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Ausgabe:

1964

Spalte:

708-709

Kategorie:

Kirchenrecht

Titel/Untertitel:

Die Entwicklung der bedingten Eheschliessung im kanonischen Recht ; Ein Beitrag zur Geschichte der Kanonistik von Gratian bis Gregor IX 1964

Rezensent:

Weinzierl, Karl

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 9

708

zu bekommen, wie hier (S. 25) dargestellt wird. Wäre das der
Fall, dann wäre jede Polemik dagegen hinfällig, denn dann bedeutete
sie nicht mehr als eine nachträgliche Anerkennung der
betr. Ehe. Sie ist aber mehr!

2. Die Heranziehung der cann. 214 und 1307 §3 gegen
die Verbindlichkeit des unter Zwang oder Furcht abgegebenen
Mischehe-Versprechens (Kautionen) ist kanonisch nicht haltbar.
Höchstens käme can. 103 in Betracht. Man vergleiche aber dagegen
can. 1317 §2 und can. 1087. Wesentlich ist, daß hier
zwei Merkmale nicht in Betracht kommen: erstens „Metus
gravis", Furcht für Leib und Leben — die liegt aber bei dem
Mischehenrevers sicher nicht vor; zweitens fehlt aber das Merkmal
des „iniustum" — ein Revers ist immer ein „Iustum".

Heppenheim/Bergstr. Kurt Nitzschke

Fror, Kurt: Neue Wege in den Konfiimationsordnungen (Luth.

Monatshefte 2, 1963 S. 594—601).
K e 11 n e r, Elmer A.: Adventures in Evangelism. Saint Louis: Con-

cordia Publishing House [1964]. 133 S. 8° Kart. $ 1.50.
Krem er, Jacob: Die Aussage des Neuen Testaments über die Gemeinde
und das Gemeindeleben als Kanon moderner Pfarrseelsorge

(Bibel und Leben 4, 1963 S. 282—294).
Lilje, Hanns: Theologie und Gegenwart. Ein Nachwort zu Helsinki

(MPTh 53, 1964 S. 129—133).
L i n d n e r, Reinhold: Die Familie — Baustein für den Neubau unserer

Kirche (PB1 104, 1964 S. 79-85).
M elzer, Friso: Theo-philologische Studien. I. Leiden und Mitleiden,

II. Kreuz (PB1 104, 1964 S. 138-145).
Müller, Gerhard: Mut und Demut zum Predigen (DtPfrBI 63, 1963

S. 569—572).

Müller-Schwefe, Hans-Rudolf: Der Weg unserer Osterpredigt
(MPTh 53, 1964 S. 75—85 u. 134—144).

Quervain, Alfred de: Die Frau als Dienerin des göttlichen Wortes
(DtPfrBI 63, 1963 S. 513-515).

Preuss, Horst Dietrich: Gemeindepastor und theologische Wissenschaft
(DtPfrBI 64, 1964 S.105—107).

Reissner, Hanswerner: Vom Sinn der Wallfahrt. I.Teil (Erbe und
Auftrag 40, 1964 S. 22—36).

Rendtorff, Trutz: Verbindlichkeit in der Jugendarbeit als theologisches
Problem (Freiheit und Bindung. Beitrage zur Situation der
evangelischen Jugendarbeit in Deutschland. München: Chr. Kaiser,

1963 S. 74—86).

Rorarius, Winfried: Autogenes Training und Gebet (ZW 3 5, 1964
S. 81-93).

Rosenboom, Enno: Die Publizität des Evangeliums (KidZ 19,

1964 S. 161—166).

Theologische Sätze des Weißenseer Arbeitskreises: Von der Freiheit
der Kirchen zum Dienen (JK 25, 1964 S. 29—34).

Schmidt, Martin: Orientierung der Predigt am Nächsten (DtPfrBI

63, 1963 S. 517—519).
Schneyer, Joh. Baptist: Die Erforschung der scholastischen Sermones

und ihre Bedeutung für die Homiletik (Schob 39, 1964 S. 1—26).
Schulte, Walter: Entfremdung von Kirche und Welt (Wege zum

Menschen 16, 1964 S. 97—109).
Sie vers, Wilhelm: Theologie und Gemeinde (Luth. Monatshefte 2,

1963 S. 590—594).
S o k o 1 o w, Serafim: Die Erziehung des geistlichen Nachwuchses

(Stimme der Orthodoxie Heft 1, 1964 S. 18—21).

Stammler, Eberhard: Die Volkskirche als Chance der Jugendarbeit.
Von der Pluralität der Gemeinde (Freiheit und Bindung. Beiträge zur
Situation der evangelischen Jugendarbeit in Deutschland. München:
Chr. Kaiser, 1963 S. 65—74).

Uhsadel, Walter: Das seelsorgerliche Amt (DtPfrBI 63, 1963 S. 593
— 597).

W ö 1 b e r, Hans-Otto: Verkündigung und Erziehung. Über komplementäre
Zusammenhänge der Christologie (Freiheit und Bindung.
Beiträge zur Situation der evangelischen Jugendarbeit in Deutschland.
München: Chr. Kaiser, 1963 S. 52—65).

Zeim, Martin: Religiöse Volkskunde und Theologie (DtPfrBI 63,
1963 S. 572 f.).

Zimmermann, Walter: Gottes Wort für eine neue Zeit. Probleme
der Bibelausbreitung in einer veränderten Welt (LM 3, 1964
S. 7-13).

KIHCHENBECHT

Weigand, Rudolf: Die bedingte Eheschließung im kanonischen
Recht. I. Teil: Die Entwicklung der bedingten Eheschließung im kanonischen
Recht. Ein Beitrag zur Geschichte der Kanonistik von
Gratian bis Gregor IX. München: Hueber 1963. XXIII, 431 S gr. 8°.
DM 45.-.

Die vorliegende Abhandlung, die als Doktordissertation
von der Theologischen Fakultät der Universität Würzburg angenommen
worden ist, dreht sich um die Frage: Wie ist die
Rechtslage gewesen, wenn jemand nur unter einer bestimmten
Bedingung in eine Ehe eingewilligt hat? Läßt dann die Rechtsordnung
trotz der bedingten Ehewillenserklärung eine unbedingte
, sofort gültige Ehe entstehen, oder sieht sie die bedingte
Einwilligung als Hindernis für das Zustandekommen einer gültigen
Ehe an, oder macht sie die Gültigkeit der Ehe vom Eintritt
oder Entfall der Bedingung abhängig?

Im vorbereitenden Teil unterzieht Verf. die erschienene frühere
Literatur einer kritischen Würdigung, untersucht dann die Stellung des
römischen und des jüdischen Rechts zur bedingten Eheschließung und
stellt als Ergebnis heraus: Das römische Recht, sogar noch zur Zeit
Justinians, lehnt eine bedingte Eheschließung als unmöglich ab. Das
jüdische Recht hingegen hat seit den ersten nachchristlichen Jahrhunderten
bedingte Antrauungcn als möglich anerkannt.

Im Hauptteil zeigt Verf. die vielfältige und komplizierte Entwicklung
auf, die das kanonische Recht genommen hat, bis es schließlich
eine Bedingung bei der Eheschließung zugelassen hat. Um der
Lösung dieser schwierigen Frage näherzukommen, verwertet Weigand
außer der einschlägigen Literatur des In- und Auslands vor allem die
Quellen. Dabei beschränkt er sich keineswegs bloß auf die gedruckten
Quellen, sondern zieht audi alle erreichbaren Handschriften der
deutschen und ausländischen Bibliotheken heran, wie sie besonders
durch die verdienstvollen Forschungen von Stephan Kuttner bekannt
geworden sind, und veröffentlicht aus diesen Handschriften einen zuverlässigen
Text. Als unermüdlicher Handschriftenforscher legt er die
gefundenen Texte sorgsam aus und gelangt zu überzeugenden Ergebnissen
, die bei der Fülle des Stoffs und dem beschränkten Umfang der
Rezension nur in großen Zügen dargelegt werden können.

Bis gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts finden sich im kanonischen
Recht noch keine Spuren einer eigentlichen bedingten Eheschließung
. Erst der Begründer der kanonistischen Wissenschaft, der Mönch
Gratian in Bologna, wirft als erster die Frage auf, ob eine bedingte
Eheschließung rechtlich möglich ist. Bei seinen Schülern Paucapalea,
Rolandus Bandinelli und Rufinus in Bologna erscheint die Lehre von
der Erlaubtheit der bedingten Eheschließung zwar schon deutlich,
aber noch unentwickelt und unklar. Von 1160 an, seit Stephan von
Tournay, versuchen die Dekretisten tastend die sich widersprechenden
Quellenstellen in Einklang zu bringen. Auch von 1170 an, seit Johannes
Faventinus, stehen nodi verschiedene Lehren im Widerstreit der
Meinungen der bologneser und der französischen Kanonistcnschule.
Mit der Dekretale des Papstes Alexander III. De illis (um 1180) greift
erstmals die kirchliche Gesetzgebung in dem Sinn ein, daß Bedingungen
nur bei einem Verlöbnis zulässig und wirksam sind, daß aber
eine bei der Eheschließung beigefügte Bedingung nicht eine Aufschiebung
der Wirksamkeit der Ehe mit sich bringt; diese Ansidit findet
Anerkennung in der französischen Kanonistenschule. Zu einem zweiten
Eingreifen der päpstlichen Gesetzgebung kam es in der Dekretale
Urbans III. Cum in apostolica (2. Teil: Super eo vero) (zw. 1185 u.
1187). Auf eine Anfrage aus Frankreich hin erklärt der Papst einen
Ehekonsens, der unter der Bedingung der Zustimmung des Vaters zur
Ehe gegeben worden ist, als erst in Zukunft wirksam, wobei er die
besagte Bedingung in einen Consensus de futuro umdeutet. Damit
stößt er jedoch auf den Widerspruch der Kanonistenschule von
Bologna, besonders des bedeutenden Dekretisten Huguccio. Dagegen
findet die Entscheidung des Papstes Urban III. bei den ersten Glossatoren
der Compilatio I volle Anerkennung, Bernhard von Pavia ausgenommen
, nach dessen Ansicht eine Bedingung das Zustandekommen
einer Ehe hindert. Noch ein drittes Mal greift die päpstliche Gesetzgebung
ein durch die Dekretale Innozenz'III. Per tuas (19. Juli 1203).
Sie sucht das Ringen um eine einheitliche Lehre zu fördern, vermag
aber noch nicht die Streitfragen endgültig zu klären. Doch steuert die
Lehrentwicklung immer mehr auf die Anerkennung einer bedingten
Eheschließung zu, die um 1220 überwiegt und schließlich durch die
Gesetzgebung des Papstes Gregor IX. geduldet wird. Nach der bei
den Kanonisten (nicht auch bei den Theologen) herrschend gewordenen
Lehre von der Erlaubtheit der bedingten Eheschließung richtet sich
auch die kirchliche Rechtsprechung. Aber erst durch can 1092 n. 3 CIC
wird endgültig gesetzlich festgelegt, daß eine einmal beigefügte und
nicht widerrufene, erlaubte und sich auf die Zuk«nft beziehende Bedingung
die Geltung der Ehe in Schwebe läßt.