelbild. 8°. Lw. 30 s.

Der Verfasser war einer der ersten Autoren, die Sundar
Singh dem Westen vorgestellt haben. Das geschah bereits 1921

— und zwar damals in Zusammenarbeit mit Canon B. H. Streeter

— in dem Buch „The Sadhu. A study in Mysticism and practical
Religion" (London: Macmillan), das dann auch auf deutsch erschien
(Stuttgart-Gotha 11922, 21923). Aber während es sich
damals darum handelte, vor allem die Botschaft und die Gedankenwelt
Sundar Singhs darzustellen, behandelt das jetzige
Buch sein Leben und Wirken; gleichzeitig wird ein weiterer Band
über seine Botschaft in Aussicht gestellt.

Der vorliegende Band über Sadhu Sundar Singh1 ist meines
Wissens das erste Buch im englischen Sprachbereich, das vom
Sadhu-Streit Kenntnis nimmt, d.h. von der heftigen Kontroverse
, die sich vorwiegend im deutschen Sprachgebiet im Verlauf
der zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre, also selbst
noch, nachdem Sundar Singh 1929 auf dem Weg nach Tibet verschollen
war, angesichts zahlreicher unhaltbarer autobiographischer
Behauptungen Sundar Singhs abgespielt hat, und durch die
seine Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wurde. Neben einer Anzahl
von Büchern erschien in jenen Jahren eine ganze Flut von
Aufsätzen in Zeitungen und Zeitschriften. Später habe ich
meinerseits den ganzen umfangreichen Komplex einer gründlichen
Untersuchung unterzogen und so weit wie möglich zu
klären versucht". Es ist anzuerkennen, daß sich Bischof Appasamy
in seinem Buche immerhin der Frage nach der Glaubwürdigkeit
Sundar Singhs stellt und an verschiedenen Stellen seines Buches
audi Ansätze zu einer geschichtlichen Wahrheitsfindung erkennbar
werden läßt. Er hat, obgleich er von Haus aus die deutsche
Sprache nicht kennt, nicht Zeit und Mühe gescheut, sich mit
Hilfe von Freunden, die Deutsch sprechen, in die Problematik
einzuarbeiten. Er verweist außerdem auf einige neue Literatur
und auf Briefe Sundars und anderer aus Privathand, die ihm
erstmalig zugänglich gemacht wurden; offensichtlich stellen diese
Literatur und diese Briefe jedoch die Ergebnisse der bisherigen
kritischen Forschung nicht in Frage. Er bezieht sich etwa ein
Dutzcndmal auf mein Buch und gibt zu (z. B. auf S. 61), daß
Sundar Singh gelegentlich Aussagen gemacht habe, welche bei
Anwendung der üblichen historischen Maßstäbe nicht wahr sind.
Aber in den meisten Fällen geht er über die entgegenstehenden
chronologischen, topographischen und sonstigen Fakten hinweg
und hält weiterhin an der Historizität beispielsweise der von
Sundar Singh behaupteten Tibetreisen und seiner Begegnungen
mit dem Maharishi vom Kailash fest, ohne allerdings einen
Beweis dafür anzutreten. Auch die chronologischen Korrekturen
im Leben Sundar Singhs ignoriert er, die sich durch den von
mir dokumentarisch für Ende 1904 (statt 1905) nachgewiesenen
Schuleintritt in Ludhiana für sein Geburtsdatum (Mitte 1888
statt 3. 9. 1889) und das Datum seiner Bekehrungsvision (18. 12.
1903 statt 18. 12. 1904) ergeben.

Unbeschadet dieser kritischen Feststellungen ist jedoch
dankbar anzuerkennen, daß Bischof Appasamy mit sehr viel Fleiß
und Liebe ein anschauliches und warmherziges Lebensbild von
Sundar Singh gezeichnet hat. Auch dessen zahlreiche Reisen
kreuz und quer durch ganz Indien sowie nach England, Amerika
und Australien, nach der Schweiz, Deutschland, Skandinavien
und Holland werden eingehend geschildert. —

Es ist hinzuzufügen, daß auch eine deutsche Übersetzung
des Buches vorliegt1. Leider muß festgestellt werden
, daß diese deutsche Ausgabe alles andere als eine Meisterleistung
des sonst so achtenswerten Verlages darstellt. Nicht
nur, daß bereits auf der Titelseite ein nahezu unverzeihlicher
Druckfehler vorliegt (der Verfasser wird als A. P. Appasamy angegeben
), sondern die Übersetzung selbst strotzt von Fehlern

*) Eine kurze Orientierung über Sundar Singh bietet der Artikel
in der ''RGG, Bd. VI, Sp. 526 f.

*) Paul Gabler: Sadhu Sundar Singh. Eine historisch-kritische Untersuchung
(Diss. Leipzig), 1937, 2 84 S.

°) A. J. Appasamy, Bischof in Coimbatore (Indien): Sundar
Singh. Ein indischer Zeuge des lebendigen Christus. Aus dem Englischen
übertragen von Greta Barth und Ida Frohnmeyer. Basel : Friedrich
Reinhardt, o. J. (1960), 309 S., mit Titelbild. 8°. Lw. DM 11.80.

und Ungenauigkeiten, die darauf schließen lassen, daß die Übersetzerinnen
weder mit der englischen Sprache so gründlich vertraut
sind, wie man erwarten müßte, noch hinreichend mit der
Terminologie indischer Worte bekannt sind und auch keineswegs
die nötige wissenschaftliche Schulung besitzen, um ein wissenschaftliches
Buch sachgemäß und mit der selbstverständlich nötigen
Akkuratesse auch formgerecht in eine andere Sprache zu
übertragen. Ohne das zu wiederholen, was Prof. Carl A. Keller
von der Universität Lausanne bei seiner Rezension dieser deutschen
Ausgabe beanstandet hat1, muß festgestellt werden, daß
die deutsche Übersetzung ihres wissenschaftlichen Wertes u. a.
dadurch beraubt wird, daß in völliger Willkür und ohne ersichtlichen
Grund eine große Anzahl von Anmerkungen unterschlagen
oder beliebig gekürzt werden oder sogar ohne weitere
Kennzeichnung in den laufenden Text (und dort selbst in wörtliche
Zitate) eingearbeitet werden.

Ich will mein hartes Urteil mit einigen wenigen beliebig herausgegriffenen
Beispielen belegen. Ich gehe dabei von der deutschen Auflage
(d) aus und vergleiche mit der englisdien (e): d S. 50, 2. Abs.
,,Nasib Ali" (statt e S. 42 „T. Nasib Ali"); d ebenda, 3. Abs. „am
9. März" (statt e S. 43 „am 9. März des gleichen Jahres"); d ebenda
4. Abs. „Sundar Singh und ich wollten nach Shipke (in Tibet) gehen,
das auf 5000 Meter Höhe liegt. Doch als wir Namgya erreichten, erfuhren
wir, daß die Straße nach Shipke durch Schnee gesperrt sei"
(statt e ebenda: „Sundar Singh und ich wollten nach Shipke (in Tibet)
gehen, welches zwei Tagereisen von hier entfernt ist. Dodi als wir
Namgya erreichten, erfuhren wir, daß die Straße nach Shipke (Anmerkung
des Verfassers: „Shipke liegt 15400 Fuß hoch") durch Schnee
gesperrt sei"); d S. 51, Z. 2 ff. beschreibt eine Hängebrücke und deren
Überquerung mit den Worten von Ali, wobei es Z. 5 f. heißt: „Ich
fürchtete, sie werde hin und her schwanken und uns Schwindel erregen
" (statt e S. 43 Appasamys Anmerkung zu Alis Bericht: „Da sie
vermutlich hin und her schwanken und einen schwindlig machen
würde"); d ebenda in der Mitte der Seite: „Wir erreichten Tashigang,
das etwa 215 Meilen von Simla entfernt in Tibet liegt, wohlbehalten
am Abend" (statt e S. 43, 4. Abs.: „Wir erreichten Tashigang (Anmerkung
Appasamys: „Tashigang ist etwa 215 Meilen von Simla entfernt
und gehört zum eigentlichen Tibet") wohlbehalten am Abend".
Das sind nicht gelegentliche Versehen, sondern typische Vorgänge, die
sich dauernd wiederholen. — Oder ein anderes Beispiel: d S. 201 „Aus
Streeter und A. J. Appasamy „Der Sadhu", S. 93, 94" als Übersetzung
von e S. 161 „B. H. Streeter and Appasamy, The Sadhu, pp 93, 94" —
als ob in der deutschen Übersetzung „Der Sadhu", die es ja, wie erwähnt
, tatsächlich gibt, die Seitenzahl mit der engl. Ausgabe ohne
weiteres identisch ist. Oder etwa das Buch Heilers „Die Wahrheit
Sundar Singhs", in e 6tets korrekt zitiert, wird in der deutschen Ausgabe
konstant verändert in „Die Wahrheit über Sundar Singh" (z. B.
d S. 14 u. ö.). Oder nodi ein Beispiel: Daß bei deutsdien Namen die
Umlaute ä, ö und ü im Englischen meist als a, o und u wiedergegeben
werden, weiß jeder, der mit dem Englisch vertraut ist; ein Übersetzer
darf deshalb bei der Übertragung ins Deutsche niemals außer acht
lassen, daß bei deutschen Namen mit a, o und u die englische Schreibweise
für Umlaute angewandt sein könnte. Aber nein, mein Name
bleibt wie im Englischen: Gabler.

Schließlich ist noch zu bemerken, daß in der deutschen
Ausgabe das Sachregister, das Register mit den Personennamen
und vor allem das Register der hauptsächlichen Bücher und Aufsätze
von und über Sundar Singh fehlt.

Ich hoffe nur, daß in dieser Zeit, wo der deutsche Büchermarkt
mit einem überreichen Angebot von Übersetzungen aus
dem Englischen aufwartet, eine derartige deutsche Übertragung
eine Ausnahme ist, und das vor allem in der Reihe der wissenschaftlichen
Bücher. Eine erhöhte Wachsamkeit auf Seiten von
Verlag und Leser wird sicher nicht fehl am Platze 6ein.

Niedernjesa über Göttingen Paul G ii b 1 e r

') Vgl. International Review of Missions, Vol. LI, No. 203,
July 1962, S. 368 f.

Otto, Rudolf: Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des
Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen. 31. bis 3 5. Aufl.
(Sonderausgabe 1963). München: Beck [1963]. VIII, 229 S. 8°. Lw.
DM 12.80.

Das Erscheinen der 26.-28. Auflage des berühmten Buches
..Das Heilige" von Rudolf Otto wurde von mir in ThLZ
Heft 12/1949 angezeigt. Nun liegt bereits die 31.-35. Auflage
in unverändertem Abdruck vor, Beweis dessen, daß das Buch