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Ausgabe:

1964

Spalte:

684-686

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Slenczka, Reinhard

Titel/Untertitel:

Ostkirche und Ökumene 1964

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 9

684

mit den historischen Quellen in absoluter Übereinstimmung?
Zwar hat der Reformator kein einziges Mal direkt von seinem
„Thesenanschlag" gesprochen, aber — und daran scheitert m. E.
zwangsläufig Iserlohs ganze Konstruktion — in seinem Schreiben
vom 13. Februar 1518 teilte er dem Brandenburger Bischof
mit, er „habe Thesen ausgehen lassen und öffentlich
alle, persönlich aber alle, die er als die gelehrtesten kannte,
eingeladen und gebeten, daß sie ihm eventuell brieflich ihre
Meinung eröffneten"2. Was kann aber, so muß man nun fragen
, in diesem Zusammenhang der Ausdruck: „publice"
anderes als den Thesen a n s c h 1 a g bedeuten? Solange Iserloh
für diese Stelle keine andere einleuchtende Erklärung zu geben
vermag:i, darf man getrost an Luthers Thesenanschlag als „Tatsache
" festhalten, muß sich aber zugleich auch darüber im klaren
sein, daß die Wissenschaft mit dieser Feststellung am Ende des
Beweisbaren steht und alle weiteren Erörterungen über dieses
Thema zur Fruchtlosigkeit verdammt sind.

Geismar b. Göttingen HansYolz

:') Weimarer Lutherausg. Briefe Bd. 1, S. 138, 17—19: „emisi dis-
putationem, invitans et rogans publice omnes, privatim vero ut
novi quosque doctissimos, ut vel per literas suam sententiam aperi-
rent". Zu der von O. Clemen gegen alle Textzeugen ganz unnötigerweise
vorgenommenen Konjektur: „nosti" (statt: „novi") vgl. mein
Buch, S. 121 Anm. 190; Iserloh (Trierer Theol. Zs.), S. 307 Anm. 24;
ders., Luthers Thesenanschlag, S. 27 f. Anm. 50. Vgl. zur ganzen Frage
auch meine Ausführungen im Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen
Vereinigung Bd. 13 (1962), S. 214. Anm. 109 u. S. 219 f.
Anm. 124.

3) In seiner Erwiderung auf die von Peter Meinhold (in ,.Christ
und Welt" Nr. 31 vom 3. August 1962) an seiner These geübte Kritik,
in der u. a. auch auf das oben zitierte Lutherwort hingewiesen ist, vermochte
Iserloh die Durchschlagskraft dieser Beweisstelle durch kein
überzeugendes Argument zu entkräften, sondern er erklärte nur:
„Worin Luther die öffentliche Einladung gegeben sah, muß noch in
weiteren Diskussionen geklärt werden" (ebd. Nr. 39 vom 28. September
1962).

Barth, Karl: Zum 400. Todestag Calvins (EvTh 24, 1964 S. 225
—229).

Harms, Klaus: Calvins Einfluß auf den Osten (DtPfrBl 64, 1964
S. 258—260).

Philipp Melanchton 1497—1560. Humanist, Reformator, Praecep-
tor Germaniae (Melanchthon-Komitee der Deutschen Demokratischen
Republik Berlin 1963)

Stern, Leo: Philipp Melanchthon — Humanist, Reformator,

Praeceptor Germaniae (S. 1—72).

Schreyer-Mühlpfordt, Brigitta: Die Karolingerzeit im
Blickfeld deutsdier Humanisten (S. 73—82).

Hofmann, Franz: Philipp Melanchthon und die zentralen Bildungsprobleme
des Reformationsjahrhunderts (S. 83—109).
Neuss, Erich: Melanchthons Einfluß auf das Gymnasialschulwesen
der mitteldeutschen Städte im Reformationszeitalter (S. 110—137).
Steinmetz, Max: Philipp Melanchthon über Thomas Müntzer
und Nikolaus Storch (S. 138—173).

Zöllner, Walter: Melanchthons Stellung zum Bauernkrieg
(S. 174—189).

Zschäbitz, Gerhard: Die Auswirkungen der Lehren Philipp

Melanchthons auf die füretenstaatliche Politik in der zweiten

Hälfte des 16. Jahrhunderts (S. 190—226).

B a r t e 1, Oskar: Melanchthon und Polen (S. 227—236).

R i c a n, Rudolf: Melanchthon und die böhmischen Länder (S. 237

—260).

Koväcs, Endre: Melanchthon und Ungarn (S. 261—269).

Harksen, Sibylle: Bildnisse Philipp Melanchthons (S. 270—287).

Beutenmüller, Otto: Das Melanchthon-Gedächtnishaus in

Bretten (Baden) und seine Geschichte (S. 288—290).

Kühne, Heinrich: Aus der Geschichte des Wittenberger Me-

lanchthonhauses (S. 291—300).
Mülhaupt, Erwin: Luthers Übersetzung und Auslegung des
3 7. Psalms, ein Beispiel zunehmender Verchristlichung, aber nicht
Christologisierung. Luther (Zeitschrift der Luthergesellschaft 34,
1963 S. 49—60).

Müller, Gerhard: Das Konzil von Trient (ZW 34, S. 740—750).
Noltensmeier, Hermann: Der Prediger Calvin (DtPfrBl 64, 1964
S. 256—258).

Ra6mussen, Jörgen Nybo: Jakobus de Dacia OFM (FS 45, 1963
S. 314—337).

Reuter, Theodor: Luther und der Umgang mit der Heiligen Schrift

(zusammengestellt) (Igreja Luterana 24, 1963 S. 160—163).
R o g g e, Joachim: Anmerkungen zum Kirchenbegriff Calvins (ZdZ 18,

1964 S. 180—186).
Tüchle, Hermann: Das Seminardekret des Trienter Konzils und die

Formen seiner geschichtlichen Verwirklichung (ThQ 144, 1964

S. 12-30).

Wolf, Ernst: Johannes Bugenhagen und die „Ordnung der Gemeinde"
(Zwischenstation. Festschrift für K. Kupisch zum 60. Geburtstag.
München: Chr. Kaiser Verlag 1963 S. 281—298).

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

S I e n c z k a, Reinhard: Ostkirche und Ökumene. Die Einheit der
Kirche als dogmatisches Problem in der neueren ostkirchlichen
Theologie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1962]. 316 S.
gr. 8° = Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie
, hrsg. von E. Schlink, 9. DM 28.50.

Verf. dieser gründlichen Studie geht zunächst im 1. Kap.
auf das dogmatische Problem der ökumenischen Bewegung ein.
Dabei bemerkt er 6ehr richtig, „daß die Lehre von der Kirche
bisher noch von keiner Kirchengemeinschaft mit hinreichender
Klarheit entwickelt worden ist" (S. 18). Was heute innerhalb
der ökumenischen Bewegung an ekklesiologischen Auseinandersetzungen
zu verzeichnen ist, gehört mehr in den „Bereich der
konfessionellen Phänomenologie" als in den der systematisch-
dogmatischen Arbeit. Da die konfessionellen Phänomene selbstverständlich
auch ihren Wert haben, unterscheidet S. methodisch
zwischen „Kirchenbewußtsein" und „Kirchenbegriff" (S. 19 f.).
Diese Unterscheidung erweist sich die ganze Arbeit hindurch als
außerordentlich fruchtbar, sowohl für den orthodoxen, wie für
den protestantischen Gesprächspartner innerhalb der Ökumene.
Ein Kirchenbewußtsein kann sehr stark ausgeprägt
sein und in einem entsprechenden „Selbstbewußtsein" sich
äußern. „Der Kirchenbegriff ist nun dadurch bestimmt,
daß die Kirche zum theologischen Problem und zum Gegenstand
der dogmatischen Reflexion wird" (S. 20, Sperrung vom Rez.).
In Absatz B dieses Kap. entfaltet Verf. seine Methode an verschiedenen
Gegenständen. So zeigt er z. B. mit dankenswerter
Klarheit, die auch manchem Kirchenhistoriker zugute kommen
dürfte, daß kulturelle, geographische, rassische und andere
Phänomene für die Religionsgeschichte, Religionspsychologie
und Kulturgeschichte der Ostkirche von nur relativem Nutzen
sein können. „Für die Theologie dagegen sind sie völlig
unzureichend, ja, geradezu irreführend, wenn sie dazu dienen
sollen, die kirchliche Zertrennung von nicht - theologischen
Faktoren her zu erklären" (S. 23). In zwei Teilen wird
zunächst das Problem der „Einheit der Kirche in der ostkirchlichen
Theologie" (S. 35—170) und danach, in dem
II. Teil, „das ökumenische Problem in der ostkirchlichen Theologie
" (S. 171—276) behandelt. Ein Schlußteil führt zwei Kapitel
: „Ökumenische Problematik und ökumenische Bewegung"
(S. 277—293) und „Die ostkirchliche Ekklesiologie und das Problem
der Ökumene" (S. 294—301). Ein Epilog (S. 301—304), ein
umfangreiches Literaturverzeichnis (S. 302—314) und ein ausgewähltes
Namenregister (S. 315—316) schließen die Arbeit ab.
Verf. kennt nicht nur die deutschsprachige, sondern auch die
ausländische, und hier neben der russischen auch die griechischsprachige
Spezialliteratur.

Die Arbeit verfolgt in Teil I Weg und Entwicklung vornehmlich
der russischen aber auch neugriechischen Bemühungen um eine systematische
Ekklesiologie, die diese von der Schuldogmatik des 19. Jahrhunderts
, die sich noch weitgehend in einem „vordogmatischen Stadium
" befand, zunächst zu Chomjakov und Solovjev führten. Diese
beiden russisdien Religionsphilosophen werden einer wissenschaftlich
gediegenen kritischen Analyse unterzogen, die ausführlich zu referieren
leider der Raum verbietet. Bei Chomjakov vermerkt Verf. „eine
vertiefte theologische Reflexion auf das Kirchenbewußtsein" (S. 77).
Im Gegensatz zu seinen noch phänomenologisch orientierten Aussagen
über die Kirche kommt es bei Solovjev zu einer wesentlichen Vertiefung
und zugleich Erweiterung des Kirchenbegriffs. „Trotz aller
Problematik seines spekulativen Ansatzes ist von Solovjev das Verständnis
der Kirche als Leib Christi konsequent durchdacht worden.