Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1964

Spalte:

675-676

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Théologie de la vie monastique 1964

Rezensent:

Adam, Alfred

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

675

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 9

676

daß der Verf. zwar die Theologie des Irenäus „gradlinig" auf
die „johanneische Schau" (S. 30) zurückführt, den Montanismus
dagegen auf die „ekstatische Religion Vorderasiens" (S. 36),
obwohl beides bekanntlich auf sehr schwachen Füßen 6teht.
Allein warum muß E. nun auch noch behaupten, die montanistische
Askese beruhe auf einem „fundamentalen Nihilismus"
(vgl. Analoges über Columba, S. 71 f.), da sie auf dem Grunde
der „Mystik" gewachsen sei? (S. 36). Warum muß, noch ehe
das Konzil von Nizäa beschrieben wird, behauptet werden,
schon Arius habe zur Bezeichnung der Wesenheit des Sohnes
das spätere Schlagwort „homoiusios" dem „homousios" der
kirchlichen Tradition gegenübergestellt (S. 99 u. 101)? Warum
schließlich müssen selbst die grundlegenden Gedanken Luthers,
voran seine Rechtfertigungslehre, statt auf Paulus vielmehr „auf
durch Augustin vermitteltem platonischen Erbe" beruhen (S. 61
u. 86)? Soll selbst Luther als Exponent altkirchlich-katholischer
Voraussetzungen erscheinen?

Man legt das Buch von Echternach nicht mit Dank aus der
Hand, sondern mit Traurigkeit, einmal deshalb, weil der Verf.
— trotz seiner teilweise respektablen Quellenkenntnis — offenbar
gar nicht merkt, daß er dazu neigt, das komplizierte Ganze
der Geschichte, zumal der Kirchengeschichte, in bedenklichen
Vereinfachungen, Schablonen und Analogien zu denken. Jakob
Burckhardts Warnung vor den „horribles simplificateurs", die
der Verf. (S. 26) — bezeichnenderweise — gegen Marcion richtet
, trifft in Wahrheit ihn selbst. Hierhin gehört auch der journalistische
Stil und Ton, in welchem der Verf. meint, die
schwersten Dinge des Glaubens und der Kirche „den Heutigen
nahezubringen". Sind wir „Heutigen" wirklich nichts Besseres
wert? In Wahrheit verfällt E. damit doch selbst dem Zeitgeist,
von dem sein Buch angeblich unabhängig sein will. Dazu aber
sind auch gegen die kirchengeschichtliche Konzeption des Ganzen
die ernstesten Bedenken anzumelden. Denn weder ist die
katholische Kirche der ersten Jahrhunderte einfach d i e Kirche
schlechthin, in der ein „vertikaler Einfall der Wahrheit" (S. 11)
stattgefunden hat, noch ist der Wahrheit des Evangeliums damit
gedient, daß man den Geist der Neuzeit, Naturwissenschaft,
historische Kritik usw., kurzerhand als die moderne Fortsetzung
der altkirchlichen Häresien etikettiert und mit ihnen auf den
gleichen Nenner schreibt. Wir sind der Meinung, daß weder die
Kirche, noch erst recht die Kirchengeschichte einen derart parteilichen
Standpunkt nötig hat.

Erlangen Karlraann B ey s ch I ag

Theologie de la vie monastique. Etudes sur la Tradition patri-

stique. Paris: Aubier 1961. 571 S. 8° = Theologie. Etudes publ.

sou6 la Direction de la Faculte de Theologie S. J. de Lyon-Four-
viere, 49. NF. 30.—.

Die vorliegende Aufsatzsammlung dient dem Ziel, die als
notwendig bezeichnete Neubesinnung über das Mönchtum zu
ermöglichen, und 6oll zu diesem Zwecke den gegenwärtigen
Stand der Forschung über die theologischen Prinzipien des ursprünglichen
Mönchtums umreißen. Es handelt sich um 26 Aufsätze
verschiedener Autoren, die das Thema beginnend mit
Origenes, dem „Vorläufer des Mönchtums", bis hin zu Aelred
von Rievaulx (gest. 1167) behandeln. In ihnen ist eine reiche
Ernte eingebracht, deren Früchte den aufmerksamen Leser zum
Nachdenken anzuregen geeignet 6ind. Da es sich nicht um neue
Forschungen handelt, seien nur einige kennzeichnende Punkte
hervorgehoben.

Der Gegensatz zwischen den Mönchen Pachoms und den Orige-
nisten erklärt sich aus der Tatsache, daß für Pachom das mönchische
Leben nur die Leiter zum jenseitigen Reich Gottes war, während
Evagrius als radikaler Origenist die Vollkommenheit bereits in diesem
Leben für erreichbar hielt (H. Bacht, S. 65); das Klosterleben war
für Pachom der sicherste Weg zum Heil, nicht aber die Gegenwart
des Heiles selbst. — Die Meinung, die Wurzel des Mönchtums sei
negativer Art, nämlich der Protest gegen das Dahinschwinden des
wahren Christentums, stammt von Kassian (A. de Vogüe, S. 220),
ebenso die Überzeugung, daß der Mönch nicht mehr der kirchlichen
Ordnung unterworfen sei (S. 222), da sein Kloster selber schola Christi
(S. 225) und Kirche ist (S. 233): das coenobium ist ein geistlicher
Tempel, gebaut aus heiligen Menschen, also die Vorausdarstellung

des himmlischen Lebens auf Erden (S. 234). Kassian berichtet uns, daß
die Eremiten in der Sket<*, dem heutigen Wädi 'n-Natrün, vier Kongregationen
gebildet hatten, die zweimal wöchentlich zur Komplet in
ihren eigenen Kirchen zusammenkamen (S. 236): offensichtlich die
Vorstufen zu den späteren Klöstern jener Gegend. — Besonders hingewiesen
sei auf die Erörterung der Grundbegriffe des Mönchtums bei
dem Areopagiten (R. Roques, S. 288 u. 305): der Umstand, daß /wvaxd;
im Sinne von /inrafitxö; einer neuplatonischen Deutung fähig ist,
läßt die übliche Auffassung („der Alleinlebende") als ungenügend
erscheinen. Auch die Theologie des Johannes Climacus mit ihrer hohen
Bewertung der imitatio Christi weist in diese Richtung: der Möndi
soll in seiner Existenz die Christuswirklichkeit darstellen (J. Hausherr,
S. 407), und Maximus Confessor hat diesen Ansatz vollendet, indem
er die anthropologischen Konsequenzen der chalcedonensischen Christo-
logie zog (J.-H. Dalmais, S. 421). — Der weiteren Untersuchung bedürftig
ist der geschichtliche Ort der These, das cönobitische Leben
sei dem Eremitentum überlegen (J. Leroy, S. 426, Anm. 19); die syrische
Tradition, die nicht herangezogen ist, enthält die gegenteilige
Auffassung, die auch der benediktinischen Regel zugrunde liegt. Wenn
in der sahidischen Vita Pachomii als angeblicher Ausspruch des Antonius
der Satz überliefert ist, er bedaure kein Cönobit zu sein, so
ist das wohl doch als Lobpreisung Pachoms zu deuten, der nicht der
Wert eines Zeugnisses beigemessen werden darf. — Im abendländischen
Mittelalter verstärken sich die Aussagen, die das Wesen des Mönchs-
tums in einer geistlichen Antizipation eschatologischer Verheißungen
erblicken, z. B. in der Erlangung der Anfangsstufen der iustitia origi-
nalis und der Gemeinschaft mit der Welt der Engel (J. Leclercq, S. 442 f.),
ausgehend von einer ständigen Betrachtung der Schrift. Zusammen
mit der kluniazensischen Grundidee, daß das Mönchtum die vollkommene
Verwirklichung des Geheimnisses der Kirche sei (J. Lfclercq,
S. 448), tritt uns hier eine Gedankenverbindung entgegen, die den
evangelischen Leser an den prinzipiellen Ansatz der Rechtfertigungserkenntnis
Luthers erinnert. Vielleicht ist von hier aus für das geschichtliche
Verständnis der Anfänge Luthers ein Gewinn zu erwarten
, vor allem wenn die Gedanken Bernhards von Clairvaux auf diese
Frage hin untersucht werden. Die vorliegende Darstellung (P. Dcseiile,
S. 503—52 5) bietet dazu einige Ansätze: die Reformation des Mönchtums
, die Neuentdeckung der Lehre von der imago Dei, das Lob der
Christusmystik, die Verbindung des Geistbesitzes mit der e6chatolo-
gischen Hoffnung, die Betonung der Menschheit Christi, die Hervorhebung
der Gemeinschaft der Glaubenden.

Bethel b. Bielefeld Alfred Adam

Campenhausen, Hans Frhr. v. : Die Jungfrauengeburt in der
Theologie der alten Kirche. Heidelberg: Winter 1962. 69 S. gr. 8"
= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
Philos.-hist. Klasse, Jg. 1962, 3. Abhandig. DM 9.80.

Die Absicht der Abhandlung ist es, durch den erschreckend
anwachsenden Wald mariologischer Literatur eine Schneise zu
schlagen: die treibenden Kräfte in der Entwicklung des Nachdenkens
über Maria in der Alten Kirche sollen dargelegt, die
Hauptlinien skizziert werden, wie Verf. in seiner sehr beherzigenswerten
grundsätzlichen Einleitung ausführt (S. 5—7). Die
Aufgabe ist vortrefflich gelöst; die Arbeit bietet eine ausgezeichnete
Übersicht. Wie die urchristlichen Aussagen über die
Jungfrauengeburt zunächst kein selbständiges Thema für das
theologische Denken sind, sondern ein überkommenes, zu deutendes
Stück der Lehre darstellen, das dann unter dem Einfluß
gnostischer Spekulation zu weiterführenden Überlegungen Anlaß
gibt, bis endlich in der westlichen Kirche christologischc
und asketische Deutungen zu einer Einheit zusammenwachsen
— all das wird in überlegener und überlegter Darstellung zur
Anschauung gebracht. Die Quellen kommen reichlich zu Wort,
auf die überreiche Literatur ist in vernünftiger Auswahl verwiesen
. Das Wesentliche an der Abhandlung ist, daß hier weder
apologetische noch antikatholische Befangenheit das Wort
ergreift und die altkirchlichen Autoren nicht ad hoc nachgeschlagen
und als Zeugen pro et contra „befragt" werden, sondern
Gestalten und Kräfte sind wirklich in die richtigen Proportionen
gerückt; es ist gerade heutzutage eine Erquickung,
eine so durchdachte und ausgewogen urteilende Arbeit zu lesen
, die auch im einzelnen glückliche Formulierungen und Beobachtungen
enthält, so wenn etwa auf S. 38 auf das Zurücktreten der
Behandlung der Jungfrauengeburt mit dem Abklingen der gno-
stischen Gefahr aufmerksam gemacht wird oder auf S. 42 auf
die Rolle des Geschmacks und der ästhetischen Rücksichtnahme