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1964

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Systematische Theologie: Allgemeines

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699

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 9

700

Christus entdeckt wird, ja, nicht einmal so, daß die verschiedenen
Weisen des Betrachtens und Vorgehens sich nur sternförmig
aufeinanderzubewegen, sondern so, daß sie von vornherein
miteinander ins Gespräch gebracht werden. D. betont
die Kontinuität zwischen dem Jesus seiner Erdentage und dem
Christus des Glaubens. Beim Blick auf den historischen Jesus
davon abzusehen, daß Gott in ihm Fleisch geworden ist, „bedeutet
nicht nur Abstraktion, sondern Verrat" (9). „In Wirklichkeit
... ist schon der geschichtliche Jesus der Herr des Glaubens
, wie der Herr des Glaubens noch der geschichtliche Jesus
ist" (10). Es ist „absolut sicher", daß Paulus „das Leben Jesu
kannte" (13) — die Belege, die Verf. dafür erbringt, könnten
wohl sogar noch vermehrt werden. Verf. will der unter uns
verbreiteten Gefahr wehren, daß wir Jesu Menschheit nicht ernst
nehmen (27). Sie tritt uns gerade im NT in ihren „verschiedenen
Schichten" entgegen: in der „geschichtlichen Singularität" wie in
der „menschlichen Universalität" Jesu (31). Das Bekenntnis zur
Gottheit Christi ist nicht Werk der Urgemeinde. Daß Christus
göttliche Autortät beanspruchte, hat ihn ans Kreuz gebracht.
Das gesamte urchristliche Zeugnis — vom Verf. mehr homophon
als polyphon vernommen — sieht schon im historischen Jesus
den wahren Gott. Der am Kreuz Gestorbene ist derselbe, der
das All in seinem Dasein erhält (59). Der Zusammenhang Jesu
mit dem Alten Testament wird vorrangig auf typologischem
Wege dargestellt. Auch das Kapitel über „Philosophie und
Christologie", das dem evangelischen Leser zunächst eine Art
Zwischenspiel zu sein scheint, erweist sich als Bemühung um
die Integration der Methoden. In Auseinandersetzung mit der
Religionsphilosophie von Henri Dumery, in der Verf. einen
Versuch der Entmythologisierung der Botschaft der Bibel sieht,
dringt er darauf, daß es beim christlichen Glauben um das
gnadenhafte Ereignis — besonders gern spricht Verf. von göttlichen
„Eingriffen" (9, 54 ff., 62, 96 u. ö.) —, um den freien
Entschluß der göttlichen Liebe, nicht aber um rationale Schemata
und Notwendigkeiten geht. Die Theologie bedarf ihrer
eigenen Kategorien, freilich nicht so, daß sie sich gegen die
Philosophie verschließt, sondern — wie es die Alte Kirche getan
hat — so, daß sie mit ihrer Glaubenserkenntnis in das philosophische
Denken eingeht. — Im folgenden denkt Verf. den einzelnen
„Mysterien" nach, auf die die Christologie stößt: Inkarnation
, Gründung der Kirche durch den Christus der Erdentage,
Wunder, Leiden und Tod, Auferstehung und Himmelfahrt, Sendung
des Geistes, Geheimnis und Sendung der Kirche, Parusie.
Die Christologie geht über in Ekklesiologie. Die Kirche lebt aus
dem Wort und den Sakramenten. „Ihr Mittelpunkt aber ist die
Welt der Sakramente" (154). Der Taufe und ihren typologischen
Entsprechungen im biblischen Denken ist besondere Aufmerksamkeit
gewidmet. Bei allem Dringen auf das Mitwirken aller
Glieder am Aufbau des Leibes wird doch die hierarchische Struktur
der Kirche stark betont. Daß der Protestantismus der Versuch
sei, „unmittelbar, ohne Hilfe der Kirche, zu Christus zu
gelangen" (181), darf nicht unwidersprochen bleiben. Im Schlußkapitel
kommt vorwiegend der „Mystiker" zu Wort. Das geistige
— der Übersetzer sollte besser gesagt haben: geistliche —
Leben ist „personale Beziehung zwischen der Seele und dem
Göttlichen Wort" (190). Aber Verf. kann auch vom Versinken
in den schweigenden Abgrund der Trinität sprechen (189), von
der Wüste, in die die Seele zunächst hinein muß (191), von der
„Geburt des Göttlichen Wortes im Schlaf der Sinne, im Aufhören
aller fleischlichen Aktivität, in vollkommener Ruhe, in
der Stille der Nacht" (193). Auch die Bekehrung des freien ( ! )
Willens ist das Werk des Göttlichen Wortes (195).

Der von evangelischer Theologie geprägte Leser stockt an
vielen Stellen. Wir können jetzt nicht einzelnes erörtern. Das
Buch ist im ganzen sehr gehaltvoll und hilfreich. Seine methodische
Grundeinstellung — ganzheitliche Theologie I — weist uns
nachdrücklich auf eine der dringlichen Zukunftsaufgaben theologischen
Denkens. Ein Mann wie D. hat es leichter als viele
andere: er ist Exeget, Patristiker, Systematiker in einem. Er
denkt nicht nur, sondern er meditiert auch. So wird sein Buch
auch manchem eine Glaubenshilfe und damit ein Helfer auf dem
„Weg zu Christus" sein.

Die Übersetzung ist elegant. Der Rezensent kann leider das Original
nicht vergleichen. Neben „geistig" (s. o.) scheint auch das Wort
„Bewerber" (155) und das Wort „Gefühle" (188) einer Nachprüfung
zu bedürfen. — Wer an klassisches Latein gewöhnt ist, stößt sich an
dem Dativ mihi auf dem Widmungsblatt.

Leipzig Gottfried Voigt

Auer, Alfons: Das Gewissen als Mitte personaler Existenz (Univcr-

sitas 19, 1964 S. 405—411).
Backes, Ignaz: Der Universalismus des Heils. Heilsgnade vor

Christus (TThZ 73, 1964 S. 153—160).
Bartsch, Hans-Werner: Über die Möglidikeit, von Gott zu reden

(KidZ 19, 1964 S. 155—161).
C o a t e s, Thomas: Authority in the Church. Saint Louis: Concordia

Publishing House [1964]. 98 S. 8°. Kart. $ 1.50.
Echternach, Helmut: Hellas und das Evangelium (LM 3, 1964

5. 106—117)).

F o 1 e y, Grover: Die religiöse Religionslosigkeit des Bischofs Robinson

(EvTh 24, 1964 S. 178—195).
Ger des, Hayo: Die christliche Theologie als Wissenschaft (NZSTh 6,

1964 S. 1—13).

Hahn, Hans-Christoph: Die Einheit der Kirche in evangelischer Sicht

(Una saneta, 1964 S. 33—52).
Hamilton, Kenneth: Schleiermacher and Relational Theology (The

Journal of Theology 44, 1964 S. 29—39).
Lahr, Horst: Schritte zur Sammlung (ZdZ 18, 1964 S. 42—52).
L e p p i n, Eberhard: Luthers Frage nach dem gnädigen Gott — heute

(ZThK 61, 1964 S. 89-102).
Meyer, Ulrich: Zur Herkunft und Überwindung des protestantischen

Individualismus (EvTh 24, 1964 S. 267—272).
Müller, Gotthold: Die Idee einer Apokatastasis ton panton in der

europäischen Theologie von Schleiermacher bis Barth (ZRGG 16,

1964 S. 1—22).

Muschalek, Georg und Arnold Gamper: Offenbarung in Geschichte
(ZKTh 86, 1964 S. 180—196).

O g d e n, Schubert M.: Zur Frage der „richtigen" Philosophie (ZThK
61, 1964 S. 103—124).

Peters, Albrecht: Zwischen Religion und Atheismus. Im Gespräch
mit H. Gollwitzer (LM 3, 1964 S. 2—6).

Posselt, Hans: Vernunft und Offenbarung bei Teichmüller (NZSTh

6, 1964 S. 108—114).

R a h n e r, Karl: Gegenwart des Christentums. Freiburg: Herder [1963].

127 S. kl. 8° = Herder-Bücherei 161.
Schäfer, Rolf: Das Reich Gottes bei Albrecht Risch] und Johannes

Weiß (ZThK 61, 1964 S. 68-88).
Schott, Erdmann: Grundlinien der Theologie Rudolf Hermanns

(NZSTh 6, 1964 S. 14-34).
S z e k e r e s, Atilla: Karl Barth und die natürliche Theologie (EvTh 24,

1964 S. 229—242).
V i c e d o m, Georg F.: Das Geheimnis des Leidens der Kirche.

Mündien: Kaiser 1963. 42 S. gr. 8° = Theologische Existenz heute.

hrsg. v. K. G. Steck u. G. Eichholz, N.F.Nr. 111. DM 3.-.
Wenz, Helmut: Revision des Glaubensbekenntnisses? (LM 3, 1964

S. 13-17).

Werner, Hermann: Ist „Honest to God" ehrlich vor Gott? (LM 3,
1964 S. 30—40).

ETHIK

T i 11 i c h, Paul: Christentum und soziale Gestaltung. Frühe Schriften
zum Religiösen Sozialismus. Stuttgart: Evang. Verlagswerk [1962].
381 S. 8° = Gesammelte Werke, hrsg. v. R. Albrecht. Bd. II,
Lw. DM 26.90.

— Der Protestantismus als Kritik und Gestaltung. Schriften zur Theologie
I. Stuttgart: Evang. Verlagswerk [1962], 277 S. 8° = Gesammelte
Werke, hrsg. v. R. Albrecht, Bd. VII. Lw. DM 26.—.

Von den Gesammelten Werken P. Tillichs erschien zuletzt
Bd. IV. Ich habe ihn hier Jg. 1963, Sp. 130 ff. angezeigt. Ähnlich
den vorausgegangenen Bänden nimmt auch der vorliegende
II. Band eine gedankliche und thematische Einheit in Anspruch.
Seine 14 Titel entstanmmen den Jahren 1919 bis 1933, also der
Zeit zwischen dem ersten Weltkrieg und dem Beginn der
nationalsozialistischen Herrschaft. Das Thema „Religiöser Sozialismus
" ist der geistigen Lage jener Zeit in Deutschland genau
eingepaßt. Das Jahr 1933 bestätigt zwar die Zeitdiagnose besonders
der hier zuletzt noch einmal abgedruckten Schrift,
bringt aber zugleich das Thema selbst sowohl im öffentlichen