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Ausgabe:

1964

Spalte:

687

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Tyškevič, S.

Titel/Untertitel:

Die Einheit der Kirche und Byzanz 1964

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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687

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 9

688

Tyskevic, S.: Die Einheit der Kirche und Byzanz. Übers, u. hrsg.
v. F. K. L i e s n e r. Würzburg: Augustinus-Verlag 1962. VIII, 112 S.
8° = Das östliche Christentum, hrsg. v. H. M. Biedermann, N. F.,
H. 16. Kart. DM 16.20.

In der Erforschung der Ostkirche, ihrer Geschichte und
ihrer Lehre, ist die römisch-katholische Theologie mit einer
großen Anzahl bedeutender Beiträge vertreten. In Deutschland
wird diese Arbeit besonders von den Würzburger Augustiner-
Eremiten getragen, von denen auch die Reihe, in der das vorliegende
Buch erschienen ist, herausgegeben wird. Daß man als
evangelischer Theologe manche Akzente anders setzen würde,
schränkt die grundsätzliche Bedeutung dieser Forschungsarbeiten
für die Erschließung eines weithin noch unbekannten Materials
nicht ein.

Gänzlich anders steht es jedoch mit dem hier zu besprechenden
Bändchen des 1962 verstorbenen Jesuitenpaters und
Professors am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom,
S. Tyskevic. Der Verfasser ist selbst russischer Herkunft, und
das Buch erschien auch zuerst 1951 in russischer Sprache, geschrieben
, wie es im Vorwort des Übersetzers heißt, für „russische
orthodoxe Leser", und zwar als ,.Beweis für die Wahrheit
der katholischen Auffasung von der Einheit der Kirche". „Bewiesen
" wird dann in elf Kapiteln, wie der östliche Teil der
noch ungetrennten Kirche von dem heidnischen Prinzip des
Cäsaropapismus und von Häresien in dem Maße zerfleischt
wurde, in dem er sich von den päpstlichen Hütern des wahren
Glaubens und der rechten Ordnung trennte. Das Beweismaterial
wurde aus Werken russischer orthodoxer Theologen zusammengestellt
. Die Zitate wurden so ausgewählt und gekürzt, daß im
Zusammenhang mit dem übrigen Text der Eindruck erweckt
wird, als seien diese orthodoxen Theologen auf Grund ihrer
Untersuchungen von der Wahrheit des römischen Primats ebenso
überzeugt wie von der Irrgläubigkeit der byzantinischen
Kirche.

Daß es unter den russischen und übrigens auch griechischen
Theologen eine massive Kritik des Cäsaropapismus und mancher
problematischer Erscheinungen in der Ostkirche alter und
neuerer Zeit gibt, steht außer Frage. Doch hinter dieser Kritik
steht das Wissen um die ständige innere und äußere Anfechtung
der Kirche auf ihrer irdischen Wanderschaft, nicht aber
eine einfache Rückkehr nach Rom.

Das Buch ist ohne jeden wissenschaftlichen Wert, und so
wurde auch auf die Literaturangaben und den biographischen
Anhang keinerlei Sorgfalt gewandt. Immerhin scheint der Verfasser
, vermutlich erst unter dem Einfluß der Konzilsvorbereitungen
, erkannt zu haben, daß seine Darstellung reichlich einseitig
ist. Daher bemerkt er in einem ergänzenden Nachwort,
daß Byzanz auch seine lichten Seiten hatte und daß die Schuld
an der Zertrennung auch bei Päpsten, Legaten und westlichen
Herrschern zu suchen sei. Unbeantwortet bleibt nur die Frage,
warum diese so eindeutig tendenziöse Schrift, zumal in der
gegenwärtigen Situation, ins Deutsche übersetzt und in eine
Reihe von durchaus beachtenswerten Ostkirchenstudien aufgenommen
worden ist.

Heidelberg Reinhard S I enczka

Künneth, Friedrich Wilhelm: Maria, das römisch-katholische Bild
vom christlichen Menschen. Der Zusammenhang von Anthropologie
und Mariologie in der gegenwärtigen römisch-katholischen Theologie
des deutschen Sprachraumes. Berlin: Luth. Verlagshaus 1961.
92 S. gr. 8° = Arbeiten zur Geschichte und Theologie des Luthertums
, hrsg. v. W. Maurer, K. H. Rengstorf u. E. Sommerlath, Bd. VII.
Kart. DM 11.80.

Die Mariologie ist heute zweifellos das Gebiet, auf dem
die röm.-kath. Theologie die umfangreichste Arbeit leistet, zugleich
aber nach einhelligem evangelischen Urteil (einige Außenseiter
ausgenommen) diejenige Stelle, an der die Kluft zwischen
den Konfessionen (übrigens auch zum Osten) sich am tiefsten
auftut. Daher begrüßt man jede Arbeit, die hier nicht nur
Unterschiede feststellt, sondern auf die Grundlagen zurückgeht,
auch wenn sie, wie die vorliegende, ergänzungsbedürftig bleibt.

Der Verf. untersucht die Entwicklung der Mariologie in
der neueren katholischen deutschen Theologie und geht von

Scheeben aus, in dem er einen bedeutenden Wendepunkt sieht.
Er meint, seitdem zwei entgegengesetzte Richtungen unterscheiden
zu können, die er als die „unipolare" und „bipolare"
Mariologie bezeichnet. Die unipolare gehe allein von der Tatsache
der Gottesmutterschaft aus, während die bipolare auch
die Rolle Marias unter dem Kreuz für die Marienlehre fruchtbar
zu machen suche. Die unipolare Mariologie sei „skeptisch",
die bipolare spekulativ. Die unipolare nehme die Aussagen der
Schrift zum alleinigen Maßstab, darum sieht sie der Verf. auch
in verhältnismäßig großer Nähe zum reformatorischen Marienbild
, während sich die bipolare Mariologie weit von der Grundlage
der Schrift entferne. Darum sei diese auch viel stärker auf
Traditionszeugnisse angewiesen als die unipolare.

Im ersten Teil seiner Arbeit (12—57) gibt der Verf. einen
ausführlichen Überblick über das neuere mariologische Schrifttum
, der von einer gründlichen Kenntnis der Materie zeugt.
Wer diese Arbeit nur zur Unterrichtung über den Stand und
die Tendenzen der heutigen Mariologie benutzen will, kann
sie nur dankbar begrüßen, auch wenn die Literatur nur bis
etwa zum Jahre 195 5 benutzt ist (was bei einer Dissertation
verständlich ist).

Der eigentliche Schwerpunkt der Arbeit liegt aber in dem
zweiten Teile (58—8 5) über „die fundamentaltheologischen
Voraussetzungen der modernen Mariologie und ihre Problematik
". Hier analysiert der Verf. besonders die Erkenntnismethoden
der bipolaren Mariologie und stellt folgendes fest: Nach
deren Auffassung entsteht Offenbarungserkenntnis nicht nur
rezeptiv, sondern durch eine aktive Mitarbeit des menschlichen
Geistes (darin liegt das anthropologische Moment), und daher
ist auch eine Erweiterung des Dogmas möglich. Grundlage dafür
ist die analogia entis, die es dem in Entsprechung zu Gottes
Geist geschaffenen menschlichen Geist ermöglicht, von den
natürlichen Seinsverhältnissen auf die übernatürlichen zu schließen
. Dadurch entsteht eine Konklusionstheologie, die mit verschiedenen
denkerischen Mitteln die Gestalt Marias und ihre
Bedeutung in der Weite der göttlichen Heilsökonomie begreiflich
machen will.

Trotz der Fülle des Materials und auch mancher guten
Beobachtung läßt das Ganze doch Wünsche übrig, weil der Verf.
über diesen phänomenologischen Aufweis nicht hinausgeht und
damit die kritische Schärfe sowohl gegenüber dem Gegenstand
wie auch seiner eigenen Fragestellung verliert.

Zunächst wäre zu fragen, ob die Scheidung zwischen unipolarer
und bipolarer Mariologie wirklich die Bedeutung hat,
die der Verf. ihr zuschreibt. Schließlich strebt auch die sog.
ältere Mariologie zur Bipolarität. Denn das, was der Verf. mit
dieser Unterscheidung meint, erschöpft sich doch nicht in der
formalen Tatsache, daß man heute Joh. 19 stärker in den
Vordergrund rückt, sondern kreist um die Frage der Mitwirkung
Marias bei der Erlösung. Und da hat man sich doch schon seit
den Zeiten der Scholastik bemüht, aus dem „Fiat" Marias eine
Mitwirkung sowohl Marias wie auch der von ihr vertretenen
Menschheit am Erlösungswerk herauszulesen. Die mögliche
Gegenthese, daß das bipolare Element nicht neu ist, sondern
nur die Beweisführung auf eine breitere Grundlage stellt, wird
nicht untersucht. — Immerhin ist aber die Aufführung der sog.
unipolaren Stimmen dadurch wichtig, daß sie zeigt, wie ernsthafte
Bedenken gegen die Überentwicklung der Mariologie
auch im röm.-kath. Raum erhoben werden. Das befreit aber
nicht von der Notwendigkeit, auch die These von der Nähe der
unipolaren Anschauung zum reformatorischen Marienbild näher
zu prüfen. Was haben z. B. die Ansichten Bartmanns über
Marias Mutterschaft mit reformatorischen gemein?

Zweitens wäre zu fragen, ob die vom Verf. örtlich und
zeitlich gewählte Abgrenzung wirklich ein historisch klar kon-
turiertes Bild ergibt. Gewiß können — und müssen auch — Rücksichten
der Arbeitsökonomie zu einer Beschränkung auf den
deutschen Raum führen. Dabei muß aber stets die internationale
Verflechtung durchscheinen, die auf keinem Gebiete der
röm.-kath. Theologie so stark ist wie bei der Mariologie. Vor
allem aber kann nicht abgesehen werden von der Bedeutung der
päpstlichen Verlautbarungen für die Weiterentwicklung. Gewiß